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Neue Herausforderungen

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Neue Herausforderungen

Die Anforderungen an die schulische Ausbildung zum Fahrzeuglackierer haben sich geändert

Thomas Wulff ist seit 1980 Fachlehrer an der Badischen Maler- und Lackiererfachschule in Lahr und unterrichtet angehende Fahrzeuglackierer. Wir sprachen mit ihm über Inhalte und Perspektiven der Gesellen- und Meisterausbildung.

Herr Wulff, Sie unterrichten seit 32 Jahren angehende Fahrzeuglackierer. Inwiefern haben sich die Inhalte in dieser Zeit verändert?
Zu den lackiertechnischen Inhalten ist immer mehr Kfz-Wissen hinzugekommen. Ab Mitte der 90er wurden immer mehr Karosserieinstandsetzungs-Inhalte integriert, und seit ein paar Jahren spielen aufgrund der Fahrer-Assistenzsysteme fahrzeugelektronische Inhalte eine immer wichtigere Rolle.
Was muss der K+L-Betrieb also können, um in Zukunft erfolgreich zu sein?
Vieles deutet darauf hin, dass sich der Unfallschadensmarkt in den nächsten Jahren neu positioniert. Es wird Allround-Reparatur- und Servicebetriebe geben, die Lack, Karosserie und Mechanik anbieten. Man wird aber auch Lackierfachbetriebe vorfinden, die sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren, weil sie bei Fahrzeugen mit hohem Elektronikanteil oder komplexen Fügetechniken schlichtweg überfordert sind. Der reine Fahrzeuglackierfachbetrieb wird es in Zukunft nicht leicht haben, sich am Unfallschadensmarkt zu behaupten. Er ist der Spezialist, wenn es darum geht, kleine und mittlere Schäden zu reparieren, und wird, wie bisher, auf Kooperationen mit den Autohäusern angewiesen sein. Eine andere interessante Nische könnte die Spezialisierung auf Industrielackierungen sein.
Welche Auswirkungen hat dies auf die Ausbildung?
Technisches Know-how und qualifiziertes Personal sind die wichtigsten Voraussetzungen, um sich am Unfallschadensmarkt zu behaupten. Die Versicherungen oder Managementgesellschaften werden mit K+L-Betrieben kooperieren, die auf eine entsprechende Ausstattung, z.B. Diagnosetester, Richtbank und Spezialwerkzeug, zurückgreifen können. Die Mitarbeiter dieser Betriebe müssen Reparaturanleitungen lesen, verstehen und interpretieren können. Das müssen wir in der Berufsschule vermitteln. Darüber hinaus muss der Umgang mit modernen Instandsetzungswerkzeugen und -geräten vertraut sein. Gleichzeitig wird es in der Ausbildung schwerpunktmäßig darauf ankommen, Fahrzeuglackierer auf die Reparatur der Außenhaut und auf die Reparatur und Aufbereitung des Interieurs zu schulen, damit diese Reparaturen so effizient wie möglich durchgeführt werden können und somit der eigene Arbeitsplatz und die Wettbewerbsfähigkeit seines Arbeitgebers gesichert werden.
Wir haben es also mit einem breiten Spektrum an ziemlich komplexen Inhalten zu tun. Was bedeutet das für die Gewinnung künftiger Auszubildender?
Ich denke zunächst, dass man in der Nachwuchswerbung stärker vermitteln sollte, wie nah der Lackiererberuf mittlerweile an der Kfz-Technik ist. Es ist ja schon merkwürdig, dass alle Mechatroniker werden wollen, aber der Fahrzeuglackiererberuf trotz dieser Nähe wenig populär ist, obwohl er meiner Meinung nach vielseitiger als der Mechatronikerberuf sein kann.
Sie sagen „kann“…
Wie gesagt, beinhalten die Lehrpläne ein extrem breites Spektrum von Inhalten, die nicht in jedem Betrieb abgefragt werden. Dazu kommt, dass auch innerhalb der Betriebe sich ein starkes Spezialistentum entwickelt hat: Die einen bereiten vor, die anderen machen Finish und ein, zwei Leute stehen wirklich in der Kabine. Gerade die Auszubildenden sollten aber nicht nur in der Berufsschule das komplette Spektrum kennenlernen.
Kann das komplette Spektrum nicht für manche auch eine zu große Herausforderung sein?
