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Vorbereitung im Fokus

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Vorbereitung im Fokus

Beim Fraunhofer IPA-Beratertag wurde kontrovers debattiert

Großer Andrang herrschte beim Beratertag des Fraunhofer IPA, der am 1. Dezember letzten Jahres in Stuttgart stattfand. Die Veranstaltung war der Reparaturlackierung von Pkw gewidmet, und gleich mehrere Vorträge sowie die Podiumsdiskussion beschäftigten sich mit der Lackiervorbereitung – ein Thema, das nicht zuletzt durch die vieldiskutierten Multifunktions-Arbeitsplätze von besonderer Aktualität ist. Zusätzliche Brisanz erhielt die Veranstaltung durch eine Studie der Berufsgenossenschaft Metall, bei der speziell die Anforderungen an Vorbereitungsbereiche in Kfz-Reparaturlackierbetrieben untersucht worden waren. Der Autor Roland Knopp stellte im Eingangsvortrag die vorläufigen Ergebnisse der Studie vor. Beteiligt waren an ihr neben der BG Metall Nord Süd, dem VDMA, dem Institut für Fahrzeuglackierung und dem Fraunhofer IPA auch Hersteller wie Wolf, LUTRO, Sehon, Herkules und Dupont.

Ex- und Arbeitsschutz
Ein Motiv für die Untersuchung der BG war, wie Roland Knopp ausführte, der Trend, an „Vorbereitungsplätzen“ außer den bisher schon praktizierten Spachtel-, Abklebe-, Schleif-, Trocknungs- und teilweise Füllerarbeiten auch den Decklack- und den Klarlackauftrag auszuführen. Die Eignung solcher Arbeitsplätze für diese Tätigkeiten in Bezug auf Ex- und Arbeitsschutz, insbesondere die dabei entstehenden Lösemittel- und Lackaerosol-Konzentrationen, standen daher im Mittelpunkt der Untersuchung. Zur Versuchsanordnung: Die Messungen fanden in einem 3 mal 6 m großen, 3,6 m hohen Vorbereitungsbereich mit kontrollierter Belüftung (Zuluft 20.000 m3/h, Abluft 23.000 m3/h) statt. Beschichtet wurde unter anderem eine komplette Motorhaube mit Füller und Klarlack. Allerdings bestand keinerlei Abtrennung des Lackierbereichs durch Rollos oder Trennwände. Lacknebel wurde also nur durch den vertikalen Luftstrom daran gehindert, sich im Raum auszubreiten und damit zu den Messfühlern zu gelangen. Diese zeigten dementsprechend bei den Lösemitteln zwar keine Überschreitung, aber auch keine „dauerhafte Unterschreitung“ der gültigen Grenzwerte an. Bei den Lackaerosolen waren die Ergebnisse deutlicher. Beim Füller wurde die Nachweisgrenze für Lackaerosole teilweise überschritten. Beim Klarlack wurde sie dagegen durchgängig überschritten. Hier verteilte sich der Overspray im gesamten Hallenbereich, was unter anderem das Tragen einer Atemschutzmaske für alle in der Halle beschäftigten Personen notwendig machte.
Aus diesem Versuch leitete Roland Knopp eine Begrenzung des Umfangs von Lackierarbeiten an Vorbereitungsplätzen und verschiedene Anforderungen an die Vorbereitungsplätze selbst ab. Zunächst zum Umfang: Füllermaterial darf laut der vorläufigen Studie zur der BG maximal auf einem Drittel einer Pkw-Oberfläche oder 3 m2 Fläche erfolgen. Deck- und Klarlackarbeiten dürfen maximal in der Größe von Spotrepair-Arbeiten durchgeführt werden. Die insgesamt lackierte Fläche pro Schaden darf DIN-A4-Größe nicht überschreiten.
