Eine intakte Außenhaut kann Strukturschäden verbergen
Thomas Wulff
Die Außenhaut moderner Fahrzeugmodelle wird in Leichtbauweise mit Hilfe unterschiedlicher Stahl-, Aluminium- und Kunststoffmaterialien konstruiert. Die Kombination der unterschiedlichsten Materialien und Werkstoffe unter- und miteinander, zum Beispiel Strangpressprofile aus Aluminium in Kombination mit maßgeschneiderten Stahlblechdicken, sorgt an modernen Fahrzeugen für verbesserten Schutz der Fahrzeuginsassen, aber auch für Kostenreduzierungen im Schadensfall, da die Anstoßkräfte im Außenbereich gezielt abgefangen werden.
Vom Fachmann werden allerdings während der Unfall-Schadensaufnahme spezifische Kenntnisse über das Deformationsverhalten der jeweiligen Materialien verlangt. Ebenso wichtig sind Kenntnisse über das Deformationsverhalten des hinter der Außenhaut verbauten Stoßfängerträgers. Diese Bauteile sind bei einem Anstoß häufig mit betroffen und müssen gewechselt werden, damit sie ihre Funktion bei einem erneuten Unfall wieder gezielt entfalten können.
Außen hui…
Im nachfolgenden Schadensfall soll verdeutlicht werden, dass Lackschäden an der Karosserie-Außenhaut nicht zwangsläufig auf das tatsächliche Schadensbild schließen lassen. Ein vordergründig erscheinender Bagatellschaden kann das tatsächliche Ausmaß eines Anstoßes verschleiern, da außen verbaute Kunststoffteile nach einem Anstoß nicht deformiert bleiben, sondern sich wieder zurückformen. Vom Meister werden bei der Aufnahme des Schadens Fingerspitzengefühl und Erfahrung verlangt. Auch in der Ausbildung zum Fahrzeuglackierer muss daher die gründliche Analyse oberflächlich scheinender Schäden vermittelt werden.
Bei der Schadenaufnahme ist immer wieder neu zu entscheiden, ob außen verbaute Karosserieteile für eine genaue Schadensdiagnose abzubauen sind oder nicht. Da ein Demontageaufwand im Front- und Heckbereich Kosten verursacht, wird er vom Schadensbegutachter häufig nicht in Erwägung gezogen. Der Geschädigte ist dann der Fahrzeugbesitzer, der bei einem erneuten Schaden im gleichen Anstoßbereich unter Umständen größere Schäden als vom Fahrzeughersteller vorgesehen in Kauf nehmen muss.
Verborgener Heckschaden
Schadensbeschreibung
Die Stoßfängerverkleidung aus Kunststoff zeigt an der Lackoberfläche einige Kratzer und hat eine Abschürfung im Bereich des Rückfahrscheinwerfers. Die Verkleidung ist nach Lackstufe III zu beschichten.
Die Chrom-Stoßleiste ist durch den Abdruck des Kennzeichens vom auffahrenden Fahrzeug eingerissen. Im Bereich der Anstoßstelle ist sie leicht verformt und oberflächlich zerkratzt. Die Leiste ist zu erneuern.
Kommentar
Auf Grund des visuellen Schadensbildes hat es zunächst den Anschein, dass es sich hier um einen Bagatellschaden handelt.
Stoßfängerträger: Situationsbeschreibung hinter der Stoßfänger-Außenhaut
Der Stoßfängerträger aus Aluminium ist ein Strangpressprofil und zeigt im Bereich der Schweißverbindungen (Schweißnähte L und R), Bruchstellen.
Kommentar
Erst durch Abbauen der Stoßfängerverkleidung wird sichtbar, dass es sich nicht, wie zunächst vermutet, um einen Bagatellschaden handelt, sondern das Schadensausmaß sich über die Bagatellschadengrenze hinaus bewegt. Die Schweißverbindung ist durch die Dynamik des Anstoßes gerissen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die vom Fahrzeughersteller vorgegebenen Eigenschaften am Aufprallbegrenzer überschritten sind, und auch die dahinter liegenden Baugruppen betroffen sein können.
Da bei diesem Schadensbild visuell nicht sicher geklärt werden kann, ob durch den Anstoß auch hinter dem Aufprallbegrenzer bereits Verformungen entstanden sind, ist zu einer rechtssicheren Klärung sogar eine Karosserievermessung in Erwägung zu ziehen. Nur geringfügige Schäden lassen sich an der Außenhaut feststellen.
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