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Alte Autos, neue Chancen

Know-how
Alte Autos, neue Chancen

Riverside Kustomz hilft Jugendlichen zum Start ins Berufsleben

Ein pinkfarbener Cadillac, ein Ford Mustang aus den frühen 60ern, ein „Strich-Achter“-Mercedes und ein VW-Bus, sogar noch mit geteilter Frontscheibe – die Fahrzeuge, die in der Halle und auf dem Hof von Riverside Kustomz im badischen Kehl stehen, lassen das Herz von Oldtimerfreunden höher schlagen. „Schon die Arbeit an solchen Autos macht unheimlich viel Spaß“, sagt Arion, der bei Riverside Kustomz gerade seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen hat, „aber die Krönung ist die Probefahrt, wenn ein Fahrzeug fertig restauriert ist.“

Einstieg verpasst
Dass Arion eine Lehrstelle gefunden hat, ist alles andere als normal. Doch Riverside Kustomz ist auch alles andere als ein normaler Ausbildungsbetrieb. Initiator des Projekts ist Markus Sansa, von Haus aus Sozialpädagoge und bis vor wenigen Monaten bei einer Förderschule in Kehl angestellt. „Eigentlich hatte ich mit Autos früher gar nicht viel am Hut“, erinnert sich Sansa, „bis ich vom Oldtimer-Virus infiziert wurde.“ Ein 51er Chevy Bel Air war es, der ihn auf den Geschmack am Schrauben, Schweißen und Lackieren brachte. Und Schrauben macht nicht nur Spaß, Schrauben verbindet, das wurde ihm schnell klar. Daher überlegte Sansa, der an seiner Schule tagtäglich mit „Problem-Jugendlichen“ ohne echte Berufschancen zu tun hatte, wie er seine Passion für Oldtimer mit seinem Engagement für die Schüler unter einen Hut bringen konnte. Die Lösung hieß „Riverside Kustomz e.V.“, 2007 wurde der gemeinnützige Verein gegründet, und in einer alten Werkstatt im Kehler Industriegebiet arbeiteten fortan rund 40 Oldtimerfreunde und Fördermitglieder in ihrer Freizeit gemeinsam mit Jugendlichen ohne Schulabschluss, Schulverweigerern, Lehrabbrechern, kurzum mit jungen Leuten, die aus den unterschiedlichsten Gründen den Einstieg ins Berufsleben verpasst hatten. „Uns ging es darum, die Jugendlichen, die zum Teil schon seit Jahren Hartz IV-Bezieher waren, über ein Thema, das sie interessiert, wieder ans Arbeitsleben heranzuführen“, erklärt Markus Sansa. Dass dieser Weg erfolgversprechend war, zeigte sich sehr schnell – zum Beispiel daran, dass ein Jugendlicher, der bei Riverside Kustomz Geschmack an der Arbeit mit Autos gefunden hatte, auf Anhieb in ein reguläres Ausbildungsverhältnis vermittelt werden konnte.
Projekt: Farbe bekennen
Für Markus Sansa war dies ein Anlass, das Projekt noch weiter zu entwickeln. „Unsere Vision war es, mit der Arbeit in der Werkstatt den Jugendlichen nicht nur als Sprungbrett in die Ausbildung zu dienen, sondern zukünftig auch selbst Ausbildungsplätze im Kfz-Bereich anzubieten.“ So entstand die Idee, eine richtige Werkstatt zu eröffnen, die professionell Oldtimer restauriert, und in der arbeitslose Jugendliche, die auf kaum einen anderen Weg ins Berufsleben finden können, Mechatroniker, Karosseriebauer oder Lackierer werden können. Dass dies nicht ohne Zuschüsse funktionieren würde, war klar, Erfahrung im Öffnen von Fördertöpfen hatte Sansa jedoch. „Es lag auf der Hand, dass die Idee förderungswürdig war, zum Beispiel durch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds EFS“, berichtet Markus Sansa, „wir mussten nur noch ein separates Projekt definieren, mit dem wir uns um konkrete Förderung bewerben konnten.“
„Farbe bekennen“ lautete schließlich der Name des neuen Projekts, und der war durchaus wörtlich zu verstehen, denn im Vordergrund sollte die Lackierung stehen. Die Gründe dafür waren vielfältig. „Um wirklich komplette Restaurierungen anbieten zu können, musste unsere Werkstatt auch mit einem professionellen Lackierbereich ausgestattet sein. Durch die Erweiterung um diesen Bereich ergab sich darüber hinaus die Möglichkeit, noch mehr Jugendliche betreuen“, berichtet Sansa. So wurde eine zweite, „lackiertaugliche“ Werkstatthalle angemietet und eine Lackierkabine angeschafft. Im Sommer 2010 zeichnete sich ab, dass das Projekt aus dem ESF gefördert wird, für Riverside Kustomz bedeutete dies zusätzliche Sicherheit. Markus Sansa gab seine Sozialarbeiterstelle auf und wurde Vollzeit-Projektleiter. Bei Riverside Kustumz ist er seitdem Vorstand und innerhalb des Projekts für den Bereich Sozialarbeit zuständig. „Von der Schule in die Werkstatt“, fasst Sansa seinen Weg zusammen, „mein Leben hat sich ganz schön geändert.“
