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Comeback der Nichtfarbe

Design
Comeback der Nichtfarbe

Weiße Autos – früher ein Eingeständnis, heute ein Statement

Es hat sich angekündigt, das Comeback von Weiß. Zaghaft zwar, aber immerhin. Das Schlüsselerlebnis liegt jetzt fast ein Jahr zurück und trug sich in der Nähe von Mannheim zu. Der Besitzer des nagelneuen weißen 5er BMW kam zusammen mit dem Schreiber dieser Zeilen aus dem Restaurant. Man ging zum Wagen, um den sich schon, Skateboards unter dem Arm, Basecaps auf dem Kopf, eine paar Kids versammelt hatten. „Was ist los, Jungs? Stimmt was nicht mit dem Wagen?“, fragte der BMW-Besitzer leicht beunruhigt in die Runde. „ Nö, nö, alles ok. Wassn das für ´ne Farbe?“ „Äh, Weiß, warum?“ „Nur so. Sieht cool aus.“

Weiß und cool? Im sicheren Gefühl, auf den Hebel genommen zu werden, stieg man ein. Ein paar Minuten später brach es dann aus dem Fahrer heraus: „Ich fahr mein ganzes Leben schon weiße Autos. Aber dass das cool sein soll, höre ich zum ersten Mal.“
Billig und spießig
Tatsächlich galt ein weißes Auto spätestens seit den 90er Jahren als Inbegriff des Uncoolen. Weiße Lackierung, Wackeldackel und Klorollenüberzug auf der Hutablage schienen Bestandteile ein und desselben Stylingpakets zu sein. Und Weiß galt nicht nur als spießig, sondern auch als billig. Nicht ganz zu Unrecht. Ein weißes Autos fuhr, wer den Aufpreis für glitzernde Metallics nicht zahlen wollte, oder wer die Farbe des Firmenwagens vorgeschrieben bekam. Das Image weißer Autos war so schlecht, dass noch vor kurzem potenziellen Käufern unter dem Aspekt des Wiederverkaufswerts dringend abgeraten wurde.
Der iPod ist schuld
Doch die Dinge haben sich verändert. Und zwar dramatisch. Weiß ist heute hip. Mercedes stellt den CL in „Mystic weiß vor“, BMW den M6. Peugeot präsentiert seine besonders umweltfreundlichen Modelle in perlmutt-weißer Sonderlackierung. Kein Zweifel, die Autohersteller haben weiß wieder entdeckt – zumindest als eye-catcher.
Und auch im Straßenbild wird das silbrig graue Einerlei gelegentlich von weißen Lichtblitzen unterbrochen.
Wer ist schuld am Trendwechsel? Man könnte es sich einfach machen und sagen: Der iPod von Apple. Aber nicht nur der. „Wir beobachten seit cirka zwei Jahren eine Manifestation des Weiß- Trends. Und zwar nicht als Hype oder Kurz-Frist-Trend, sondern als Meta-Trend, der sich durch alle Bereiche des Designs und der Alltagskultur zieht“, weiß Michaela Finkenzeller, Farbtondesignerin beim Lackhersteller BASF Coatings. „Mode, Möbel, Consumer Electronics. Der iPod ist nur eines der bekanntesten Beispiele für den Weiß-Trend. Weiß steht für die Konzentration auf das Wesentliche, einen neuen ästhetischen Purismus. Weiß ist aber auch das Besondere, das Exklusive.“
Weiß mit Sportpaket
Nur folgerichtig, dass weiße Autos heute vor allem im oberen Fahrzeugsegment zu finden sind. Wer einen Porsche Cayenne oder einen großen BMW in Weiß ordert, ist über den Verdacht, am Metallic-Aufschlag sparen zu wollen, erhaben. Im Gegenteil: „Weiße Autos werden meistens mit Vollausstattung bestellt“, hat Nicole Lumpp, BMW-Verkäuferin in Stuttgart, beobachtet. „Eine beliebte Kombination ist Weiß mit Sportpaket.“ Auch sie stellt fest, dass eine kleine Anzahl von Kunden wieder verstärkt an weißen Fahrzeugen interessiert ist. „Ein weißes Auto ist einfach ein Hingucker, irgendwie auch provokativ.“ Eine Aussage, die Reiner Müller-Körber, Farbtondesigner beim Lackhersteller PPG, voll unterstreicht. „Ein weißes Auto zu fahren, war früher ein Eingeständnis, heute ist es ein statement.“
