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Elektrofahrzeuge in der Reparatur

E-Mobilität: Wie können sich Werkstätten vorbereiten?
Elektrofahrzeuge: Von Null auf Hochvolt

Elektrofahrzeuge: Wie gut sind Werkstätten auf die Reparatur von E-Autos vorbereitet? Und welche Schritte sind nun nötig?

Der Autor Michael Huhn ist Senior-Referent
Geschäftsbereich Technik und Daten, BFL

Neue Antriebstechnologien beherrschen zunehmend das Straßenbild. Im Jahr 2022 wurden bereits 1,6 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen – Tendenz steigend. Kein Wunder, schließlich gilt die Elektromobilität als einer der wichtigsten Pfeiler einer klimaschutzorientierten Energie- und Verkehrspolitik. Die Ampelkoalition verfolgt das klare Ziel, bis 2030 eine beeindruckende Anzahl von 15 Millionen Elektroautos auf den Straßen in Deutschland zu realisieren. Der politisch getriebene Ausbau der Elektromobilität schlägt sich auch in den Modellpaletten der großen Automobilhersteller nieder, die verstärkt auf E-Autos setzen. Die Folge des Zulassungs-Booms: Immer mehr batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und Hybridmodelle (HEV) landen unweigerlich auch in den Reparatur- und Instandhaltungswerkstätten.

Elektrofahrzeuge: Sind die Werkstätten wirklich gerüstet?

Aber sind die Werkstätten bereut für die neue Ära der Elektromobilität? Und welche Risiken und Herausforderungen bergen Hochvolt-Fahrzeuge im Reparaturalltag? Lassen Sie uns die potenziellen Gefahren und erforderlichen Schutzmaßnahmen einmal genauer unter die Lupe nehmen.

Vorsicht: unsachgemäßer Umgang

Bei der Reparatur von E-Autos geht das größte Gefahrenpotenzial von den verbauten Batterien aus – sowohl für die Mitarbeiter als auch die Werkstatt selbst. Da die Batterien in Elektrofahrzeugen eine Spannung von mehreren Hundert Volt haben, besteht bei unsachgemäßer Handhabung die Gefahr eines elektrischen Schlags oder Störlichtbogens, der zu schwerwiegenden und sogar tödlichen Verletzungen des Mitarbeiters führen kann. Aber auch Beschädigungen an der Batterie nach einem Unfall können einen Kurzschluss verursachen und zu einem Brand in der Werkstatt führen. Batterien der Elektrofahrzeuge enthalten zudem Gefahrstoffe sowie giftige Chemikalien. Bei Beschädigungen oder unsachgemäßem Umgang können giftige Gase freigesetzt und eine Umweltverschmutzung verursacht werden. Aber auch Überhitzung der Batterie kann zu einer Selbstentzündung und im Extremfall zu einem Brand führen. Verletzungen, Todesfälle, Umweltschäden, Sachschäden am Werkstattgebäude und der damit einhergehende Reputationsverlust der Werkstatt – die potenziellen Folgen unsachgemäßer Handhabung von Batterien sind gleichermaßen umfangreich wie schwerwiegend. Daher ist es entscheidend, dass alle Mitarbeiter einer Werkstatt eine angemessene Schulung und Zertifizierung erhalten, damit sie mit ihrem Fachwissen das Gefahrenpotenzial abschätzen, geeignete Schutzmaßnahmen anwenden und sicher mit Hochvolttechnologien arbeiten können.

Elektrofahrzeuge: Welche Qualifikationen sind benötigt?

Zunächst einmal gilt es, alle im Betrieb tätigen Personen zu betrachten und einzuschätzen, inwiefern sie Kontakt zu verunfallten E-Fahrzeugen haben. Grundsätzlich kann man dabei zwischen dem „Bedienen“ und dem
„Arbeiten“ an Hochvoltfahrzeugen unterscheiden. Wenn Sie einen Ihrer kaufmännischen Mitarbeiter bitten, ein E-Auto auf dem Werkstattgelände zu rangieren, dann fällt dies bereits unter das „Bedienen“ und erfordert eine Qualifikation der Stufe „S“ – „sensibilisierte Person“. So muss diese zum Beispiel wissen, dass ein verunfalltes Elektrofahrzeug immer zuerst durch eine fachkundige Person mit Qualifikation der Stufe 2S oder 3S begutachtet und der Schaden beurteilt werden muss, bevor es bewegt werden darf oder jegliche Arbeiten daran vorgenommen werden dürfen. Voraussetzung für jegliche Arbeiten an verunfallten Elektrofahrzeugen ist damit immer eine Gefährdungsbeurteilung nach
§§ 5 und 6 ArbSchG.

Verschiedene Qualifikationstufen

Erfolgt die Begutachtung eigenständig durch einen Kfz-Sachverständigen, dann braucht auch dieser eine Qualifikation der Stufe 2S. Alternativ kann er auch von einem Werkstattmitarbeiter mit entsprechender Qualifikation begleitet werden. Allgemeine Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen, wie zum Beispiel einfache Lackier- oder Karosseriearbeiten, können dann von allen Mitarbeitern ausgeführt werden, wenn diese über die Qualifikation 1S verfügen. Deshalb ist es ratsam, dass bereits Auszubildende an einem entsprechenden Online-Seminar teilnehmen und für diese Arbeiten an E-Autos als fachkundig unterwiesene Person (FuP) qualifiziert werden. Aber Vorsicht: Auch allgemeine Arbeiten ohne HV-Komponenten dürfen immer nur dann erfolgen, wenn auch eine Fachkundige Person der Stufe 2S (FHV) verfügbar ist, denn sie sind für Arbeiten an HV-Komponenten im spannungsfreien Zustand ausgebildet und qualifiziert.