Sollen an einem Vorbereitungsplatz derartige Arbeiten ausgeführt werden, müssen verschiedene technische Voraussetzungen gegeben sein. So muss unter anderem eine technische Lüftung mit einer Mindestluftmenge von 15.000 m3/h und einer Luftsinkgeschwindigkeit von mehr als 0,3 m/s nachgewiesen werden. Außerdem müssen neben schalttechnischen Regelungen – zum Beispiel keine Rückführung der Abluft beim Spritzen, Trocknen oder Reinigen mit organischen Lösemitteln – verschiedene Anforderungen des Ex-Schutzes erfüllt sein.
Was ist ein Vorbereitungsplatz?
An den Vortrag von Roland Knopp schloss sich eine lebhafte Diskussion an, in deren Verlauf deutlich wurde, dass zwischen verschiedenen Ausführungen von Vorbereitungsplätzen zu unterscheiden ist. Von Arbeitsplätzen mit einfacher Absaugvorrichtung bis hin zu den „kabinenähnlichen“ Multifunktions-Arbeitsplätzen, die im Anschluss Tiemo Sehon, Geschäftsführer der gleichnamigen Firma, vorstellte, gibt es in der betrieblichen Praxis zahlreiche Varianten. Eher unüblich ist dagegen, so wurde im Verlauf der Diskussion moniert, die bei der Untersuchung der BG gewählte Variante: Ohne Abtrennung großflächig Klarlack auf waagerechte Flächen zu spritzen, entspräche nicht der betrieblichen Realität.
Nächster Referent war Tiemo Sehon, der in seinem Vortrag „Klassische Anlagenkonzepte und moderne Multifunktionsarbeitsplätze für die Kfz-Reparaturlackierung“ direkt auf den vorhergehenden Beitrag einging. Kernpunkt seines Vortrags: Multifunktions-Arbeitsplätze nach Sehons Verständnis würden nicht der Gruppe „Vorbereitungsplätze“ zugeordnet, sondern nach EN 12215 (europäische Norm für Lackieranlagen) zu den Mehrzonenkabinen eingegliedert. Die vom Vorredner Roland Knopp eingeforderten technischen Voraussetzungen seien, so Sehon, in MultifunktionsArbeitsplätzen gegeben, die Beschränkungen bezüglich der Reparaturfläche dagegen unter anderem durch die räumliche Abtrennung des Lackierbereichs nicht erforderlich.
Nach Vorträgen von Frank Brestrich, Geschäftsführer der L-TEC Lacktechnik GmbH, zum Thema „IR-Trocknung in der Vorbereitung und in der Lackierkabine“ und Ralph Döring von der Mirka Schleifmittel GmbH, der über „Schleiftechnologien für die Reparaturlackierung“ informierte, stellte Daniel Krouzilek, Prokurist der LUTRO Luft- und Trockentechnik GmbH, in seinem Referat „Pkw-Reparaturlackieranlagen für ergonomischen und energiesparenden Betrieb“ vor.
Optimieren, aber wie?
Auf die zuvor diskutierte Problematik „Was ist im Vorbereitungsbereich unter welchen Voraussetzungen erlaubt?“ ging er nur indirekt ein. Allerdings war Skepsis gegenüber den Mukltifunktions-Arbeitsplätzen spürbar. Optimierungspotenziale sieht man bei LUTRO eher in verbesserter Ergonomie und einer Erhöhung der Energieeffizienz. Generell müssten Investitionen in Anlagen sehr genau am Budget des Kunden orientiert sein und sich innerhalb betriebswirtschaftlich sinnvoller Zeit amortisieren.
