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Die Collection Schlumpf: das größte Automobilmuseum der Welt

Technik
Lackhistorie im Automobilmuseum aufarbeiten

Die Cité de l´Automobile, bekannt auch als Collection Schlumpf, ist das größte Automobilmuseum der Welt. Und sie bietet einen Einblick in mehr als hundert Jahre Autolackgeschichte

Die „Cité de l´Automobile“ im elsässischen Mulhouse ist die weltweit größte Sammlung historischer Fahrzeuge – und eine Kathedrale für Oldtimerfreunde. Betreten wird das Oldtimermuseum über ein imposantes Besucherportal aus Holz, Stahl und Glas, von dem ein mit Videoleinwänden umrahmter Weg ins Innere führt. Einblendungen und Filmausschnitte der Fahrzeuge, die im Museum ausgestellt sind, stimmen die Besucher perfekt auf die rund 450 Kostbarkeiten ein, die sie gleich darauf zu sehen bekommen.
Mit viel Glück – und vor allem in der richtigen Begleitung – kann man die heiligen Oldtimer-Hallen aber auch durch einen Seiteneingang betreten. Besonders reizvoll ist dies, wenn der Seiteneingang das „Atelier de Restauration“, die Museumswerkstatt, ist. Innen angelangt, fühlt man sich sofort um Jahrzehnte zurückversetzt: Historische Email-Werbeschilder sorgen für Atmosphäre; dem Werkstatt-Equipment sind, obwohl perfekt gepflegt, die Spuren der Zeit anzusehen, und an den Wänden hängt Werkzeug aus einer Epoche, als der Mechaniker noch richtig anfassen musste – zum Beispiel Schraubenschlüssel in Größen, mit denen man heute eher Eisenbahnschienen fixieren als Fahrzeuge reparieren würde.

Vom Fahrzeug lernen

Am beeindruckendsten aber sind, wie könnte es anders sein, die Autos. Absolute Raritäten wie ein „Sans Choc“ von Automobiles Lambert aus dem Jahr 1931 stehen hier ganz selbstverständlich auf der Bühne. Die Karosserie wurde entfernt, so fällt der Blick des Betrachters auf Motor und Antriebsstrang. Neben dem Lambert steht ein dampfbetriebener Serpollet von 1904. Ob da eine Restaurierung im Gange ist? „Vielleicht irgendwann einmal“, meint Richard Keller, „aber momentan ist das kein Thema. Die nächsten Jahre möchten wir von diesem Fahrzeug lernen und erfahren, wie es funktionierte.“ „Conservateur en Chef“, Chef-Konservator, steht auf Richard Kellers Visitenkarte, und genauso versteht der gelernte Historiker auch seinen Beruf.

Automobilmuseum als technisches Kulturgut

Die Schlumpf-Sammlung ist ein technisches Kulturgut; das Erbe sorgsam zu bewahren Kellers Aufgabe. Entsprechend umsichtig werden Restaurationsprojekte angegangen. Zwei festangestellte Mechaniker und zehn Ehrenamtliche arbeiten heute in der Werkstatt. Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre, als die Gebrüder Schlumpf innerhalb kurzer Zeit ihre anfangs streng geheime Privatkollektion von über 500 Fahrzeugen zusammenstellten, zählte das Werkstattteam bis zu 20 Köpfe, darunter Mechaniker, Sattler, Karosseriebauer und auch fünf Lackierer. Am Fließband wurden Fahrzeuge restauriert und beschichtet, mit den Materialien, die eben vorhanden waren, nicht immer hundertprozentig nach historischem Vorbild, manchmal auch ganz einfach nach dem Geschmack der Gebrüder Schlumpf.

Lackierung spielte früher eine Nebenrolle

„Wirklich originale Lackierungen sind im Museum nicht allzu zahlreich vorhanden“, weiß Jürgen Book. Der Leiter des Glasurit Kundenservices ist passionierter Oldtimer-Experte und mit Richard Keller seit langem befreundet. „Die Schlumpf-Brüder haben entweder selbst Hand angelegt, oder die Fahrzeuge waren bereits vor Inbesitznahme durch Schlumpf mehrfach lackiert und restauriert worden. Nach historischen Vorgaben, etwa nach den Maßgaben der heute vieldiskutierten Charta von Turin, fragte damals niemand. Oldtimer zu sammeln war zu dieser Zeit eine relativ neue Idee, und vielen Besitzern ging es ganz einfach darum, die Fahrzeuge mit vertretbarem Aufwand optisch präsentabel zu machen.“

