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Anwalt Thomas Nonas klärt auf: Das Widerrufsrecht im Reparaturbetrieb

Anwalt Thomas Nonas klärt auf
Das Widerrufsrecht im Reparaturbetrieb

Widerruf bei der Reparatur: Entscheidend ist der Ort des Vertragsabschlusses – daher Vorsicht bei Hol- und Bringdiensten. BFL-Syndikusanwalt Thomas Nonas klärt auf.

Der Autor Thomas Nonas ist Syndikusrechts-anwalt beim Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz und u .a. Fachanwalt
für Verkehrsrecht.

Dienstleistungen zum Nulltarif: In den vergangenen Monaten geisterten dazu einige Verbrauchertipps in Form von Videos durch die sozialen Netzwerke. Die Ersteller ziehen darin ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Mai 2023 heran: Sollte ein beauftragtes Unternehmen versäumen, den Kunden über sein Widerrufsrecht zu belehren, darf dieser – nach einem Widerruf – sein Geld immer zurückfordern und die erbrachten Leistungen behalten.

Diese (Fehl-)Interpretation des EuGH-Urteils hat im gesamten Handwerk für Unruhe gesorgt. Viele Reparaturbetriebe sorgten sich vor einer rechtlich gedeckten „Abzocke“. Einige befürchteten, dass Verbraucher nun Reparaturleistungen in Auftrag geben und sich – nach der Erbringung – auf ihr Widerrufsrecht beziehen, um die Dienstleistungen kostenlos behalten zu dürfen. Ein Irrglaube. Denn in dem viel zitierten Urteil wurde nicht die Widerruflichkeit von Verträgen behandelt. Der EuGH hat lediglich darüber entschieden, ob ein Wertersatz bei einem ganz klar vorliegenden Widerrufsgeschäft erfolgen muss. Trotzdem Grund genug, einen genaueren Blick auf das Widerrufsrecht zu werfen.

Wann haben Verbraucher ein Widerrufsrecht bei der Reparatur?

Seit 2014 gibt es eine gesetzliche Regelung, die Verbrauchern den Widerruf eines Vertrages erlaubt. Sie gilt, wenn ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Auftragnehmers geschlossen wird. Beide Vertragsparteien einigen sich dabei vor Ort auf die zu erbringenden Dienstleistungen und beschließen den Vertrag direkt per Handschlag. Dem Verbraucher steht bei diesen „Haustürgeschäftsfällen“ ein Widerrufsrecht innerhalb von zwei Wochen zu. Voraussetzung ist, dass er darüber zuvor schriftlich informiert wurde. Erfolgt keine Belehrung durch das Unternehmen, verlängert sich das Widerrufsrecht des Verbrauchers auf ein Jahr.

Die zweite Situation, in denen ein Verbraucher ein Widerrufsrecht hat, ist der Vertragsschluss per Fernabsatz. Das bedeutet, dass die wesentlichen Vertragsschritte ohne persönlichen Kontakt zum Betrieb und ausschließlich per Fernkommunikationsmittel (E-Mail, Internet, Telefon, SMS, Fax etc.) abgewickelt werden müssen. Auch muss der Betrieb auf diese spezielle Art des Vertragsschlusses ausgerichtet sein. Im Fahrzeuglackierer-Handwerk sollte das jedoch nur sehr selten der Fall sein.

Widerrufsrecht im Werkstattalltag?

In der Regel erteilen Verbraucher den Reparaturauftrag für ein Fahrzeug persönlich im Betrieb. Der Vertrag wird also weder außerhalb der Geschäftsräume geschlossen, noch über den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln. Im Regelfall haben Verbraucher dadurch kein Widerrufsrecht und Betriebe auch keine entsprechende Verpflichtung zur Widerrufsbelehrung. Allerdings bieten immer mehr Betriebe neben der Reparatur als zusätzliche Dienstleistung Hol- und Bringdienste an. Was als komfortabler Zusatzservice gedacht ist, stellt sich im Hinblick auf das Widerrufsrecht jedoch als problematisch heraus.

Angenommen der Kunde ruft an und teilt der Werkstatt mit, dass sein Fahrzeug beschädigt ist. Daraufhin bietet der Betrieb seinen Hol- und Bringdienst an, fährt beim Kunden vorbei und schließt mit ihm bei der Abholung – quasi an der Haustür – den Reparaturauftrag ab. In diesem Fall liegt ein widerrufliches Geschäft vor. Denn der Vertrag wurde außerhalb der Geschäftsräume der Werkstatt geschlossen.

