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Wie werden Auto-Farbtöne entwickelt?

Farbtrends im Gespräch mit Mark Gutjahr
Wie werden Auto-Farbtöne entwickelt?

Wer einen Neuwagen kauft, kann aus verschiedenen Farben serienmäßig wählen. Aber wie werden Auto-Farbtöne entwickelt? Und wie entscheidet sich, in welcher Farbpalette ein Modell auf den Markt kommt?

Viele Lackierer wissen: Die Welt der zu lackierenden Farbtöne wird zunehmend komplexer. Stetig kommen Neue dazu. Jedes Jahr sind es vielzählige neue Farbtöne auf dem Automotive-Markt. Im Color Design Studio von BASF Coatings in Münster entwickelt Mark Gutjahr die Farbtöne der Zukunft. Mit einem elfköpfigen Team ist er global aufgestellt. Denn das Aufgabenfeld setzt sich vielfältig zusammen: Er muss wissen, was in Zukunft im Trend liegt. Sein Team arbeitet eng mit den OEMs zusammen, um die Farbtöne für die Serien der Zukunft zu entwickeln. Drei bis fünf Jahre im Voraus.

Vielschichtig die Trends abbilden

„Den klassischen Arbeitsalltag gibt es nicht. Jeder Tag ist anders“, erklärt Gutjahr. In Münster ist er überwiegend für die Region EMEA zuständig und betreut über 100 Fahrzeughersteller. „Wir müssen so vorausschauend arbeiten, dass wir wissen, was in fünf Jahren Trend ist“, macht er deutlich. Das betrifft nicht nur die Farben, sondern auch gesellschaftliche, politische und soziale Entwicklungen. Wie greift das ineinander? Mark Gutjahr erklärt: „Unsere Idee ist es, die gesellschaftlichen Strömungen zu beobachten und zu schauen, wie kann das künftig in der Materialität aussehen. Wie kann man das übersetzen?“ Textur spielt hierbei eine große Rolle: Visual haptics, wie könnten sich optisch wahrgenommene Farbtöne „anfühlen“? „Wir arbeiten nur B2B, stellen unsere Farbkonzepte, die Trendfindung direkt unseren Kunden vor.“ Welche Treiber für Trends gibt es? Welche Faktoren beeinflussen das? Welche Signale für Trends gibt es?

Auto-Farbtöne entwickeln ohne Grenzen?

Im Color Design Studio in Münster findet sich das Farbtonarchiv, Schubladen mit Blechen von Tausenden Farben drin, Materialmuster, Texturen, die man neu oder auch nachentwickeln kann. Doch gibt es Grenzen? Oder ist alles möglich? „Natürlich müssen wir auf technologische Entwicklungen wie Radar oder LiDAR reagieren. Hochmetallische Farben sind da schwierig“, macht er klar. Bei der verbauten Sensorik kommt es vor allem auf die Substratdicke an, damit Fahrzeuge etwa von der LiDAR-Sensorik erkannt werden. Farbtöne müssen so entwickelt werden, dass sie den technologischen Ansprüchen gerecht werden. „Schwarz ist für Radar super, aber für LiDAR nicht“, macht Gutjahr klar. Ansonsten kann er in der Hülle und Fülle an Farbtönen, Texturen, Effekten und Pigmenten so einiges umsetzen: „Aber man muss sich schon zurückhalten manchmal, Kompromisse eingehen und sagen: Exakt das, was wir haben wollen, gibt es nicht. Manche Effektpigmente sind auch viel zu teuer. Dann macht es keinen Sinn.“

Andere Kulturen, andere Farben

Aber wie werden die Farbtöne nun entwickelt? Oft haben die Kunden bereits eine Vorstellung, von dem, was sie möchten. Dabei können sich auch kulturelle Einflüsse abzeichnen: „Schwarz ging lange in China gar nicht, da es mit der Regierung konnotiert war. Weiß war früher ausschließlich Lieferwagen vorbehalten, mittlerweile haben wir eine Fülle an Effektweiß-Farbtönen, die im Markt sehr beliebt sind.“ Herausfordernd für Gutjahr ist auch die Produktionsweise moderner Fahrzeuge. Werden Fahrzeugbauteile der Karosse etwa in unterschiedlichen Werken gefertigt und zusammengeführt, müssen die Farbtöne auf den verschiedenen Bauteilen exakt zueinanderpassen. Farbtöne müssen daher individuell angepasst werden. „Auf sieben verschiedene Substrate kommt ein und derselbe Lack in exakt demselben Farbton. Und trotzdem bedarf es großer Anstrengung, dass sich die Farbtöne hinterher nicht auf den Bauteilen visuell unterscheiden“, macht der Farbexperte klar.

