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Kein ganz normaler Auftrag

Design
Kein ganz normaler Auftrag

Bei Designlackierungen kommt es auf weit mehr als die reine Handwerksleistung an

Wer mit Rüdiger Fieber einen Termin vereinbaren will, muss etwas flexibel sein, denn der Terminplan des studierten Designers und gelernten Lackierers ist derzeit mehr als eng. Vormittags ist es am anvisierten Tag eher schwierig; da kommt ein Fernsehteam. Am frühen Nachmittag hat sich schon der Reporter eines Tuning-Magazins angekündigt, am Abend muss der Chef zu Antenne Bayern. Und zwischendurch sollte Rüdiger Fieber mit seinem vierköpfigen Team auch noch arbeiten, und zwar mit Volldampf.

Das Projekt, das ihn komplett in Beschlag nimmt, steht in der Lackierhalle seines Amberger Unternehmens. Ein Scania-Truck, rund 15 Meter lang, erhält gerade eine spektakuläre neue Lackierung. Der Auftraggeber des Show-Trucks ist die Firma Godelmann, ein mittelständischer Hersteller von Pflastersystemen und Betonfertigteilen. Natürlich sind auf dem Lkw daher Steine zu sehen – aber nicht nur. Auf der einen, ganz in orange gehaltenen Seite krabbeln liebevoll und detailreich applizierte Ameisen im Wüstenambiente zwischen Mauerwerk umher. Die andere, ganz in grün gehaltene Fahrzeugseite zeigt einen Trupp Ameisen, der zwischen Grashalmen, Blättern und natürlich Pflastersteinen umherschwirrt. Gleich hinter der Fahrerkabine sind dagegen Namen und Logos von Unternehmen aus der Baubranche auflackiert, während auf dem kompletten Heckteil das Logo des FC-Bayern prangt. Doch wie sind all diese unterschiedlichen Elemente und Firmen zusammengekommen?
Truck und Event
„Am Anfang war das ein ganz normaler Auftrag“, erklärt Rüdiger Fieber, „eben ein Show-Truck für die Firma Godelmann. Doch irgendwann im Gespräch mit dem Auftraggeber hat sich ergeben, dass die Firma eine Business-Lounge in der Allianz-Arena hat. Da hat es bei mir Klick gemacht, denn in ein paar Wochen bestreitet der FC Bayern ja hier in Amberg ein Gastspiel – für uns ein Riesen-Event.“ Was lag da naher, als beides zu verbinden? Einige Anrufe bei Medienvertretern, beim Auftraggeber und anderen Beteiligten bewirkten, dass aus dem ganz normalen Auftrag sehr bald sehr viel mehr wurde. „Auf der Rückseite des Trucks werden nun die BayernSpieler im Rahmen des Events ihre Unterschrift abgeben, und die Hecktür wird anschließend für einen guten Zweck versteigert.“ Doch damit nicht genug. Klick gemacht hat es bei Rüdiger Fieber gleich noch ein paar Mal. Wenn schon ein wunderschöner Show-Truck übergeben wird, der FC Bayern kommt, Fernsehen und Radio berichten, was lag da näher, als quasi nebenbei noch einen Weltrekord aufzustellen? „Wir haben uns überlegt: Was kann man mit Steinen im Rahmen solch eines Events Spannendes anstellen?“, berichtet Rüdiger Fieber. „Dann sind wir auf die Idee gekommen: Ein Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde muss her.“ Klick! Zehn Bayern-Fans werden versuchen, in möglichst kurzer Zeit 1000 jeweils 27 Kilogramm schwere (Godelmann-) Pflasterplatten in den (Godelmann-) Truck einzuladen. Für Fiebers Auftraggeber eine Aktion mit enormem Marketingwert. Und die Planungen gehen schon weiter. Denn was die Fans des FC Bayern München können, würden 60er Fans auch gerne beherrschen. Ein zweiter Show-Truck, ganz in blau, der ebenfalls mit Steinen beladen werden soll, ist bereits geplant. Und eine Gelegenheit, beim Beladen den Rekord der Bayern-Fans zu toppen, ist auch schon ausgespäht: Die „Außenwette“ bei Thomas Gottschalks Wetten Dass. Klick.
Netzwerk geflochten
Da muss einer erst mal draufkommen. Rüdiger Fieber kommt drauf. Es ist sozusagen Teil seines Jobs. Denn was er seinen Kunden anbietet, so viel wird jetzt schon klar, ist weit mehr als die reine Werbelackierung. Es ist ein Netzwerk an Kontakten zu Medien und Firmen, ein breites Spektrum an Möglichkeiten, Publikum zu erreichen. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch Fahrzeugmodelle. So ist die Firma Herpa spezialisiert auf hochwertige Nachbildungen von aufwändig lackierten Trucks, die in limitierten Editionen produziert werden. Die Mini-Trucks sind heiß begehrt unter Sammlern, die sie oft Jahre später noch in Internet-Auktionen ersteigern. Ein wichtiger Abnehmer der Modelle sind auch die Auftraggeber der Show-Trucks. Eine detailgetreue Miniaturabbildung des Trucks ist schließlich ein ideales Präsent für Geschäftspartner und Mitarbeiter. Darüber hinaus sorgen die Sammler und die Modellbau-Magazine für zusätzliche Publizität – und zwar auf Jahre hinaus. In Rüdiger Fiebers Besprechungsraum reiht sich ein Truck-Modell ans andere – der beste Beleg dafür, dass sein Netzwerk funktioniert. MR