Wie man sich qualifiziert

Die Grundlage für die Zertifizierung mit 2S bildet ein mehrtägiger Hochvolt-lehrgang, in dem die Teilnehmer unter anderem die sichere Herstellung und Überprüfung des spannungsfreien Zustands des Hochvoltsystems erlernen. Der Präsenz-Lehrgang endet mit einer Theorie- sowie Praxisprüfung. Für Fahrzeuglackierer gilt dahingehend eine Besonderheit: Sie müssen die Qualifizierung als fachkundige Person Einstieg A (FHV) erlangen, um umfassende Elektrotechnik-Kenntnisse zu erwerben. Die meisten Fahrzeuglackierbetriebe sind in ihrem Werkstattalltag gut aufgestellt, wenn sie ihre Mitarbeiter mit der Stufe 2S qualifiziert haben. Möchte ein Betrieb darüber hinaus auch umfangreichere Reparaturarbeiten an der Fahrzeugbatterie anbieten, benötigen die Mitarbeiter die Zertifizierung der Stufe 3S als fachkundige Person für Arbeiten an unter Spannung stehenden HV-Systemen.

Übrigens: Auch Fahrer von Abschleppfahrzeugen müssen über eine Qualifikation der Stufe 2S verfügen, wenn sie verunfallte oder beschädigte Elektrofahrzeuge spannungsfrei schalten und transportieren müssen. Zudem müssen sie zu jeder Zeit eine persönliche Hochvolt-Schutzausrüstung mitführen. Um auf einen Blick zu zeigen, welche Qualifikationen Ihre Werkstatt-Mitarbeiter haben sollten, ist hier ein Beispiel aus der Praxis:

Welche Qualifikationen sind konkret verlangt?

  • Kaufmännische Angestellte ohne Aufgaben in der Annahme: S
  • Servicekräfte ohne technische Aufgaben im Bereich der Annahme: 1S
  • Serviceberater: 2S
  • Meister in den Bereichen Lackierung, Werkstatt und Karosserie:
    ab 2S
  • Fachkraft für Lackierarbeiten:
    ab 1S – bei Anwesenheit eines
    Mitarbeiters mit 2S
  • Fachkraft für Karosseriearbeiten:
    ab 1S – bei Anwesenheit eines Mitarbeiters mit 2S
  • Fachkraft für Mechatronik je
    nach Aufgabengebiet:

 – 1S bei Anwesenheit eines

    Mitarbeiters mit 2S

 – 2S bei Arbeiten an HV-Komponen      ten im spannungsfreien Zustand       inkl. Beurteilung der HV-Anlage

 – 3S bei Arbeiten an unter Spannung     stehendem Hochvoltsystem inkl.

    der Instandsetzung der HV-Batterie

  • Fachkraft für Fahrzeugelektronik: 3S
  • Sachverständige für eigenständige Begutachtungen: 2S

Zukunftssicher aufstellen

Die erste und oberste Pflicht zur Unfallverhütung im Betrieb liegt immer beim Unternehmer. Das beschreibt die aktuelle DGUV-Information “209- 093 – Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen.“ Um Unfälle und Schäden zu verhindern, ist es unerlässlich, dass sich Werkstattmitarbeiter an geltende Vorgaben und Richtlinien halten, an den entsprechenden Schulungen teilnehmen und die tagesaktuellen Informationen verschiedener Automobilhersteller zum Fahrzeugmodell berücksichtigen. Der Anteil an Hochvoltfahrzeugen wird angesichts der zunehmenden Bedeutung der Elektromobilität massiv steigen – und damit auch die Gefahren, denen Werkstattmitarbeiter und -betreiber bei entsprechenden Tätigkeiten ausgesetzt sind.

Die BFL unterstützt die Betriebe

Die Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer (BFL) unterstützt die Fachbetriebe im Bereich der Werkstattsicherheit mit praxisorientierten Lösungen und fundierten Informationen. So steht sie ihren Mitgliedern zur Seite und sorgt dafür, dass diese für die Herausforderungen der Elektromobilität gerüstet sind. Daher bietet die BFL aktuelle Seminare der Qualifikationsstufen 1S und 2S(A) für Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen an. Dabei wird das erforderliche Wissen vermittelt, um die Sicherheitsstandards einzuhalten und präzise Reparaturen gemäß aktueller DGUV Information 209–093 – „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“ durchführen zu können. ■

Alle Informationen zu den Hochvolt-Seminaren finden Sie in der Akademie des Maler- und Lackiererhandwerks
unter www.maler-akademie.de


Michael Huhn

„Die meisten Fahrzeug-
lackierbetriebe sind in
ihrem Werkstattalltag gut aufgestellt, wenn sie ihre Mitarbeiter mit der Stufe 2S qualifiziert haben.“

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