Startseite » Technik »

Kritik an der Stellungnahme des AZT zum Thema Beilackierung

Technik
Kontroverser als gedacht

Kontroverser als gedacht
Wie weit soll der Reparaturbereich gehen? Wer entscheidet das? Und wann? Beim Thema Beilackierung werden diese Fragen intensiv diskutiert. Foto: M. Rehm
Michael Rehm

Das Thema ist ein echter Dauerbrenner: Beilackieren. Kein Wunder, stoßen hier doch sehr unterschiedliche Interessen aufeinander.
Fachbetriebe, Versicherungen, Lackhersteller, Sachverständige — sie alle diskutieren regelmäßig im „Arbeitskreis Beilackierung“, um einen Ausgleich zwischen den Interessen und eine rechtssichere und praktikable Grundlage für die Arbeit in der Werkstatt zu finden. Nicht immer wird dabei ein Konsens erzielt. Das Allianz-Zentrum für Technik hat nun am 19. Februar seine Sicht der Dinge zum Thema Beilackieren in einer Stellungnahme veröffentlicht. Kernfragen dabei: Wer entscheidet, ob beilackiert werden soll? Und wann hat diese Entscheidung zu erfolgen?

Kritik kommt vom BFL und IFL (Interview)

Bei der Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer stieß die Stellungnahme des Allianz Zentrum für Technik zum Thema Beilackierung auf Kritik. Wir unterhielten uns mit Angelina Brunone, Institut für Fahrzeuglackierung, IFL, und BFL- Geschäftsführer Dr. Albert Bill.
Frau Brunone, Herr Dr. Bill, die aktuelle Stellungnahme des AZT wurde in der Branche zum Teil als Verbesserung des bisherigen Status und Lösung des leidigen Problems „Beilackieren“ verstanden, bei Ihnen ist sie dagegen auf wenig Gegenliebe gestoßen. Woran nehmen BFL und IFL konkret Anstoß?
Zunächst einmal daran, dass vom AZT gewünschte Ergebnisse, die im Arbeitskreis „Beilackierung“ von den beteiligten Fachverbänden einhellig abgelehnt wurden und daraufhin vom AZT zurückgezogen wurden, dennoch in die Öffentlichkeit gebracht werden , ohne auf diese Einwände hinzuweisen. Der unbeteiligte Beobachter könnte den Eindruck gewinnen, es herrsche ein breiter Konsens – dem ist aber absolut nicht so.
Über welche Punkte besteht Uneinigkeit?
Höchst umstritten ist nach wie vor, wer zu welchem Zeitpunkt über das Beilackieren entscheidet. Die hierzu vom AZT vorgelegte Stellungnahme und das „Technische Ablaufdiagramm: Reparaturlackierung“ sind aus Sicht des AZT und der Versicherungswirtschaft durchaus nachvollziehbar, wenn es darum geht, Leistungen zu kürzen. Dies bezieht sich unseres Erachtens insbesondere auf Begriffe wie „erforderliche Kosten der Wiederherstellung“ in Verbindung mit Definition: „fachgerecht“, „sehr guter optischer Qualität“, Farbton und der Versuch die risikobehaftete und eingeschränkt anwendbare Spotlackierung als fachgerechte Regelreparatur zu etablieren.
Das AZT hat begleitend zur aktuellen Stellungnahme ein „Technisches Ablaufdiagramm: Reparaturlackierung“ veröffentlicht. Wie stehen Sie zu diesem Schema?
Wir stellen uns zunächst einmal die Frage, warum das AZT das „Technische Ablaufdiagramm Reparaturlackierung“ in der Arbeitsgruppe offiziell zurückgezogen und gegenüber den Arbeitsgruppenteilnehmern als „nur für den internen Gebrauch im AZT“ deklariert hat, nun aber das gleiche Diagramm mit der Pressemitteilung sowie in der AZT Technische Mitteilung 2–2016 im Markt platziert. Wir distanzieren uns hiermit ausdrücklich von Teilen der AZT-Pressemitteilung, die sich auf die Arbeiten und Ergebnisse der Arbeitsgruppe Beilackieren beziehen. Unsere entsprechenden Einwände wurden in dem abschließenden Protokoll der Arbeitsgruppe „Beilackieren“ zu Niederschrift gebracht und können dort nachvollzogen werden.
Und Ihre konkrete Kritik?