Säen und ernten
Herr Fieber, ist ein Auftrag wie der Godelmann-Show-Truck für Ihr Unternehmen eher die Ausnahme oder der Normalfall?
Eigentlich beides. Vom Medienecho her, das in diesem Fall natürlich die Verbindung mit dem FC Bayern geweckt hat, ist der Auftrag sicher etwas Besonderes. Andererseits sind wir als Spezialisten für solche Großaufträge bekannt und haben bereits etliche vergleichbar große Trucks gestaltet und lackiert.
Wie stellt sich bei solch einem Auftrag eigentlich die Kalkulation dar? Wie viel Stunden verbringen Sie und Ihr Team am Truck, zu welchem Stundensatz?
Am Godelmann-Truck dürften wir am Ende rund 2000 Stunden gearbeitet haben. Aber um es gleich vorweg zu sagen: Wie ein Reparaturauftrag lässt sich so etwas nicht kalkulieren. Weder von der Art der Kalkulation noch vom Stundensatz her, der deutlich unter dem liegt, was in der Reparatur üblich ist.
Wie kommen Sie dann auf Ihre Kosten?
Ich habe nicht gesagt, dass diese Aufträge nicht lukrativ sein können. Zum einen haben wir eine andere Kostenstruktur als ein Reparaturbetrieb, zum anderen haben wir gerade bei so spektakulären Aufträgen auch zusätzliche Einnahmemöglichkeiten. Ich weiß zum Beispiel, dass bei manchen Aufträgen auch Lizenzen für Filmarbeiten oder Fotos dazukommen. Auch die Spielzeugindustrie entrichtet einen Obolus, wenn Lkw nachgebaut wird. Diese Einnahmen werfen wir mit in den Auftrag hinein, und am Ende geht die Rechnung auf.
Und nicht zu vergessen: Einen Teil unserer Kosten muss ich bei solch einem Auftrag immer als Werbekosten für meine Firma verstehen. Gibt es besseres Marketing für uns als ein Mega-Event mit entsprechendem Presserummel? Das ist eine Garantie für Folgeaufträge. So sind wir bis weit ins nächste Jahr ausgelastet.
Sind Sie ausschließlich im Nutzfahrzeug-Design aktiv?
Überhaupt nicht. Wir erzielen damit etwa die Hälfte unseres Umsatzes, die andere Hälfte machen wir mit Tuning-Fahrzeugen.
Das gilt ja auch nicht gerade als einfaches Geschäft…
Auch hier kommt es vor allem darauf an, ein Netzwerk zu knüpfen – zu Zeitschriften, zu Clubs, zu Herstellern. Wenn man mit Designlackierungen erfolgreich sein will, ist es nicht möglich, nur gute Arbeit zu machen und zu hoffen, dass der nächste Auftrag kommt. Man muss ständig präsent sein in den Kreisen und Medien, auf die es ankommt. Der Informationsaustausch ist dabei gegenseitig, denn beim Tuning ist es entscheidend , dass ich am Puls der Zeit bin und genau weiß, was in der Tuning-Szene gerade angesagt ist. Das sagt mir nämlich nicht der Kunde, sondern ich muss es ihm sagen. Wenn´s gut läuft, freut er sich nachher, dass die Lackierung, die wir gemeinsam für sein Auto entwickelt haben, voll im Trend liegt.
Kann man sich beim Tuning auf Lack konzentrieren?
