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Runter vom Schiff, rein in die Werkstatt

Technik
Runter vom Schiff, rein in die Werkstatt

Bei E.H.H. Autotec in Bremerhaven werden Importautos landfein gemacht

Michael Rehm

Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache: 520 Mitarbeiter, 300.000 Quadratmeter Gesamtfläche, über 400.000 bearbeitete Fahrzeuge im Jahr und Standfläche für mehr als 10.000 Fahrzeuge. Keine Frage; die E.H.H. Autotec in Bremerhaven ist Europas größte Werkstatt. Doch so imposant die Zahlen sind – so richtig lassen sich die Dimensionen des am Kaiserhafen gelegenen Unternehmens damit nicht fassen. Besser ist, man fährt durch das Werksgelände, vorbei an endlosen Reihen eingeparkter Neuwagen, an riesigen Arbeitshallen und an den so genannten „Regalen“, Parkhäusern mit Logistik-Einrichtungen, die mehrere tausend Autos beherbergen. Am eindruckvollsten ist allerdings ein Blick von oben. Erst im Luftbild offenbart sich die Größe und vor allem die Struktur der Anlage. Speziell die Sicht von oben auf Transportwege, Verladestationen und Anbindungen an Schienennetz, Straße und Hafen macht deutlich, welche Rolle die E.H.H. Autotec im Unternehmensverbund spielt.
Als Tochterunternehmen der BLG Logistics Automobil und der E.H.H. Automobil-Logistics gehört E.H.H. Autotec zu einem der weltweit größten Anbieter von Dienstleistungen rund um den Transport von Automobilen. Dass dieser sich in Bremerhaven angesiedelt hat, ist kein Zufall. Ein Großteil der für den deutschen Markt bestimmten Importfahrzeuge aus Asien und Amerika landet nach mehrwöchiger Schiffsreise hier. Und von Bremerhaven aus werden etliche für andere europäische Länder bestimmte Fahrzeuge per Schiff, Schiene oder Straße in ihre Bestimmungsländer weiter verfrachtet. Die Stadt an der Wesermündung ist damit einer der größten Fahrzeugumschlagplätze der Welt.
Transportschutz entfernen
Sobald ein Übersee-Containerschiff – im Fachjargon „Deep Sea Car Carrier“ – in Bremerhaven angelegt hat, machen sich die Mitarbeiter von E.H.H. Autotec ans Werk. Sie lösen die transportsicher verzurrten, aber fahrbereiten Autos von ihren Gurten und bugsieren sie aus dem Bauch der Containerschiffe. Nach einer ersten Eingangskontrolle werden diejenigen Fahrzeuge, die nicht direkt weitertransportiert werden, von ihrem Transportschutz befreit. Früher bewahrte eine Wachsschicht die Fahrzeuge während des Transports vor Kratzern, heute setzt die überwiegende Mehrheit der Hersteller auf Folien oder sogar auf wieder verwendbare Schutzhauben. „Paraffin war zwar der effektivste Schutz, aus Gründen des Umweltschutzes ist jedoch Folie vorzuziehen“, erläutert Thomas Arnold, Technischer Leiter von E.H.H. Autotec. Während Wachs mit einem alkalischen Reinigungsmedium heiß abgewaschen wurde, müssen Folien lediglich abgezogen und eventuelle Rückstände entfernt werden. In der Waschstraße werden die Fahrzeuge anschließend auf Hochglanz gebracht.
Liegt die Karosserie frei, beginnt die Arbeit der Qualitätsprüfer. In gleißend hellen Lichttunnels werden Karosserien auf Schrammen oder Dellen geprüft. Fehler werden festgehalten und anschließend in einem von zwei Technikcentern repariert. Eine große Rolle spielen dabei Reparaturmethoden wie das lackschadenfreie Ausbeulen und Spotrepair. Nicht nur die Oberfläche wird kontrolliert. Die Autotec-Mitarbeiter prüfen auch, ob die gelieferte mit der bestellten Ausstattung übereinstimmt, ob Flüssigkeitsstände den Bestimmungen entsprechen und Sicherheitseinrichtungen funktionieren. Werden keine Mängel festgestellt, sind die Fahrzeuge danach fertig für den Transport zum Kunden – per Schiene oder Lkw.
Verlängerte Werkbank