Die Frage ist ja: Wer braucht ein solches Diagramm? Schaut der Lackierfachmann, bevor er ans Werk geht, welche Schritte das AZT empfiehlt? Braucht der Sachverständige einen solchen Leitfaden? Oder interessiert es irgendeinen Kunden? Wir denken nein. Die Frage stellt sich sofort: Für wen ist dieses Ablaufdiagramm tatsächlich gedacht? Welche Absicht steht dahinter? Die Intention war den Teilnehmern des Arbeitskreises Beilackieren wohl zu durchsichtig, weshalb die AZT Vorgabe mit breiter Mehrheit abgelehnt wurde.
Nun geht es dem AZT, wenn es die Entscheidung für oder gegen Beilackierung erst sehr spät im Reparaturprozess getroffen sehen möchte, wohl nicht zuletzt darum, den Posten Beilackierung aus fiktiven Abrechnungen herauszuhalten.
Das ist wahrscheinlich so, nur muss die Frage erlaubt sein, ob das den aktuellen rechtlichen Vorgaben sowie der aktuellen Rechtsprechung entspricht. Hierüber haben aber andere zu entscheiden.
Im Sachverständigen-Gutachten hat der Posten Beilackierung aber, wenn die Stellungnahme des AZT richtig ist, nichts verloren. Was erwarten Sie hierzu für eine Antwort?
Genauso wie wir es ablehnen, dass jemand uns unsere Lackkompetenzen abspricht, werden wir dies gegenüber einer anderen Berufsgruppe auch nicht tun. Es ist in der Tat aber fragwürdig, den Sachverständigen quasi die Kompetenz abzusprechen, zur Frage „Beilackierung ja oder nein“ Stellung zu nehmen, oder, wie es ja auch schon geschehen ist, ihre entsprechenden Prognosen als „Kaffeesatzleserei“ zu bezeichnen. Wenn laut AZT nun die Rede davon ist, dass „die Entscheidung über eine erforderliche Beilackierung von angrenzenden Teilen nur vom ausführenden Lackierfachmann anhand der von ihm gespritzten Farbmuster getroffen werden kann“, dann ist der Sachverständige außen vor. Nur: Sobald ein Fall vor Gericht geht, sind genau diese Sachverständigen als Experten wieder gefragt.
Wie dürfte es nun weitergehen? Wie kommt man wieder zueinander?
Das ist eine gute Frage, wer mit wem zusammenkommen muss. Unser Lösungsansatz zur Farbtonproblematik ist unsere neue Handlungsempfehlung, die wir noch vor Weihnachten im öffentlichen, für jedermann zugänglichen Bereich hinterlegt haben. Für die Beurteilung, ob ein Farbton im angrenzenden Teil beilackiert werden muss oder auf Kante lackiert werden kann, ist der Fachmann/ die Fachfrau im Lackierbetrieb die richtige Adresse. Mit angefertigten Farbmustern ist es für den Lackierbetrieb, der die Kostenkalkulation erstellt, möglich, eine fundierte Beurteilung zur Notwendigkeit der Beilackierung abzugeben und die entsprechende Schadenkalkulation und Kostenprognose zu erstellen. Es ist sicherlich möglich, sich mit einer großen Anzahl von Farbmustern, Nachnuancierungen oder gar Beauftragung zur Rezeptierung im Farblabor dem benötigten Farbton zu nähern, hierbei stellt sich jedoch sofort die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Vor diesem Hintergrund halten wir unsere „Neue Handlungsempfehlung zur Farbtonbestimmung und Kalkulation“ für einen gangbaren Weg aus dem scheinbaren „Dilemma“. Selbst der Sachverständige kann sich unseres Erachtens dieser Handlungsempfehlung bedienen, um für sein Gutachten eine fundierte Aussage zum Thema zu treffen- sofern er denn darf. Unseren Lackierbetrieben raten wir ausdrücklich, das bestehende Lackmerkblatt und das Merkblatt zur Spotlackierung sowie die aktuelle AZT Pressemitteilung noch einmal sehr genau zu lesen und sich selbst ein Meinungsbild zu erarbeiten, inwieweit sich die jeweiligen Aussagen entsprechen, bzw. interpretieren lassen.
Frau Brunone, Herr Dr. Bill, vielen Dank für das Gespräch.

Unternehmen im Fokus
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Lackiererblatt 2
Aktuelle Ausgabe
02/2024
EINZELHEFT
ABO
FACEBOOK


Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de