Ich würde das nicht tun. Gerade beim Tuning kommt es darauf an, dass ich den Kunden komplett bediene. Wir haben hier dicke Kataloge mit Chrom-Felgen aus den USA und allen Arten von Anbauteilen. Wir arbeiten eng mit Sattlereien zusammen. Selbst wenn dabei nicht allzu viel Marge hängen bleibt, kurbelt es das Geschäft sehr stark an. Außerdem ist die Kundenbindung viel höher, wenn ich als Lackierer „Generalunternehmer“ beim Tuning bin und die anderen Leistungen koordiniere.
Wie preissensibel ist die Tuning-Kundschaft?
Da gibt es alle Varianten; beim Einen spielt der Preis wirklich keine Rolle, der Andere kann sich Tuning im Grunde gar nicht leisten. Umso wichtiger ist es, im Gespräch mit dem Kunden eine Lösung zu finden. Im einen Fall besteht die Kunst darin, dem Kunden Lösungen auf exakt dem Niveau zu bieten, das er im Auge gehabt hat. Im anderen Fall muss man auch für einen schmalen Geldbeutel Möglichkeiten zu finden, hinter denen man selbst stehen kann, ohne dem Kunden das Gefühl zu geben, nur die zweitbeste Lösung bekommen zu haben. Wir haben zum Beispiel oft den Fall, dass das Budget für eine komplette Lackierung einfach zu knapp ist. Dann fangen wir eben mit der Motorhaube an, machen die aber richtig. So eine Argumentation überzeugt die meisten Kunden.
Welchen Tipp können Sie Lackierern geben, die sich mit Designlackierungen ein zweites Standbein schaffen wollen?
Eines gleich vorweg: Anders als bei vielen anderen, die sich im Tuning tummeln, haben Lackierer schon einmal gute Voraussetzungen. Lackierer haben vernünftiges Equipment und eine gute Ausbildung. Sie wissen, wie welcher Untergrund vorzubehandeln ist, oder welcher Lackaufbau zu wählen ist.
Wo liegen dann die Probleme?
Zum Teil in der Organisation. Von morgens in der Früh bis nachmittags um vier Unfallschäden zu reparieren und dann noch bis zum Feierabend eine Designlackierung durchzuziehen, das funktioniert nicht. Für Designlackierungen brauche ich Ruhe und Konzentration. Ich muss, wenn ich ernsthaft einsteigen möchte, versuchen, das Tagesgeschäft beispielsweise von Montag bis Donnerstag zu erledigen und mir den Freitag und den Samstag für Design freihalten.
Ein weiteres Problem: Lackierer sind oft zu wenig extrovertiert. Wenn ich aber Designlackierungen verkaufen möchte, dann muss ich Gutes tun und darüber reden. Das Geschäft funktioniert nur über Empfehlungen, Zeitungsberichte, Events, Prämierungen und so weiter.
Und schließlich: Nicht jeder Auftrag kann, speziell am Anfang, lukrativ sein. Wenn ich merke, dass ich bei einem Auftrag nicht auf meine Kosten komme, sollte ich ihn trotzdem voll engagiert zu Ende bringen und umso mehr Energie in die Vermarktung stecken. Gerade bei Designlackierungen muss ich viel säen, um ernten zu können.
Herr Fieber, vielen Dank für das Gespräch
MR
Werbung & Design Fieber Telefon: 0 96 21 / 7 44 45 Telefax: 0 96 21 / 7 40 79 www.werbung-fieber.de

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