Kooperation zwischen BASF und dem Oldtimermuseum

Zwischen Lackhersteller Glasurit und der Cité de l´Automobile besteht seit einigen Jahren eine intensive Kooperation. „Durch die Einbindung in Restaurierungsprojekte und die Möglichkeit, Lackanalysen an Fahrzeugen aus dem Fundus des Museums vorzunehmen, können wir unser ohnehin schon großes Knowhow im Bereich der Lackierung historischer Fahrzeuge ständig erweitern“, erklärt Jürgen Book. „So haben wir bei der Collection Schlumpf die einmalige Chance, Lacke und Lackaufbauten zu untersuchen, die zum Teil über 100 Jahre alt sind.“ Die daraus gewonnenen Erkenntnisse kommen einerseits dem Museum zugute, andererseits natürlich allen Glasurit-Kunden, die sich mit Oldtimern beschäftigen. Bei ihnen steht in der Regel weniger das museale Konservieren, sondern die fachgerechte Restauration des Lackes im Vordergrund. Jürgen Book: „Unsere Erfahrungen mit den historischen Lacken, Lackaufbauten und Farbtönen ermöglichen es uns, in Farbe und Effekt historisch korrekte und zugleich technisch funktionierende Aufbauten zu liefern.“

Expertise des Lackherstellers von hohem Wert

Die Cité de l´Automobile profitiert gleichermaßen von der Kooperation, denn die Lackierung historischer Fahrzeuge ist ein Bereich, der in der Vergangenheit anders als zum Beispiel die Antriebstechnik oder der Karosseriebau wenig im Fokus von Experten und Sammlern stand. So ist, wenn eine Restaurierung erfolgt, die Expertise des Lackherstellers in Sachen Farbton und Lacktechnik von hohem Wert. Für Chefkonservator Richard Keller bietet die Kooperation mit dem Lackhersteller Glasurit darüber hinaus die Chance, fahrzeughistorische Kenntnisse zum Thema Lack anzusammeln. Farbtonidentifikationen an den Museumsfahrzeugen gehören ebenso zur Routine wie Bestandsaufnahmen der Lackaufbauten. „Das Museum hat die Geschichte der Lackierung gewissermaßen zusammen mit uns entdeckt“, beschreibt Jürgen Book die intensive Kooperation, „und gemeinsam arbeiten wir sie auf.“ Michael Rehm

Das weltweit größte Oldtimermuseum: Die Sammlung Schlumpf

Die Cité de l´Automobile stellt die weltweit größte öffentlich zugängliche Sammlung historischer Fahrzeuge dar. Verziert mit 800 Straßenlaternen wie auf der Alexandre III-Brücke in Paris, erzählt die große Halle auf 17.000 m² die Geschichte des Automobils von 1878 bis heute anhand von 243 Autos, die ihre Epoche geprägt haben. Von den „Stammvätern“, Fahrzeugen von Panhard, Peugeot, De Dion und Benz aus dem Zeitraum von 1895 bis 1918, über die „Klassiker“ (1918–1938), darunter Superautos wie den Bugatti Royale, die durch außerordentliche Abmessungen und Leistungen gekennzeichnet sind, bis hin zu den „Modernen“ aus der Zeit nach 1945.

Chronologisch geordnet

Die Autos sind in chronologischer Reihenfolge in Epochen angeordnet. Sonderausstellungen mit historischen Rennwagen, Schatzkammern mit besonderen automobilen Kostbarkeiten und natürlich die mit Abstand weltgrößte Bugattikollektion stellen weitere Attraktionen dar. In Ihrer Sammelleidenschaft haben die Brüder Schlumpf weit mehr als die rund 450 Fahrzeuge zusammengetragen, die heute in der Ausstellung zu sehen sind.

Die Reserve im Oldtimermuseum bietet weitere Schätze

Weitere Pkw aus allen Epochen, aber auch Sammlungen von historischen Spielzeugautos und Motorräder lagern in der so genannten „Réserve“auf zwei Etagen,
zumeist noch in exakt demselben Zustand, in dem sie angekauft wurden. Neben gut erhaltenen Autos, die ebensogut auch der Öffentlichkeit präsentiert werden könnten, stehen hier Fahrzeuge in allen Stufen des Verfalls, die dennoch von unschätzbarem Wert sind.

Wie ist das größte Oldtimermuseum der Welt entstanden?

Lackhistorie im Automobilmuseum: Die Collection Schlumpf

Lackhistorie im Automobilmuseum: Die Collection Schlumpf

Hans und Fritz Schlumpf werden als Söhne eines Schweizer Vaters und einer Mutter aus Mülhausen, Jeanne Becker, in Italien geboren (Hans 1904 und Fritz 1906). Nach Anstellungen in verschiedenen Textilbetrieben macht sich Fritz Schlumpf 1928 als Wollmakler selbstständig. Im Jahr 1957 übernehmen die Brüder Schlumpf die Textilfabrik HKD (Heilmann, Koechlin & Desaulles) in Mülhausen.