Für zahlreiche Fahrzeuge beginnen an diesem Punkt allerdings erst Umbaumaßnahmen, die weit umfangreicher sind, als man sich das gemeinhin vorstellt. Die Liste der technischen Dienstleistungen ist beinahe endlos lang, und sie reicht von A wie Antenneneinbau bis Z wie Zentralverriegelung. Speziell asiatische Hersteller zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Produktion eher schlank halten. Modell- und Ausstattungsvarianten für die jeweiligen Exportmärkte werden zum großen Teil nicht beim Hersteller, sondern erst im Bestimmungsland von spezialisierten Dienstleistern realisiert. So bauen die Mitarbeiter der E.H.H. Autotec Technikcenter zum Beispiel Lederausstattungen ein, und sie installieren Partikelfilter, Standheizungen, Audioanlagen oder Sonnendächer. Auch der Umbau von Benzin- auf Gasantrieb und Chiptuning gehören zum Angebot. „Wir sind gewissermaßen verlängerte Werkbank der Hersteller, und der Trend, technische Dienstleistungen auszulagern, nimmt eher noch zu“, stellt Thomas Arnold fest.
Optische Veränderungen
Eine wichtige Rolle spielt in den beiden Technikcentern der Bereich Lack. 67 Lackierer inklusive der Auszubildenden sind in den Lackierabteilungen beschäftigt. Das Spektrum der ausgeführten Arbeiten ist dabei sehr breit und beinhaltet im Grunde alles außer klassischen Unfallschäden. Um kleine Transportschäden auszubessern, wurden Spot-Repair Arbeitsplätze installiert, bei denen komplette Reparaturen ohne eine einzige Fahrzeugbewegung an Multifunktions-Arbeitsplätzen erfolgen können. „Bei Spotrepair gehören wir auf Grund unserer Auftragsstruktur sicherlich zu den Pionieren“, berichtet Günter Klein, Leiter des Bereichs Lack und Karosserie. „Entsprechend früh haben wir entsprechendes Equipment und Materialien eingesetzt.“
Wer denkt, bei E.H.H. Autotec würden ausschließlich Kleinschäden behoben, liegt allerdings falsch. „Die Anzahl der von uns behobenen Transportschäden ist in den letzten Jahren durch bessere Transportsicherungen und optimierten Karosserieschutz eher zurückgegangen“, berichtet Günter Klein. Spotrepair wird heute hauptsächlich bei der Aufbereitung von Leasingfahrzeugen betrieben, einem weiteren Geschäftsfeld von E.H.H.Autotec.
Komplett umgestaltet
Zugenommen haben dagegen komplette Lackierungen und Umgestaltungen von Sondermodellen. Ähnlich wie bei der technischen Ausstattung der Fahrzeuge konzentrieren sich viele Hersteller auch bei der Lackierung auf die „Basisausstattung“. Für den europäischen Markt bestimmte Sondermodelle dieser Hersteller erhalten daher größtenteils in Bremerhaven ihr individuelles Aussehen. „Unser Spektrum an Leistungen reicht von der Ausstattung mit besonderen Felgen und Spoilern über die Beklebung mit Designfolie bis hin zur individuellen Lackierung von Anbauteilen oder der kompletten Karosserie in einem Sonderfarbton.“ Kein Wunder, dass E.H.H. Autotec einer der größten Kunden von Lackhersteller PPG ist, wie Key Account Manager Hartmut Drapalt stolz berichtet. Bedingt durch die Freigabenpolitik der Fahrzeughersteller werden in den Technikcentern die Produkte beider Konzernmarken – also von PPG und Nexa Autocolor – eingesetzt. Doch nicht nur auf Grund der Größe ist E.H.H. Autotec ein wichtiger Kunde des Konzerns.
Auf den Parkflächen von E.H.H. Autotec sind viele neue Farbtöne an Fahrzeugen zum ersten Mal auf europäischem Boden im Original anzutreffen. Lackierarbeiten an diesen Fahrzeugen setzen daher einen besonders intensiven Informationsaustausch zwischen Lackhersteller und Lackierbetrieb voraus. Informationen fließen dabei in beide Richtungen. „Die Autotec-Mitarbeiter sind einerseits natürlich auf die aktuellsten Farbtoninformationen von uns angewiesen“, erklärt Hartmut Drapalt, „für uns als Lackhersteller ist es andererseits enorm wichtig, sehr schnell, im Grunde noch bevor Fahrzeuge am Markt sind, Varianten, die sich während der Produktion ergeben haben, zu kennen. Das Feedback von Betrieben, die wie E.H.H. Autotec an den großen Anlandeplätzen angesiedelt sind, ist daher extrem wichtig für uns.“

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