Startseite » Technik »

Dynamische Trocknung

Technik
Dynamische Trocknung

IR-Einsatz aus Sicht des Lackherstellers: Spies Hecker hat umfangreiche Tests durchgeführt

IR-Trocknung ist im Trend. Während statische IR-Strahler, also Strahler auf Stativen oder an Deckenschienensystemen, bereits seit Langem den Stand der Technik – zumindest in der Vorbereitung – darstellen, drängen immer stärker so genannte dynamische IR-Strahler auf den Markt; Infrarotbögen oder -halbbögen, die entsprechend der vom Anwender programmierten Parameter die jeweils zu trocknenden Flächen abfahren. Eingesetzt werden sie sowohl in der Lackierkabine als auch an Multifunktionsarbeitsplätzen, und getrocknet werden in der Regel alle Materialien – vom Füller bis zum Klarlack. Bei dieser konzentrierten Art der Trocknung gibt es viele Wechselwirkungen mit dem verwendeten Lackmaterial, der Applikation und den Prozessen im Lackierbetrieb. Für Lackhersteller Spies Hecker war dies der Grund, im September 2012 eines der gängigsten dynamischen IR-Systeme, den Power Cure-Bogen der Firma IRT, im Training-Center zu installieren und zahlreiche Versuche mit unterschiedlichen Produkten zu fahren. Über die Ergebnisse des Projekts und die Marktchancen von IR-Trocknungsbögen sprachen wir mit Torsten Stahlberg, Leiter Technik bei Spies Hecker.

