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„Entscheidend ist die Logistik“

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„Entscheidend ist die Logistik“

Lagern, liefern, disponieren – das Leistungsspektrum in der Industrielackierung geht weit über das Beschichten hinaus.

Form und Farbe – bei Bedarf, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort. Knapper und zugleich präziser als mit dem Motto der Unternehmensbroschüre kann man das Leistungsspektrum der Firma Diebald kaum zusammenfassen. Dass dabei nicht genau benannt wird, was in dem Rosenheimer Familienunternehmen lackiert wird, liegt auf der Hand, denn es gibt fast nichts, was hier nicht auf die unterschiedlichsten Arten beschichtet werden kann. Von der Pkw-Reparaturlackierung über die Beschichtung von Industrieaufträgen für die unterschiedlichsten Branchen bis hin zur Serienlackierung in Roboterstraßen reicht das Spektrum.

Kontinuierlich hat sich das in der dritten Generation geführte Unternehmen in diesem Bereich einen Markt erschlossen, der über das handwerkliche Können und die Qualität der geleisteten Arbeit hinaus auch komplexe Logistik-Dienstleistungen erfordert. Wer ein Glied in der Produktionskette von Serienherstellern ist, muss Themen wie Transport, Verpackung oder Lagerung ebenso beherrschen wie die Beschichtung selbst – just in time, just in sequence. Wir sprachen mit Richard Diebald, dem Geschäftsführer der Firma Diebald Lackierung.
Herr Diebald, Ihr Unternehmen bietet ein extrem breites Spektrum an Lackierleistungen an – von der Pkw-Reparaturlackierung über die Industrielackierung bis hin zur Serienlackierung. Wie würden Sie heute die Bedeutung der einzelnen Bereiche gewichten?
Wir erwirtschaften heute mehr als die Hälfte unseres Umsatzes im Bereich der Serienlackierung, wo wir im Auftrag der Automobilundustrie – unser Hauptkunde ist MAN – Nutzfahrzeugteile in einem weit gehend automatisierten Prozess beschichten. Der zweitgrößte Umsatzträger ist die Industrielackierung. Unter diesem Begriff verstehe ich die eher individuelle, handwerkliche Lohnbeschichtung unterschiedlichster Teile für verschiedene Kunden aus der Industrie. Die klassische Pkw-Lackierung ist heute der kleinste Bereich unseres Unternehmens.
Kann man sagen, dass Sie diesen mittlerweile kleinsten Unternehmensbereich eher aus Traditionsgründen weiterführen?
Nein, es gibt durchaus rationale Gründe, weshalb wir die Pkw-Reparaturlackierung beibehalten. Sie muss sich betriebswirtschaftlich rechnen, das ist klar. Ich sehe aber auch die Gefahr, dass durch die Konzentration auf die Industrielackierung wichtiges Basiswissen, handwerkliches Know-how verloren geht. Durch den Erhalt der Pkw-Lackierung bleiben wir hier auf dem laufenden. Wir bilden sehr stark aus, so dass auch in der Serien- und in der Industrielackierung in jeder Schicht mindestens ein gelernter Fahrzeuglackierer ist. Man kann schließlich von einem angelernten Mitarbeiter nicht unbedingt verlangen, dass er beurteilen kann, warum beispielsweise eine Verlaufstörung vorliegt. Natürlich gibt es auch Überschneidungen, besser gesagt, Synergien zwischen Kleinserien-Industrielackierung und Fahrzeuglackierung. Man kann die selben Anlagen benutzen und auch die Mitarbeiter flexibler einsetzen. Die Pkw-Reparaturlackierung hat also durchaus ihre Berechtigung.
Gibt es auch einen Know-how-Transfer von der Serien- bzw. der Industrielackierung zur Pkw-Reparaturlackierung? Auch hier wird ja immer wieder überlegt, ob sich industrielle Abläufe auf den handwerklichen Prozess übertragen lassen.
Der Gedanke liegt natürlich nahe. Wenn man so will, haben wir genau dieses praktiziert, als wir vor zehn Jahren den Lackierbetrieb auf Mehrschichtbetrieb umstellten. Die Einsparungen waren sofort feststellbar. Durch eine schlechter werdende Auftragslage haben wir den Schichtbetrieb im Reparaturbereich aber wieder aufgegeben.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Einsparpotenziale durch industrielle Abläufe, durch eine stärkere Entkoppelung von Tätigkeiten und durch Automatisierung liegen auf der Hand, und sie sind beträchtlich.
Das Problem ist: Ich habe noch keinen Lackierbetrieb gesehen, der die dafür erforderliche Masse an Aufträgen über einen längeren Zeitraum mit der für entsprechende Investitionen notwendigen Sicherheit hat. Auch die herstellergeführten Lackierzentren stoßen da, wie ich glaube, an ihre Grenzen. Wirklich erfolgreiche Ansätze sehe ich hier nur bei Unternehmen, die sich in großem Rahmen auf die Reparatur von Transportschäden oder auf die Aufbereitung von Leasing-Rückläufern spezialisiert haben.
Wo ziehen Sie die Trennungslinie zwischen Industrie- und Serienlackierung?
Unter Industrielackierung verstehen wir einen Bereich, den bis zu einem gewissen Umfang jeder Lackierer anbieten kann: Die eher handwerkliche Beschichtung individueller Aufträge oder auch kleiner Serien in Anlagen und mit Applikationweisen, die sich nicht grundsätzlich von denen im Pkw-Betrieb unterscheiden.
Ihre Serienlackierung unterscheidet sich demzufolge komplett?