Heimliche Käufe

Zwischen 1961 und 1963 kauft Fritz Schlumpf heimlich eine große Anzahl klassischer Automobile. Um diese Käufe unbemerkt tätigen zu können, setzt er zahlreiche „Strohmänner“ in Frankreich, in der Schweiz, in England, in Italien, in Deutschland und in den Vereinigten Staaten ein. Einige dieser Kontakte erweisen sich als besonders ergiebig: 13 von ihnen verschaffen ihm die Hälfte seiner Sammlung, mehr als 200 Autos. Im Mai 1965 erscheint in der Zeitschrift „L’Alsace“ der erste Artikel, der den Umfang der bis dahin geheimen Sammlung enthüllt. Fritz Schlumpf gewährt nämlich nur wenigen Auserwählten den Zutritt zu den Lagerhallen der Fabrik, in denen die Oldtimer untergebracht sind.

Pläne zur Öffnung des Museum Schlumpf

Im Jahr 1966 beginnen die Arbeiten zur Präsentation der Sammlung. Das Ziel von Fritz Schlumpf lautet nunmehr, dem Publikum die einzigartige Kollektion zugänglich zu machen, die er binnen weniger Jahre zusammengetragen hat. Er lässt einen Teil der Lagerhallen der Textilfabrik zum „Musée Schlumpf“ umbauen. Diese umfangreichen Arbeiten nehmen mehrere Jahre in Anspruch. Die neue Ausstellungshalle von 17.000 m² in Form eines einzigen Raums wird in 23 „Viertel“ eingeteilt, in denen jeweils 10 bis 20 Autos präsentiert werden. Die Viertel werden von breiten gekachelten Alleen umrandet und tragen Namen wie „Avenue Carl Schlumpf“, „Avenue Jeanne Schlumpf“, „Rue Royale“. An den Außenseiten werden verschiedene Werkstattbereiche eingerichtet. Am 28. Juni 1976 befindet die Textilindustrie sich in der Krise und die Arbeiter streiken.

Revolte im Automobilmuseum

Die Gewerkschaften prangern den „Mangel an Verständigung“ und die „Gesetzesumgehung“ der zwei Industriellen an. Die Brüder Schlumpf versuchen ihre Fabriken für einen symbolischen Franc zu verkaufen. Als jedoch keine Angebote eingehen, treten sie von ihren Firmenposten zurück und fliehen nach Basel. Sie kehren nie wieder nach Frankreich zurück. Ende des Jahres 1976 werden die 20 noch in der HKD-Fabrik verbliebenen Arbeiter entlassen und die Türen der Fabrik versiegelt. Danach beginnt ein langer Rechtsstreit zwischen den Brüdern Schlumpf und ihren Gläubigern. Am 7. März 1977 werden die Lager von den Gewerkschaften besetzt. Das „Musée Schlumpf“ wird in „Museum der Arbeiter“ umbenannt. Unter der Aufsicht der Gewerkschaft CFDT ist der Eintritt ins Museum kostenlos. Am Ausgang des Museums werden Spenden gesammelt, mit denen die Kosten für die weitere Öffnung des Museums und die Fortsetzung der Aktion beglichen werden. 1978 wird die Sammlung auf Anregung von Jean Panhard vom französischen Staatsrat als „Monument Historique“ eingestuft, was bedeutet, dass keines der Sammlerstücke den französischen Boden verlassen darf. 1979
bestätigt das Berufungsgericht Colmar die Ausweitung der Liquidation auf die persönlichen Vermögensgegenstände der Brüder Schlumpf, einschließlich der auf Werkskosten restaurierten Automobilsammlung.

Der Staat greift ein

Im Oktober 1980 gestattet das Kassationsgericht den Verkauf der Sammlung; im darauffolgenden Jahr kauft die Association Propriétaire de Musée National de l’Automobile (Eigentümervereinigung des nationalen Automobilmuseums) sie zurück. Am 10. Juli 1982 wird das Musée national de l’Automobile eröffnet. Durch Urteile des Berufungsgerichts Paris wird das Musée National de l’Automobile (Nationales Automobilmuseum) 1989 gezwungen, seinen Namen und sämtliche Dokumente, in denen von Teilen der Sammlung die Rede ist, um den Zusatz „Collection Schlumpf“ (Sammlung Schlumpf) zu erweitern. Im Jahr 1999 wird das Unternehmen Culturespaces mit dem Betrieb des Museums betraut. Nach umfangreichen Arbeiten eröffnet Culturespaces das teilweise renovierte und modernisierte größte Automobilmuseum der Welt am 25. März 2000. Im Juli 2006, weiht Culturespaces die neuen, vom Architektenbüro Studio Milou Architecture entworfenen Bereiche ein. Das Musée national de l’Automobile wird zur Cité de l’Automobile – Musée national – Collection Schlumpf.
 
Quelle: Cité de l´automobile

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