Weiß mit Schimmer
Alpin-weiß heißt der weiße Farbton bei BMW. So hieß er schon immer, und so sah er auch schon immer aus. Ein Uni-Weiß, das heute, wie fast alle Unis im Pkw-Bereich, im Zweischicht-Verfahren aufgetragen wird. Schlicht, funktional, edel.
Doch den Lackdesignern steht der Sinn nicht nur nach Uni-Weiß, sondern nach raffinierteren Weiß-Varianten – zum Beispiel nach solchen, die je nach Betrachtungswinkel in einer zweiten Farbe schimmern. Oder nach Weiß mit metallischem Touch. Oder nach Weiß mit Perlmutt-Effekt. „Ziel ist ein Sophisticated White. Ein Weiß mit Effekt, mit sanftem Schimmer, mit einer besonderen Oberfläche – mit dem gewissen Etwas – um den Exklusivitäts- und Premiumfaktor weiter auszubauen“, beschreibt Michaela Finkenzeller den Designerwunsch.
Nun sind solche Weiß-Töne außerhalb Europas, in den USA, in den Golf-Staaten und vor allem in Asien, durchaus üblich. In der Autoserie in Europa können sie aber momentan nicht appliziert werden – und zwar aus technischen Gründen.
Technische Hürden
„Effektweiß oder Perlweiß erfordert einen sehr komplizierten Lackaufbau“, erklärte Sandra Krüger, Farbtondesignerin bei DuPont. Während etwa Perlblau in zwei Schichten aufgetragen wird – einer, die die Farb- und die Effektpigmente enthält, und einer Klarlackschicht – muss Perlweiß in vier Schichten aufgetragen werden: Erst kommt eine Uni-Weiß-Schicht, dann folgt eine erste Klarlackschicht, dann eine reine Effektschicht und schließlich der Klarlack. „Die deckenden Weißpigmente sind so dominant, dass der Effekt untergehen würde, wenn Effektpigmente und Weiß-Pigmente gemeinsam aufgetragen würden“, erklärt Sandra Krüger.
Die Lackieranlagen der europäischen Autohersteller müssten für solch einen Schichtaufbau aufwändig umgerüstet werden. Spätestens da stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand lohnen würde, sprich: Ob die Nachfrage nach weißen Fahrzeugen tatsächlich so groß wird und der Trend sich noch verstärkt. Die nackten Zahlen sprechen immer noch eher dagegen. Während vor 20 Jahren in Deutschland noch jeder fünfte Pkw in weiß ausgeliefert wurde, betrug der Marktanteil von Weiß im Jahr 2006 gerade einmal 1,5 Prozent. Eher skeptisch sieht daher Sandra Krüger die Chancen für weiße Fahrzeuge: „Richtig ist, dass weiße Autos in letzter Zeit wieder ins Auge fallen und auf Automessen für Aufsehen sorgen. Das ist aber kein Wunder; schließlich gab es in den letzten Jahren ja praktisch gar keine neuen Pkw in weiß zu sehen. Für ein Comeback auf breiter Front sind die technischen Hürden und damit die Kosten derzeit zu groß.“
Optimistischer ist Michaela Finkenzeller: „Auch wenn Weiß zahlenmäßig in Europa nie das neue Silber werden wird, ist es dennoch ein starker Trend, der auch sehr gut auf der Straße wahrgenommen wird. Schon aus Image-Gründen ist es daher für die im Design führenden Hersteller wichtig, den Weiß-Trend, vorzugsweise mit Effekt, auf die Straße zu bringen. Unterstützt durch das entsprechende Marketing werden sich sicherlich noch weitere Anstiege in den Absatzzahlen von Weiß verzeichnen lassen.“ MR

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