Serienlackierung, wie wir sie betreiben, bedeutet, dass wir sehr große Stückzahlen gleicher Teile auf exakt die gleiche Weise, nur mit farblichen Varianten, beschichten – und dies über eine lange Laufzeit. Nur unter diesen Voraussetzungen haben die Investitionen in Lackierstraßen, Förderanlagen, Roboter und so weiter Sinn.
Wie hat sich der Bereich der Serienlackierung historisch entwickelt?
Anfang der 80er Jahre hat sich das Geschäft erstmals in diese Richtung entwickelt. Wir haben für die MAN, die nicht weit von hier sitzt, alle Fahrerhäuser lackiert, die von den damals verfügbaren vier Standardfarben abwichen. Bis zu 1000 Fahrerhäuser pro Jahr wurden lackiert. Heute beschichten wir verschiedene Kunststoffteile für die MAN, hauptsächlich Hochdächer, aber auch Stoßfänger und andere Anbauteile. Speziell für diesen Bereich haben wir in den letzten Jahren fünf Roboterstraßen installiert.
Sie haben sich bei der Planung und beim Ausbau dieses Bereichs auf den Anlagenbauer Wolf verlassen. Was lässt sich über diese Zusammenarbeit sagen?
Es gibt in der Serienlackierung auch Anbieter, die sich ausschließlich auf diesen Bereich spezialisiert haben. Die Zusammenarbeit mit Wolf hat in unserem Betrieb aber eine lange Tradition. Die Pkw-Anlage wurde von Wolf geliefert, ebenso eine Vielzahl von Großraumkabinen für Industrie und Nutzfahrzeuge. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit wollten wir auch beim Ausbau der Serienlackierung weiterführen. Ich glaube, dass es ein Vorteil ist, wenn ein Anlagenbauer die Entwicklung eines Unternehmen über so lange Zeit begleitet und sowohl in der handwerklichen als auch in der Serienlackierung Erfahrung hat.
Die Anlagenkonstellation ist im Bereich der Serie ja sehr eng auf den größten Auftraggeber MAN zugeschnitten. Geht man damit nicht auch ein hohes Risiko ein?
Was wir jetzt für MAN aufgebaut haben, war ein gigantischer Kraftakt. Es gibt aber, wenn man sich in diesem Bereich engagiert, keine Alternative. Solange ein Auftrag läuft, muss man sich ganz eng an den Bedürfnissen des Kunden orientieren, weil sonst kein Geld verdient wird. Das Risiko wird dadurch reduziert, dass man möglichst langfristige Verträge abschließt. Und dadurch, dass man ein perfektes Paket anbietet. Die räumliche Nähe zum Auftraggeber spielt dabei natürlich auch eine wichtige Rolle.
Welche Rolle spielt die Logistik?
Die Logistik ist der entscheidende Faktor. Lackieren ist ja nur ein Teil unseres Angebotes. Das Lkw-Geschäft ist extrem vielseitig und kompliziert. Wir sind quasi Teil des Fertigungsablaufes von MAN. Zu unserem Aufgabenbereich gehören daher auch Lagerung, Transport und Disposition der Teile. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang die EDV. Lieferscheine oder Rechnungen gibt es nur noch in elektronischer Form. Jedes Teil, das bei uns beschichtet wird, ist bereits für ein verkauftes Fahrzeug verplant. Diese „Just in time, just in Sequence“-Fertigung setzt ein Know-how voraus, das man sich erst in langen Jahren erarbeiten kann.
Wie wichtig ist die Logistik im Bereich der eher handwerklichen Industrielackierung?
Auch hier ist die zeitgenaue Lieferung der beschichteten Teile eine der Hauptaufgaben. Uns liefert beispielsweise ein Maschinenbauer Gehäuseteile an, die wir erst lagern, dann beschichten und dem Endkunden genau dann liefern, wenn die Maschine aufgestellt wird. Das klingt einfach, ist aber ganz schön kompliziert und erfordert viel Erfahrung.
Wie beurteilen sie vor diesem Hintergrund die Chancen für Autolackierer, Ihrem Beispiel zu folgen und sich im Bereich der Industrie– oder gar der Serienlackierung Aufträge zu suchen? Auch etliche Seminare und Workshops der Lackhersteller widmen sich ja diesem Thema.
Bei solchen Pauschal-Empfehlungen bin ich immer etwas skeptisch. Die „zweiten Standbeine“ für Lackierer kommen und gehen. Ich weiß noch, wie vor 20 Jahren die Designlackierung als Zukunftsthema gehandelt wurde, dann wurde den Lackierern dringend empfohlen, in den Karosseriebau einzusteigen. Irgendwann einmal kam die Industrielackierung an die Reihe, und darauf fogte smart-repair…
Mit anderen Worten: Die Skepsis überwiegt?
Nein, das würde ich nicht sagen. Tatsache ist, dass der Fahrzeuglackierer nicht nur alles, was Räder hat, lackieren kann. Und dass mit anderen Aufträgen durchaus Umsatz zu erzielen ist. Ein Fahrzeuglackierer kann entweder quasi nebenher mal ein paar Türen, eine Küche oder Maschinen lackieren, ohne seinen eigenen Ablauf allzusehr zu verändern. Oder er kann die Industrielackierung in großem Maßstab betreiben und sich als verlängerte Werkbank von Serienherstellern profilieren. Zwischen diesen beiden „Extremen“ liegt ein weites Feld. Letztlich ist entscheidend, was mir liegt, was ich mir als Betriebsinhaber zutraue. Trau ich mir zu, mit einem Automobilhersteller Geschäfte zu machen? Mich mit Themen wie Gewährleistung oder Vertragsstrafen intensiv zu beschäftigen? Spreche ich die Sprache? Ist das meine Welt? Erst wenn diese Punkte geklärt sind, sollte man einsteigen.
Herr Diebald, vielen Dank für das Gespräch. MR

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