Digital und global: Wird alles ähnlich?

Die digital vernetzte Welt von heute ließe erwarten, dass sich Trends und Entwicklungen mehr angleichen, weil man mehr miteinander kommunizieren kann als früher. „Das ist aber nicht so“, stellt Gutjahr klar. „Diversität gab es schon immer und wird es immer geben. Aber natürlich zeichnet sich die mediale, digitale und technologische Entwicklung auch massiv in den Trends ab.“ So vielschichtig die Trends, spiegelt sich das auch in den Farbtönen wider. Über „Zenomenon“, den Schlüsselfarbton der Region Amerika aus dem Trendreport 2023 „On Volude“, sagt Gutjahr: „Der ist irre. Das, was hier blau erscheint, ist kein blaues Pigment. Das ist ein Polymer, wie ein Schmetterlingsflügel.“

Künstliche Intelligenz und Farbtöne

Die Farbtonentwicklung umfasst zwei Bereiche: Farbe und Effekte. „Wir können Effekte in die Farbtöne miteinbauen, die erst auf den zweiten Blick unter bestimmtem Lichteinfall sichtbar sind“, erklärt Gutjahr. Auch digital ist die Farbe dank dem eigens entwickelten Tool Auroom gut sichtbar: „Auf echtem Blech nehmen wir Farbe als Reflexion von Licht wahr. Der Screen imitiert das Licht. Wir haben einen Prozess entwickelt, der das so angleicht, dass die Farben auch digital hervorragend darstellbar sind.“ Eine künstliche Intelligenz generiert zudem Formen und Oberflächen, zuletzt sogar einen eigenen Farbton. Das Ergebnis? Luxury Black, ein Schwarzton mit pinken Effekten. am ■

www.glasurit.com/ www.basf-coatings.com

 


Farbe, die bewegt

Wir haben drei Fragen an Farbtondesigner Mark Gutjahr gestellt.

Herr Gutjahr, wenn man wie Sie täglich mit Farben zu tun hat, welche Bedeutung haben Farbtöne dann noch?

Mark Gutjahr: Farbe hat etwas Codierendes, aber sie stiftet auch Identität. Wer an Italien denkt, hat automatisch Fiatrot im Kopf. Die Firma Porsche wird häufig mit Weiß assoziiert, das war ja auch lange Deutschlands Rennfarbe. In Frankreich hat Peugeot einen hohen Anteil blau lackierter Fahrzeuge auf dem Markt: Klar, Allez les Bleus. Ich könnte unendlich lange so weiter machen.

Wie verhält es sich mit Lieblingsfarben und Autolackierung?

Mark Gutjahr: Das ist interessant: Blau ist die am häufigsten genannte Lieblingsfarbe. Allerdings ist Blau ein Farbton, der in der Natur als physischer Farbstoff so gut wie gar nicht vorkommt. Es gibt ein paar wenige blaue Blumen, der Himmel erscheint uns blau, aber das war‘s auch schon fast. Die Lieblingsfarbe findet sich aber eigentlich nie auf den Fahrzeugen der Befragten. Das stimmt nicht überein.

Ist denn die Farbe eines Autos tatsächlich so wichtig? Manche Menschen begegnen Autos ja eher emotionslos, wie müsste die perfekte Farbe für diese Personen aussehen?

Mark Gutjahr: Ganz emotionslos ist es nie. Klar ist: Hässlich darf es nicht sein. Viele solcher Entscheidungen laufen unbewusst ab. Natürlich gibt es rationale Entscheidungen beim Autokauf, wenn z. B. ein Fahrzeug 1.000 Euro billiger ist als ein anderes. Aber auch diejenigen, die das Auto eher als nüchternen Gebrauchsgegenstand betrachten, denen das Design eher egal ist, werden sich unterbewusst – auch aufgrund der Farbe – dafür oder dagegen entscheiden. Farbtöne bewegen: Unsere Key Colours aus dem Trendreport 2023 „On Volude“ für die einzelnen Regionen sind entweder stark farbig oder haben einen intensiven Effekt inne.

Herr Gutjahr, vielen Dank für das Gespräch. am ■

www.basf.com

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