Die anschließende Podiumsdiskussion hatte Werner Durst vom Fraunhofer IPA bewusst unter den provozierenden Titel „Ersetzen Vorbereitungsplätze die Spritzkabine?“ gestellt. Es diskutierten neben den bisherigen Referenten Günter Kälbli, Inhaber der Firma Günter Kälbli Karosseriebau, und Jörg Finster, Inhaber von Karosseriebau Finster. Beide beantworteten die Frage mit einem klaren Nein – allerdings mit unterschiedlichen Begründungen. In der Firma Kälbli wurden während einer Umbauphase, solange die neue Lackierkabine noch nichtinstalliert war, kleine und mittlere Lackierarbeiten an Vorbereitungsgsplätzen mit Abtrennung und technischer Belüftung ausgeführt. Aus Qualitätsgründen könne dies, so Günther Kälbli, aber keine Dauerlösung darstellen: „Wir waren froh, als die neue Kabine schließlich installiert war.“
Bei der Fima Finster stellt sich der Fall etwas anders dar. Sie verfügt über Multifunktions-Arbeitsplätze der Firma Sehon. Dennoch ist auch hier die Kabine unverzichtbar. „Bei uns hat sich eine Aufgabeneinteilung eingespielt, bei der wir die allermeisten Arbeiten an Teilen, die fest mit dem Auto verbunden sind, komplett an den Multifunktions-Arbeitsplätzen erledigen“, erklärte Jörg Finster. „Alle Einzelteile, auch unterschiedliche Farbtöne, lackieren wir aber in einer eigens dafür besonders groß dimensionierten Kabine.“
Den Abschluss bildete Moderator Werner Durst vom Fraunhofer IPA, der in seinem Referat „Angebots- und Energiekostenvergleich als Entscheidungshilfe bei der Planung von Lackieranlagen“ zeigte, wie sein Institut Lackierunternehmen bei Neuplanungen unterstützen kann. MR
Lebhafte Diskussion
Für welche Arbeiten im Vorbereitungsbedarf bedarf es welcher Austattung? Wo besteht Regelungsbedarf? Und welche Rolle werden Multifunktions-Arbeitsplätze künftig spielen? Über all diese Fragen wurde beim IPA-Beratertag auf dem Podium und im Publikum lebhaft diskutiert. Einige Teilnehmerstimmen:
Tiemo Sehon: „Da unsere MultifunktionsArbeitsplätze eindeutig zur Gruppe der Lackieranlagen zuzuordnen sind und von uns die zu verspritzenden Lackmengen vorgegeben werden, sehen wir auch in Zukunft keinen Handlungsbedarf. Werden jedoch höhere Sicherheitsrichtlinien in klassischen Vorbereitungsplätzen hinsichtlich Steuerung und Verriegelung gefordert, wird dieser höhere Standard in den Multifunktions-Arbeitsplätzen übernommen – sofern nicht bereits enthalten.“
Roland Knopp, Metall Berufsgenossenschaft: „Die beste Alternative ist derzeit wohl: Abwarten, bis die neue Regelung verfügbar ist. Dies gilt natürlich nur dann, wenn der Betriebsinhaber tatsächlich Vorbereitungplätze mit der hier zur Diskussion stehenden Performance haben möchte, also auch einschließlich Deck- und Klarlackauftrag in den beschriebenen Mengen- und Flächengrenzen. Allerdings – darauf möchte ich nochmals hinweisen – galt ja auch schon früher für Vorbereitungsplätze, an denen auch gefüllert wird: Eine wirksame technische Lüftung muss installiert sein. Bis zur Veröffentlichung der Regelung über Vorbereitungsplätze gibt es auch die Möglichkeiten, den Lieferanten auf den derzeit verfügbaren Entwurf hin anzusprechen und sich an den dort beschriebenen Anforderungen zu orientieren.“
Albert Bill, Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer im Hauptverband Farbe Gestaltung Bautenschutz:
„Wenn die Berufsgenossenschaft Multifunktions-Arbeitsplätze untersuchen will, haben wir kein Problem damit. Im Gegenteil, Betriebe, die sich für solche Arbeitsplätze interessieren, brauchen ja Planungssicherheit. Allerdings muss eine entsprechende Studie oder BGI-Schrift dann auch so heißen und entsprechend ausgerichtet sein. Was wir aber keinesfalls akzeptieren möchten, ist, dass als „Nebenprodukt“ einer Studie über Multifunktions-Arbeitsplätze die ganz normalen Vorbereitungsplätze bestehender Betriebe, an denen geschliffen, gespachtelt und in geringem Umfang in dem ein oder anderen Betrieb auch mal gefüllert wird, mit völlig unrealistischen Auflagen belegt werden.“