Für Betriebe bedeutet das, dass sie ihren Kunden – dringend – schriftlich über ihr Widerrufsrecht informieren müssen. Und sie sollten mit der Reparatur erst nach Ablauf der Widerrufsfrist oder nach ausdrücklichem Verzicht des Kunden auf sein Widerrufsrecht beginnen.

Anders verhält es sich, wenn der Kunde zuvor ein Angebot vom Betrieb erhalten hat. Dies wurde in einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2023 zweifelsfrei geklärt.

In dem entsprechenden Fall erteilte ein Verbraucher einem Betrieb einen erweiterten Auftrag nachdem er weitere Mängel festgestellt hatte. Das Unternehmen schrieb ihm daraufhin ein Angebot und schickte dieses am Abend per E-Mail an den Kunden. Am nächsten Tag trafen sich beide auf der Baustelle – also nicht im Betrieb des Handwerkers – und besiegelten das Geschäft per Handschlag. Später wollte der Kunde von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen, weil er von einem „außerhalb der Geschäftsräume geschlossene Vertrag“ ausging.

Die BGH-Richter urteilten jedoch, dass dies nur gilt, wenn nicht nur die Annahme des Angebots außerhalb der Geschäftsräume stattfindet, sondern auch das Angebot unter diesen Bedingungen abgegeben wird. Da das Angebot jedoch telefonisch und per E-Mail sowie aus den Geschäftsräumen des Betriebes heraus unterbreitet wurde, ist ein Widerruf nach § 312b BGB ausgeschlossen.

Reparaturbetriebe sollten deshalb bei Hol- und Bringdiensten darauf achten, dass der Kunde davor oder danach ein entsprechendes Angebot erhält. Oder andernfalls eine schriftliche Widerrufsbelehrung mitbringen und unterschreiben lassen. Ein entsprechendes Formular steht Innungsmitgliedern auf der Serviceseite des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz zum Download zur Verfügung.

Das Beispiel zeigt, dass im Regelfall keine widerruflichen Geschäfte im Werkstattalltag stattfinden. Lediglich bei „Handschlaggeschäften“ außerhalb der Geschäftsräume sollten Betriebe besondere Vorsicht walten lassen.

Sonderfall: das Widerrufsrecht bei Gutachtern

Die jüngste BGH-Entscheidung liefert auch wertvolle Erkenntnisse für Schadengutachter. Ein „außerhalb der
Geschäftsräume geschlossener Vertrag“ liegt beispielsweise vor, wenn sowohl Leistungsangebot als auch
-Annahme außerhalb der Geschäftsräume eines Gutachters erfolgen. Oder wenn ein Auftragsformular mit Honorarvereinbarung an einem anderen Ort, wie z.B. einer Werkstatt, unterzeichnet wird. In beiden Fällen liegt ein widerrufliches Geschäft vor.

Gerade solche Situationen sind jedoch der Regelfall im Werkstattalltag. Die Folge: Sachverständige sind sehr häufig von der Widerrufsproblematik betroffen und müssen deshalb über das Widerrufsrecht belehren. Einzige Ausnahme wäre, wenn der Kunde zuvor ein Angebot zur Erstellung eines Sachverständigengutachtens – aus den Geschäftsräumen des Sachverständigen heraus – erhalten hat und er in dieses in Anwesenheit beider Parteien in der Werkstatt einwilligt.

Für Sachverständige sind Widerrufsbelehrungen entsprechend wichtig. Denn sie schützen sie davor, dass Kunden von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen – und von „kostenlosen“ Leistungen profitieren können. Deshalb sollten Betriebe unbedingt darauf achten, dass sie ihren Kunden die Widerrufsbelehrungen der Sachverständigen übergeben. Andernfalls könnten letztere Schadensersatzansprüche an die Werkstatt geltend machen, wenn ein Kunde seinen Vertrag widerruft. ■

Hier geht es zum letzten Teil der Rechts-Reihe mit Thomas Nonas.

www.fahrzeuglackierer.de


Thomas Nonas

„Im Regelfall finden

im Werkstattalltag
keine widerruflichen

Geschäfte statt.“

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