Der richtige Farbton in Verbindung mit der richtigen Nuance entscheidet maßgeblich über den Erfolg bei der Ausführung einer Fahrzeugreparaturlackierung. Das gilt umso mehr, wenn am Fahrzeug nur Teilbereiche aufgrund spezieller Schadensbilder lackiert werden müssen. Die Ermittlung des richtigen Farbtons ist damit eine tägliche Herausforderung im Werkstatt-alltag. Schließlich fordert der Auftraggeber „Kunde“ stets eine „unsichtbare
Reparatur“. Dabei steht häufig der Schaden an sich nicht an erster Stelle. Denn der Kunde berücksichtigt nicht, ob es sich um einen Haftplicht- oder Kaskoschaden handelt und welche Vereinbarungen und Regelungen dem jeweiligen Versicherungsvertrag zugrunde liegen. Er erwartet eine fachgerechte Reparatur durch seine Werkstatt und ein makelloses Ergebnis – das sich nur durch die Wahl des richtigen Farbtons gewährleisten lässt.
Warum gibt es Farbtondifferenzen?
Automobilhersteller (Original Equipment Manufacturer, kurz OEM) ordnen in der Regel jedem Fahrzeug ab Werk einen Farbtonnamen und Farbcode zu. Aus diesem Grund geht der „Laie“, also der Kunde, davon aus, dass es auch nur einen Farbton für sein Fahrzeug gibt und dieser ohne Einschränkungen im Reparaturverfahren passen muss. Dem ist aber nicht so. Denn häufig entsprechen die Farbtöne auf den Fahrzeugkarosserien nicht grundsätzlich dem ursprünglichen „Urmuster“, also der Farbtonrezeptur ab Werk. Aber warum eigentlich?
Ein kurzer Hintergrund: Die Automobilhersteller produzieren auf der ganzen Welt an verschiedenen Produktionsstandorten unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. Das im Produktionsprozess eingesetzte Lackmaterial wird am Rohstoffmarkt, abhängig von Verfügbarkeit und Bedarf, eingekauft. Die Folge: Unterschiedliche Lacklieferanten beliefern die Produktionsstandorte, wodurch erste Abweichungen bei den Farbtönen verursacht werden können. Ein zweiter Einflussfaktor auf die Farbtonnuance sind unterschiedliche Applikationstechniken, die je nach Produktionsstandort eingesetzt werden. Aber auch Zubehörteile für die Karosserie, die nicht aus dem Substrat der Karosserie bestehen, sondern bspw. aus Kunststoffmaterialien gefertigt sind, können je nach Zulieferer und Standort variieren. Das alles führt dazu, dass es trotz festgelegter Normen zu Farbtonabweichungen an Neuwagen des gleichen Modells in der Serienfertigung kommt.
Ist ein Fahrzeug dann erst einmal über einen längeren Zeitraum Witterungs- und Umwelteinflüssen, wie zum Beispiel intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt, resultiert dies in weiteren Abweichungen zum Ursprungsfarbton. Hinzu kommen unterschiedliche Beschichtungsgrade und Lackschichtdicken (in µm), Lackqualitäten von hochglänzend bis stark matt sowie Beschichtungs-
verfahren von Einschicht- im Nutzfahrzeugbereich bis zum Mehrschicht-
Verfahren im Pkw-Sektor.
Das alles stellt die Werkstatt im Prozess der Unfallinstandsetzung vor Herausforderungen und führt dazu, dass häufig eine oder auch mehrere andere Nuance(n) zugunsten einer „unsichtbaren Reparatur“ gewählt werden müssen.
30 Minuten – als Minimum
Der Prozess zur Ermittlung des richtigen Farbtons wird täglich in den Reparaturwerkstätten durchgeführt. Das kostet Zeit und Material. So kann allein der Aufwand für die Farbtonermittlung mehr als 30 Minuten pro Schadensfall bzw. Auftrag in Anspruch nehmen – trotz aller technischer Hilfsmittel.
Komplizierter und damit zeitaufwendiger wird es für Werkstätten zum Beispiel bei einem Reparaturprozess, bei dem ein Mehrschichtlackaufbau durchgeführt werden muss. Zur Bestimmung der finalen Nuancen zum Farbton sind mehrere Farbtonausmischungen und zu lackierende Musterbleche erforderlich. Das Gleiche gilt für mattierte Fahrzeuglackierungen.
Aber auch Einstiegszonen (z. B. Schweller), Innenbereiche der Motorhauben und Heckklappen sowie der Motor- oder auch Kofferraum können einen zusätzlichen Aufwand bei der Farbtonermittlung verursachen. Der Grund: Viele Automobilhersteller arbeiten bei diesen Teilen mit anderen Farbtönen und Qualitäten.
Erfahrung zählt
Bei der Farbtonermittlung im täglichen Reparaturprozess sind Farbtonmessgeräte mit Nuancendarstellungen an Bildschirmen wichtige Hilfsmittel. Sie allein reichen aber nicht für ein makelloses Resultat aus. Denn letztlich entscheiden Fahrzeuglackierer und Fahrzeuglackiererinnen mit ihrer Erfahrung und „Handschrift“, das heißt die Verbindung von Farbton, Farbnuance, Reparaturlacksystem sowie handwerklicher Analyse und Applikation über das Ergebnis einer fachgerechten Reparaturlackierung. Dieser – so notwendige – Aufwand wird jedoch bisher in der Schadensabwicklung nicht korrekt oder teilweise gar nicht berücksichtigt. Dabei macht der richtige Prozess der Farbtonermittlung eine „unsichtbare Reparatur“ und entsprechend zufriedene Kunden erst möglich.
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In 13 Schritten zum Farbton
Die Farbtonermittlung ist ein sehr komplexer VOrgang, der sich in
eine Vielzahl von Einzelschritten aufteilt.
1. Fahrzeug bereits vorzeitig in Werkstattprozess einplanen
einschließlich Auftragsvorbereitung
2. Temperatur an Karosserie prüfen und mit Toleranzbereich vergleichen
3. Messstelle am Objekt festlegen und entsprechend vorbereiten
(Reinigen, Polieren etc.)
4. Messgerät prüfen und gegebenenfalls kalibrieren
5. Messung in verschiedenen Prozessschritten, je nach Vorgabe des Lackherstellersystems, durchführen
6. Messergebnis an Mischanlage übertragen und auswerten
7. Falls das gewünschte Messergebnis nicht korrekt dargestellt wird,
ist eine erneute Messung durchzuführen
8. Farbton einschließlich Nuance je nach Qualitätsvorgabe ausmischen
9. Musterblech(e) vorbereiten, Basisfarbe(n) auftragen, Klarlack auftragen
10. Trockenprozess – Musterblech(e) je nach Lackherstellersystem
11. Musterblech(e) am Fahrzeug vergleichen
12. Entscheidung über das Reparaturverfahren
13. Dokumentation
„Trotz allen technischen Hilfsmitteln zur Farbtonfindung – letztlich entscheiden Fahrzeuglackierer und Fahrzeuglackiererinnen mit ihrer Erfahrung und „Handschrift.“