Günter Kälbli, Günter Kälbli Karosseriebau:
„Ohne Lackierkabine ist keine Qualität und kein wirtschaftliches Arbeiten möglich.“
Jörg Finster, Karosseriebau Finster: „Mit den Multifunktions-Arbeitsplätzen können wir im Vergleich zu unserer vorherigen Anlagen-Konstellation 20 Prozent mehr Aufträge bearbeiten.“
Daniel Krouzilek, LUTRO Luft- und Trockentechnik: „Auch zukünftig werden sich unsere Bemühungen darauf richten, maßgeschneiderte Systeme für unsere Kunden zu schaffen, die auf dem neuesten Stand der Technik bleiben und gleichzeitig die jeweiligen Budgetvorstellungen erfüllen können. Gesamtheitlich betrachtet ziehen wir damit eine breit aufgestellte, technisch fundierte Weiterentwicklung des Vorbereitungsbereichs einer effekthaschenden Neudefinition vor.“

Noch Klärungsbedarf
Dass neben Spachtel-, Schleif- und Abklebearbeiten, Füllerauftrag und -trocknung „zukünftig zusätzlich Decklack- und Klarlack-Arbeiten auch an Vorbereitungsplätzen ausgeführt werden“, war für die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft ein Anlass zu untersuchen, welche Anforderungen Vorbereitungsplätze dafür erfüllen müssen. So weit, so einfach? Nicht ganz, denn schon bei der Aufgabenstellung gibt es reichlich Klärungsbedarf. Von welchen „Vorbereitungsplätzen“ ist hier die Rede? Von denen, die in der Mehrzahl der heute bestehenden Lackierbetrieben vorhanden sind? Von Plätzen also mit Zu- und Abluft, an denen aber deutlich geringere Luftmengen eingesetzt werden als in einer Kabine? Oder etwa von durch Rollos abgetrennten Plätzen, an denen Luftmengen von 15 bis 20.000 m3/h bewegt werden? Oder sind gar die vieldiskutierten Multifunktions-Arbeitsplätze gemeint, die komplett ummantelt sind und in punkto Luftmenge und Steuerungstechnik nach Angaben der Hersteller Lackierkabinen gleichkommen? Und wer genau möchte Deck- und Klarlackarbeiten im Vorbereitungsbereich ausführen? Eigentlich war davon zumindest bislang nur im Zusammenhang mit den oben beschriebenen Multifunktions-Arbeitsplätzen die Rede. So wäre es eigentlich naheliegend gewesen, die Berufsgenossenschaft hätte sich unter denjenigen Betrieben, die derzeit über solche Plätze verfügen, einen ausgesucht und dort ihre Messungen durchgeführt. Dann hätte sich ja gezeigt, ob die Multifunktions-Arbeitsplätze den bestehenden Arbeits-und Ex-Schutz-Bestimmungen gerecht werden.
Die Versuchsanordnung der Berufsgenossenschaft konnte diese Fragen nicht klären. Lackiert wurde frei im Raum, ohne jede Abtrennung. Zudem wurden unter anderem mit kompletten Motorhauben Teile und Fahrzeugpartien beschichtet, von denen selbst Befürworter der Multifunktions-Arbeitsplätze sagen würden, dass sie eher in die Kabine gehören. Dass Lösemittel und Lacknebel dabei trotz leistungsstarker technischer Belüftung nicht komplett abgesaugt wurden, sondern im Raum umherwanderten, war abzusehen. Dass daraus nun grundsätzliche – und sehr hohe – Anforderungen an Vorbereitungsbereiche abgeleitet werden, wie es die BG offenbar vorhat, leuchtet bei dieser Methodik nicht ganz ein. Zugegeben, es ist im Interesse der dort Beschäftigten, dass der bislang vernachlässigte Vorbereitungsbereich vor dem Hintergrund der aktuell diskutierten Veränderungen auf Gefährdungen hin untersucht wird. Der Versuch, die Vielzahl an möglichen Konstellationen und Aufgabenstellungen im Vorbereitungsbereich mit einem Versuch zu „erschlagen“, der dazu noch weit weg vom betrieblichen Alltag ist, lässt aber viele Fragen offen. MR

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