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Recht
Schadensregulierung: Service mit Risiken

Schadensregulierung: Service mit Risiken
Reparaturwerkstätten bieten zuweilen die Schadensregulierung bei der Versicherung an – bis hin zum Einklagen von Schäden vor Gericht. Für Werkstatt und Kunden lauern hier aber Fallstricke. (Foto: M. Rehm)
Das deutsche Schadensrecht schützt Geschädigte im Haftpflichtfall in ganz besonderem Maße. Übernimmt die Werkstatt die Schadensregulierung bei der Versicherung, ist dieser Schutz in Gefahr.

Der Autor Thomas Nonas ist Syndikus-
rechtsanwalt beim Bundesverband Fahrzeug-
lackierer und u a. Fachanwalt
für Verkehrsrecht.

Bei Haftpflichtschäden bieten viele Reparaturbetriebe ihren Kunden einen besonderen Service: die Regulierung der Schäden bei den Versicherern. Das reicht teilweise sogar bis hin zum Einklagen von Schäden vor Gericht, wenn der Kunde seine Ansprüche zuvor an die Werkstatt abgetreten hat.

Dass diese Vorgehensweise für den Kunden und den Betrieb nicht ausschließlich vorteilhaft ist, zeigt ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16.01.2024 – Az.: VI ZR 51/23. Darin beschäftigt sich der BGH mit der „subjektbezogenen Schadensbetrachtung“ und dem „Werkstattrisiko“ – zwei juristischen Begriffen aus der Schadensregulierung. Der Begriff der „subjekt-
bezogenen Schadensbetrachtung“ beschreibt den Umfang der Schadens-
regulierungspflicht. Demnach ergibt sich der erforderliche Reparaturaufwand nicht nur durch die Art und die Ausmaße des Schadens. Vielmehr ist der Geschädigte, also der Kunde selbst, mitbestimmend. Seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sind entscheidend – und die sind häufig
begrenzt. Denn als Kunde muss er sich darauf verlassen, dass die Werkstatt dem jeweiligen Schaden angemessene Reparaturmaßnahmen und -aufwände kalkuliert.

Schutz für den Kunden

Die subjektbezogene Schadensbetrachtung schützt damit den Kunden vor den gängigen Einwänden (zu teuer, nicht notwendig, etc.) der Haftpflichtversicherungen. Diese müssen dem Geschädigten jeglichen Schaden ersetzen, selbst wenn die Reparaturmaßnahmen nicht notwendig gewesen sein sollten oder tatsächlich zu teuer waren. Denn woher soll der Kunde wissen, ob Musterbleche zur Farbfindung notwendig, eine Beilackierung machbar oder die Kosten für eine aufwendige Effektlackierung angemessen sind? Solche Einschätzungen entziehen sich den individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten. Deshalb kann auch der Umfang der Schadensregulierung nicht dadurch eingeschränkt werden. Auch wenn aus Sicht der Haftpflichtversicherung und deren Sachbearbeitern, die täglich Dutzende von Unfallschäden bearbeiten, mögliche Mehraufwände erkennbar sein sollten.

Werkstatt als Berater

Jeder Geschädigte darf daher grundsätzlich darauf vertrauen, dass der von ihm erteilte Reparaturauftrag an die Werkstatt nur die Reparaturen beinhaltet, die objektiv notwendig sind. Die Werkstatt fungiert als Berater, auf dessen Urteil sich der Kunde verlassen darf. Mit dem neuen Urteil ist das nun auch endlich geklärt. Denn in der oben genannten Entscheidung hat der BGH höchstrichterlich entschieden, dass ein Sachverständigengutachten nun nicht mehr zwingend notwendig ist.

Dennoch gilt: Wenn ein Sachverständigengutachten eingeholt wird, muss der Geschädigte ebenfalls – wenn nicht sogar umso mehr – davon ausgehen können, dass die im Gutachten aufgeführten Reparaturschritte erforderlich sind. Er hat deshalb einen Anspruch, die Kosten in vollem Umfang von der Haftpflichtversicherung erstattet zu bekommen. Das gilt auch, wenn tatsächlich einmal unnötige Arbeiten vorgenommen worden sein sollten. Selbst dann bekommt der Unfallgeschädigte alles erstattet. Denn das Risiko, dass ein Kunde eine Werkstatt (und/oder
einen Sachverständigen) aussucht, die zu viel oder zu teuer repariert, trägt auch der Schädiger, also die Haftpflichtversicherung. Man spricht hier vom sogenannten „Werkstattrisiko“.

