Trucks bekennen Farbe

Funktion, Qualität und Zuverlässigkeit stehen bei der Entwicklung neuer Lkw mit im Vordergrund. Doch im Umfeld des Wettbewerbs muss sich ein Lkw auch von anderen abheben. „Farbe ist ein wichtiges Element in der Wahrnehmung einer Marke geworden“, sagt Carina Byström, Farb- und Materialdesignerin in der Designabteilung von Volvo Trucks.

Man könnte meinen, dass die Arbeit eines Farbdesigners langweilig sei – in einer Branche, in der Weiß als Außenfarbe dominiert. Denn die Mehrzahl der Lkw-Fahrerhäuser wird in Weiß geliefert. Doch Carina Byström und ihren Kollegen im Volvo Design Centre kommt eine immer wichtiger werdende Rolle zu. Die zunehmende Geschwindigkeit in der technologischen Entwicklung bewirkt, dass weltweit alle Lkw-Hersteller beachtliche Schritte in der Qualität getan haben, und die Konkurrenz wird härter. Wohl überlegtes und zukunftsweisendes Design wird daher zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor, einer Möglichkeit, das Einzigartige am Produkt herauszustellen und zu zeigen, wofür die Marke steht. „Die Pkw-Branche ist uns ein Stück weit voraus, aber es gibt deutliche Tendenzen im Lkw-Sektor, die darauf hinweisen, dass Design und Farbe eine immer größere Rolle in der Etablierung einer Marke spielen“, meint Carina Byström. In der Pkw-Industrie ist die Farbwahl schon seit langem wichtig. „Pkw-Hersteller verändern jedes Jahr einige Farben, ein oder zwei neue kommen hinzu, die dann verschwinden, während andere, so wie Silber, Schwarz und Weiß, jedes Jahr dabei sind“, sagt Carina Byström. Solche klassischen Farben halten sich. Trotz neuer Pkw-Trends, wo Grün, Rotbraun und Terrakotta mit Grautönen gemischt werden, sind zum Beispiel etwa 25 Prozent der von Volvo verkauften Pkw schwarz. Dennoch kann der Kunde bei jedem Modell zwischen fünfzehn verschiedenen Farben wählen. Für Lkw hingegen steht die Funktionalität im Zentrum der Überlegungen. Der Lkw ist Arbeitsplatz, Büro und Schlafzimmer zugleich, und bei einem solchen Fahrzeug muss alles funktionieren und der Service hervorragend sein. Weiß dominiert weiterhin als Fahrerhaus-Farbe, weil es die preisgünstigste Standardfarbe ist, aber auch aus anderen Gründen. „Wir verkaufen 60 bis 70 Prozent weiße Lkw, weil viele Käufer ihre Fahrzeuge in ihren eigenen Geschäftsfarben lackieren lassen wollen. Unsere Kunden möchten meist ihre eigenen Hausfarben haben oder den Lkw mit Logos, Mustern oder Streifen dekorieren“, erläutert Carina Byström.

Lkw-Produktionsstätten haben einen permanenten Bestand an Rezepten für Außenfarben, anders als Pkw-Hersteller, die alte Farben aussortieren. Bei Volvo Trucks gibt es 450 bis 500 Rezepte. Wenn die Bestellung eingeht, mischt der Lieferant die Farbe an. „Einige Großkunden setzen bestimmte Farben als ihre Unternehmensfarben ein. Sie kaufen viele Lkw. Nach einigen Jahren schaffen sie neue Fahrzeuge an und wollen dann natürlich die gleiche Farbe haben“, erklärt Carina Byström. Das ist ein Grund dafür, dass die Lkw-Branche nicht so trendsensibel ist wie der Pkw-Markt. Zudem hält ein Lkw etliche Jahre und soll während seiner gesamten Lebensdauer zeitgemäß aussehen. Da wird das Design neutraler, etwa so wie die Formgebung in öffentlichen Bereichen. Trends bei Kleidermode und Wohnungseinrichtung wechseln schneller, man sortiert aus, kauft etwas Neues, tapeziert um. Für Carina Byström und ihre Mitarbeiter in der Farbabteilung von Volvo Trucks besteht die Herausforderung darin, langfristige Trends zu erkennen. Die von ihnen auserkorenen Farben zieren tatsächlich oft erst ungefähr fünf Jahre später die Lkw-Fahrerhäuser.

Der aktuelle Trend für Lkw-Fahrerhäuser heißt Metallic. „2008 und 2009 haben wir gut zwanzig neue Metallicfarben eingeführt. Denn die Nachfrage nach Metallicfarben ist gestiegen“, sagt Carina Byström. Auch im Fahrerhaus werden die Farben sorgfältig gestaltet. Bei den Interieurs von Lkw der Marke Volvo dominiert momentan Grau. „Wir schauen uns Farben an, die etwas wärmer und gemütlicher wirken, möchten aber unsere skandinavische Anmutung beibehalten. Also gelangen wir nicht zu solchen Goldbeige-Tönen, wie man sie beispielsweise bei amerikanischen Lkw sieht“, sagt Carina Byström.

Die Designabteilung von Volvo Trucks ist in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen. Hier arbeiten Designer, Sachbearbeiter, Projektleiter und Modellierer. Stellt sich die Frage, ob sich Niedrigkonjunktur und sinkende Fahrzeugnachfrage nachteilig auf Formgebung und Entwicklungsarbeit niederschlagen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Das Design wird immer wichtiger. „Um in der Zukunft wettbewerbsfähige Produkte liefern zu können, ist Design – zusammen mit der Technik und der Produktentwicklung in Bereichen wie Umwelt und Sicherheit – einer von mehreren wichtigen Faktoren“, sagt Carina Byström.

Magnus Pettersson