Herr Stahlberg, Sie haben den IR-Trocknungsbogen über einige Monate intensiv mit Ihren Materialien getestet. Was war der Grund für den Einbau des Bogens in Ihr Training Center?
Da bereits seit einiger Zeit das Angebot an dynamischen IR-Trocknungsgeräten im Markt zunimmt, war es uns wichtig, die bereits vorhandenen Erkenntnisse nochmals zu vertiefen und über eine längere Zeit zu reproduzieren.
Wie sah Ihr Versuchsprogramm aus?
Die Prüfungen umfassten im Schwerpunkt die Trocknung von Decklacken, also Basislack-Klarlack-Kombinationen und von 2 K-Decklacken, aber auch die Trocknung von Primer-Füller-Kombinationen.
Welches Fazit zieht Spies Hecker aus den Versuchen?
Die dynamische IR-Trocknung ist dann eine sinnvolle Alternative zur konvektiven Trocknung, wenn die Rahmenbedingungen eingehalten werden. Wichtig ist, dass z. B. auch alle Grundmaterialien IR-getrocknet, die Schichtdicken exakt eingehalten werden und das für den jeweiligen Untergrund und Farbton richtige Programm gewählt wird, sodass die Oberflächentemperaturen im optimalen Fenster liegen.
Stellen Sie einen Trend zur IR-Lacktrocknung fest?
Die statische IR-Trocknung ist im Vorbereitungsbereich ein etabliertes Verfahren. Mit dem zunehmenden Angebot an dynamischen IR-Trocknungsgeräten gibt es auch ein erhöhtes Interesse an dieser Möglichkeit. Jedoch ist die Entscheidung für ein solches Gerät von vielen Faktoren abhängig. Daher ist eine umfassende Betrachtung der individuellen Situation im Vorfeld einer Entscheidung von großer Bedeutung. Die dynamische IR-Trocknung ist für viele Betriebe eine sinnvolle Alternative, aber nicht für jeden. Unsere Einschätzung ist, dass auch zukünftig die Mehrzahl der Betriebe mit konvektiven Trocknungsprozessen arbeiten wird.
Was gibt es bei der Auswahl der Lackmaterialien für IR-Trocknung zu beachten?
Hierbei ist es wichtig zu betrachten, welcher Nutzen durch den Einsatz eines IR-Trocknungsgerätes erzielt werden soll. Wichtig ist: Man muss sich ganz konkret mit den einzelnen Prozessschritten auseinandersetzen. Diese sind bei den unterschiedlichen Betrieben ganz individuell zu bewerten. Es ist ein Unterschied, ob nur ein schneller Kabinendurchlauf erreicht werden soll und der nachgelagerte Montage- und Finishprozess keine weitere Beschleunigung erfährt. Die meisten Produkte lassen sich auch mit einer dynamischen IR-Trocknung trocknen, allerdings ergeben sich hierbei ganz andere Verarbeitungsfenster. Das kann dazu führen, dass z. B. ein anderer Klarlack als der bisherige verwendet werden muss, um das ursprünglich angedachte Ziel der Prozessbeschleunigung zu erreichen.
Was gibt es bei der Applikation und beim Schichtaufbau zu beachten?
Der Anwender muss spätestens mit dem Einsatz der dynamischen IR-Trocknung auf die Einhaltung der Schichtdicken achten, um hier keinen „Schiffbruch“ zu erleiden. Die geforderte „Schichtdickendisziplin“ erstreckt sich aber über den gesamten Lackaufbau, d. h. vom Spachtel über Grundierung und Füller bis zum Klarlack ist der Fachmann gefordert, eine qualitativ hochwertige Arbeit mit vernünftig gestalteten Schichtdicken abzuliefern. Der Versuch, mit einem erhöhten Auftrag von Spachtelmasse oder Füller eventuell Karosserieinstandsetzungsarbeiten einsparen zu können, wird sich bereits mit dem verpflichtenden Einsatz der IR-Trocknung im Vorbereitungsbereich rächen.
Inwiefern haben sich Lackierer umzustellen, die den kompletten Aufbau mit IR trocknen?
Der Lackierer muss so arbeiten, wie es eine qualitativ hochwertige Beschichtung erfordert, das bedeutet, dass er die Beschichtungsmaterialien richtig einstellt und in den vorgegebenen Schichtdicken aufträgt. Die Schadstellen müssen mit den entsprechenden Körnungen geschliffen und die Randzonen fein ausgeschliffen werden. Wichtig ist, dass der Lackierer die grundsätzlichen Gegebenheiten der IR-Trocknung kennt und beachtet. Es ist ein Unterschied, ob die helle oder dunkle Variante eines Füllers getrocknet werden soll. Bei der Wahl eines falschen Trocknungsprogramms kann hier entweder ein nicht richtig durchgetrockneter Füller oder aber auch eine massive Blasenbildung das Ergebnis sein. Bei derartigen Fehlern wird nicht nur das angestrebte Ziel der Prozessbeschleunigung verfehlt, es kann auch Mehrarbeit die Folge sein.
Wird es auch einmal Anpassungen der Lackmaterialien geben, zum Beispiel Lacke oder Vormaterialien, die sich speziell für IR-Trocknung eignen und so gekennzeichnet sind?
Ein unter den Gegebenheiten der IR-Trocknung gut funktionierendes Produkt kann auch konvektiv getrocknet werden. Von daher sehen wir derzeit keine Notwendigkeit, hierfür spezielle Produkte zu entwickeln. Wie bereits erwähnt, ist der sinnvolle Einsatz der dynamischen IR-Trocknung von vielen Faktoren abhängig: Das Produkt ist dabei nur ein Faktor.
Für welche Kunden dürften IR-Bögen aus Ihrer Sicht interessant sein?
Zum Beispiel für einen Lackierbetrieb mit permanent hoher Auftragslage, der das vorhandene Lackiervolumen nicht durch seine Lackierkabine schleusen kann und dabei keine Möglichkeiten hat, die Kapazität der Lackiererei durch eine räumliche Erweiterung zu erhöhen. Darin sehen wir eine Situation, die es erforderlich macht, auch über alternative Trocknungsmöglichkeiten nachzudenken.
Dabei muss neben den genannten Faktoren auch eine genaue Betrachtung der Auftragssituatioen bis hin zur durchschnittlichen Schadensgröße erfolgen. Es ist ebenfalls wichtig zu wissen, welche Karosserieteile überwiegend lackiert werden. Wird z. B. eine hohe Anzahl an Kunststoff-Stoßstangen in verschiedenen Farbtönen in einem Lackierprozess zusammengefasst, so kann es sein, dass aufgrund der Bauteilgeometrie mit einer dem konvektiven Prozess vergleichbaren Trocknungszeit zu rechnen ist. Jeder Interessent sollte sich mit den Mitarbeitern vorab den Ist-Zustand seiner Prozesse anschauen und qualitativ bewerten. Vorhandene Schwachstellen müssen vorab erkannt und abgestellt werden.
Wie würden Sie generell die Marktchancen von IR-Bögen beurteilen?
Innerhalb des aufgezeigten Rahmens sehen wir durchaus die Möglichkeit, dass sich die Anzahl an dynamischen Trocknungsgeräten im Markt noch erhöhen wird. Wir sehen aber auch die Gefahr, dass in einigen Fällen die IR-Trocknungsgeräte nur bedingt genutzt werden, weil im Vorfeld die Rahmenbedingungen schon nicht stimmten oder das Leistungsvermögen der Trocknungsgeräte nicht real eingeschätzt wurde. Eine gute Lackierung bzw. Beschichtung ist von verschiedenen Einflüssen abhängig, u. a. vom Produkt, vom Anwender und von der Lackiergegebenheit. Diese Faktoren müssen zusammenpassen. Wird einer dieser Faktoren verändert, so kann es sein, dass sich die anderen Gegebenheiten dieser neuen Situation anpassen müssen. Es ist aber sehr schwierig, bereits im Vorfeld hundertprozentig zu beurteilen, ob in der jeweiligen Kabinensituation ein dynamisches IR-Trocknungsgerät in angedachter Weise funktionieren wird. Von daher bleibt hier evtl. ein gewisses „Restrisiko“.
Welches Vorgehen wäre sinnvoll, wenn sich ein Kunde einen IR-Portaltrockner zugelegt hat – wer begleitet die Einführungsphase?
Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn die Anbieter dieser IR-Trocknungsgeräte auch die in dem Zusammenhang stehenden Prozesse begleiten, was leider nicht immer der Fall ist. Wenn wir frühzeitig informiert werden, versuchen wir, dem potenziellen Interessenten die Chancen und Risiken eines IR-Trocknungsprozesses aufzuzeigen. Wenn nach dieser Beratung das Interesse weiterhin besteht, raten wir zu einem Besuch eines Betriebes, der bereits mit dieser Technologie arbeitet. Wünschenswert wäre, dass ein Interessent in einem mit IR-Technologie arbeitenden Betrieb einen oder zwei Tage mitarbeiten könnte. Sich die Fahrt eines Formel 1-Fahrzeuges anzusehen ist eine Sache, eine ganz andere ist es aber, das Formel 1-Fahrzeug selber zu fahren.
Herr Stahlberg, vielen Dank für das Gespräch. Michael Rehm

Unternehmen im Fokus
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Lackiererblatt 3
Aktuelle Ausgabe
03/2024
EINZELHEFT
ABO
FACEBOOK


Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de