Die Berufsschule hat die Aufgabe, begabte Schülerinnen und Schüler zu fördern, um sie für die Weiterbildung zu gewinnen. Zugleich soll sie Schüler mit Entwicklungs- und Verhaltensproblemen berufsfähig machen. Das sind an die Lehrer gerade unter dem Gesichtspunkt dieses technologischen Wandels hohe Ansprüche.
Wo brauchen Sie Unterstützung?
Die Berufsschule vermittelt das Grundlagenwissen unseres Berufsstandes. Die Fachlehrer müssen bestrebt sein, über die neuesten Technologien Bescheid zu wissen. Hierfür brauchen die Berufsschulen passende Angebote von Unternehmen und Institutionen, die die Weiterbildung von Lehrkräften und Schulleitern unterstützen. Auch passende Angebote der Industrie sind vonnöten, um die die Weiterbildung der Fachlehrer voranzutreiben.
Wie stellt sich die Situation in der Meisterschule dar?
Die Hauptaufgabe der Meisterschule besteht wohl darin, den Meisteranwärter vom rein praktischen Tun zu entwöhnen und ihm zu verdeutlichen, dass in Zukunft seine Arbeit darin besteht, sich um die Mitarbeiter und die betriebliche Organisation vor und hinter der Auftragsbearbeitung zu kümmern. Das ist nicht selbstverständlich und fällt speziell denjenigen, die bewusst und aus gutem Grund keinen organisatorisch-kaufmännischen, sondern einen praktischen Beruf gelernt haben, manchmal schwer.
Und der Umgang mit den Mitarbeitern?
Der kann geschult werden, ist zum Teil aber eine Frage der Persönlichkeit. Da besteht heute manchmal ein Problem darin, dass anders als früher zwischen Gesellenprüfung und Beginn der Meisterschule keine Wartezeit mehr vorgeschrieben ist. Das führt dazu, dass oft unmittelbar nach der Gesellenprüfung die Meisterschule begonnen wird.
Mit welcher Begründung?
Da gibt es Fälle, in denen der elterliche Betrieb möglichst schnell übernommen werden soll, andere sagen sich: Jetzt ist das Gelernte noch präsent, da mache ich gleich weiter. Was die Theorie angeht, mag das noch stimmen. Bei der Praxis sieht es anders aus. Und was das Thema Mitarbeiterführung betrifft, wäre es von Vorteil, wenn Absolventen der Meisterschule schon eigene Erfahrungen in der Führung von Mitarbeitern machen konnten, damit sie ihre Erkenntnisse im Fachunterricht einbringen können.
Welche fachlichen Schwerpunkte setzen Sie bei der Meisterausbildung in Lahr?
Bei der Weiterbildung zum Fahrzeuglackierermeister in Lahr stehen Themen auf dem Lehrplan, die das Know-how vermitteln, um sich am Unfallschadensmarkt zu behaupten. Neben der Vermittlung kalkulatorischer und organisatorischer Kenntnisse bei der Schadensabwicklung mit den Versicherungen stehen auch aktuelle Reparaturmethoden im Karosserie- und Lackierbereich auf dem Lehrplan. Darüber hinaus besteht für die Absolventen der Meisterschule die Möglichkeit, verschiedene Sachkundenachweise zu erwerben, wie z. B. den Sachkundenachweis für die Wartung von Klimaanlagen am Fahrzeug, den Sachkundenachweis für den Bereich Airbag und Gurtstraffer oder die Ausbildung zur Elektrofachkraft für HV-Systeme in Kraftfahrzeugen für Werkstattpersonal.
Nun wird die Bedeutung des Meistertitels als deutsche „Sonderlösung“ ja immer wieder einmal angezweifelt – halten Sie die Kritik für berechtigt?
Das Handwerk stellt in Deutschland rund 20 Prozent der Arbeitsplätze und ist zum größten Arbeitgeber in Deutschland aufgestiegen. Von den großen EU-Ländern hat Deutschland die niedrigste Jugendarbeitslosenquote vorzuweisen. Der Gedanke, dass zwischen der Leistungsfähigkeit bei Arbeitsplätzen und Lehrstellen ein sachlicher Zusammenhang bestehen muss und dass dazu weitergebildete Fachkräfte, z. B. die Meister des Handwerks, erforderlich sind, müsste eigentlich auf der Hand liegen.
Herr Wulff, vielen Dank für das Gespräch. MR

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