Ausbilder-Trio
Exakt dasselbe kann auch Oliver Wagner von sich sagen. Der Fahrzeuglackierermeister war bis zum Sommer 2010 in einem großen Lackierbetrieb in der Region als Ausbildungsmeister angestellt und nebenbei Mitglied im Riverside-Kustomz-Verein. Die Aussicht, das Hobby Oldtimer zum Beruf zu machen und noch mehr der Wunsch, mit der Ausbildung von problematischen Jugendlichen einen wichtigen Beitrag zu leisten, brachte auch ihn dazu, seine feste Position zu kündigen und bei Riverside Kustomz einzusteigen. Er ist nun für die Ausbildung der beiden Lackierer zuständig. Dritter im Bunde ist auf Seiten der Ausbilder Alexej Ulrich, der einen Kfz-Meisterbetrieb gleich nebenan betreibt. Dort erhalten die Auszubildenden ihr praktisches Wissen über modere Kfz-Mechanik und -Elektronik. Und dann gibt es noch Christian, den Franzosen von der anderen Seite des Rheins. Der pensionierte Kfz-Mechaniker stand eines Tages vor der Tür und fragte, ob er mithelfen könnte. Seither ist er jeden Morgen der Erste in der Werkstatt. Mit den anderen Ausbildern verbindet ihn der Spaß an der Arbeit mit den alten Autos und den jungen Azubis. Besonders wertvoll ist sein Wissen über klassische Techniken, die an den Oldtimern benötigt werden. „An handfesten praktischen Erfahrungen wird es unseren Auszubildenden sicher nicht mangeln“, ist Oliver Wagner überzeugt. „Da sind die Jungs durch die vielseitigen Aufgabenstellungen bei den Oldtimern und die intensive Betreuung besser versorgt als in manchem klassischen Handwerksbetrieb.“ Eine Hürde wird dagegen die Theorie, ahnt Wagner: „Gerade für unsere Jugendlichen, die aus einer Förderschule kommen, ist es sehr schwer, dem Stoff der Gewerbeschule zu folgen und die Gesellenprüfung zu schaffen.“ Doch auch hier ist man auf einem guten Weg. Mit der örtlichen Gewerbeschule wurden Sonderschichten für die Riverside Kustomz-Auszubildenden vereinbart. Vor Ort im Werkstatt-Büro wird der Schulstoff gemeinsam mit Lehrern vertieft, um Lücken in der Theorie zu stopfen.
Nachhilfe in Theorie
Vier Auszubildende sind seit September 2010 am Start: zwei Mechatroniker und zwei Fahrzeuglackierer. Natürlich gab es Startschwierigkeiten. „Einfach den ganzen Tag konzentriert zu sein und eine Arbeit konsequent zu Ende zu führen – das ist etwas, woran sich manche unserer Jungs einfach wieder gewöhnen oder es erst lernen mussten“, berichtet Oliver Wagner, „und natürlich hatten wir auch Rückschläge zu verkraften.“ So musste man sich von zwei Jugendlichen, die von der kommunalen Arbeitsförderung vorgeschlagen wurden, wieder trennen, da trotz intensiver pädagogischer Betreuung die Probleme im persönlichen Bereich einfach nicht zu überwinden waren. Bei den verbliebenen Auszubildenden sind Markus Sansa und Oliver Wagner umso optimistischer: „Die sind mit Feuereifer dabei, da verpennt keiner mehr.“ Auch die Aufträge werden immer zahlreicher und kommen nicht mehr nur aus dem Umfeld des Clubs, sondern aus der ganzen Region. Dabei konzentriert man sich auf Komplett-Restaurierungen von Fahrzeugen, die mehr als 30 Jahre auf dem Buckel haben, mit Schwerpunkt auf US-Cars. Das ehrgeizige Ziel ist es, die Kunden nicht länger als einen Monat auf das Auto warten zu lassen. „Dieses Angebot kommt in der Szene gut an“, meint Markus Sansa, der zuversichtlich ist, dass sich das Projekt auch noch tragen wird, wenn die Projektzuschüsse in ein paar Jahren ausgelaufen sind. Bis dahin will man bei Riverside Kustomz komplett auf eigenen Beinen stehen. Das gilt zum einen für den Betrieb, aber noch vielmehr für Arion und seine Azubi-Kollegen. MR

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