Die subjektbezogene Schadensbetrachtung ist damit aus Kundensicht ein „scharfes Schwert“. Wird sie richtig angewendet, kommt es vor Gericht noch nicht einmal zu einer Beweisaufnahme, ob Reparaturmaßnahmen notwendig waren. Der Grund: Der Geschädigte ist durch seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten geschützt und hat dadurch ohnehin Anspruch auf
volle Kostenerstattung.

Die Folgen für die Werkstätten

Wenn Haftpflichtversicherungen der Meinung sind, dass der Umfang der Schadensregulierung zu hoch ist, können sie vom Kunden die Abtretung von Regressansprüchen fordern. Dieser Aufforderung sollte der Kunde dann auch nachkommen. Für die Werkstätten bedeutet das zum einen, dass sie sich verstärkt Regressforderungen ausgesetzt sehen und sich vor diesen schützen müssen. Worauf es dabei zu achten gilt, haben wir bereits in einem früheren Beitrag (Lackierblatt September 2023) beschrieben.

Zum anderen können Werkstätten erhebliche Probleme bekommen, wenn sie die Regulierung eines Schadens als Service für den Kunden übernehmen. Denn dann gelten, laut der BGH-Entscheidung vom 16.1.2024, die subjektbezogene Schadensbetrachtung und das Werkstattrisiko nicht mehr. Das ist auch einleuchtend. Denn ein Werkstatttrisiko – also die Wahl der
„falschen“ Werkstatt – kann nicht als Begründung herangezogen werden, wenn eine Werkstatt in eigenem Namen schadensregulierend tätig wird, das heißt gegenüber der Haftpflichtversicherung Schadensersatz verlangt und ggf. sogar klagt. Die Grundsätze des Werkstattrisikos als Teil der subjektbezogenen Schadensbetrachtung dienen lediglich zum Schutz eines unerfahrenen Geschädigten. Und damit nicht für Werkstätten selbst. Wenn die Werkstatt die Schadensregulierung als Service für den Kunden übernimmt, hat das also eine erhebliche Folge: Der Kunde verliert sein sehr „scharfes Schwert“ gegenüber den Versicherern. Das macht die Werkstätten durch denkbare Regressansprüche der Kunden angreifbar.

In den Händen der Kunden

Es ist deshalb sowohl für Werkstätten als auch für Geschädigte ratsam, dass die Schadensregulierung in den Händen der Kunden verbleibt. Ihnen kann bestenfalls ein guter Rechtsanwalt, der sich mit der Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen auskennt, vermittelt werden. Die Kosten des Rechtsanwalts muss die gegnerische Haftpflichtversicherung übrigens auch dann vollständig übernehmen (sofern natürlich aufgrund des Unfallhergangs keine Teilschuld besteht), wenn es sich um einen auf den ersten Blick nicht komplizierten oder teuren Unfall handelt. Das OLG Frankfurt meinte dazu: „Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u. Ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln.“ (OLG Frankfurt, Urteil vom 01.12.2014, Az. 22 U 171/13)

Die beste Serviceleistung, die Werkstätten ihren Kunden also im Schadensfall bieten können, ist nicht die Übernahme der Schadensregulierung, sondern die Empfehlung eines geeigneten Rechtsanwalts. Denn durch den direkten Austausch zwischen Werkstatt und Rechtsanwalt zu allen Fragen der Regulierung der Reparaturkosten wird der Kunde in erheblichem Maße entlastet. ■

www.fahrzeuglackierer.de


Thomas Nonas

„Die beste Serviceleistung, die Werkstätten ihren
Kunden im Schadensfall bieten können, ist nicht die
Übernahme der Schadens-
regulierung, sondern die Empfehlung eines geeigneten Rechtsanwalts.“

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