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Kleine, feine Unterschiede

Technik
Kleine, feine Unterschiede

VOC-konforme Klarlacke in der Praxis

Das Thema VOC-konforme Klarlacke wird in der öffentlichen Diskussion und natürlich in zahlreichen Fachartikeln geprägt von der Diskussion über Vor- und Nachteile von UV-Klarlacken oder künftige Einsatzchancen von Wasserklarlacken. Dabei bestimmen die „konventionellen“ VOC-konformen Klarlacke die Praxis in den allermeisten Betrieben. Sie haben sich, was für die Materialien spricht, ziemlich reibungslos in den Werkstattalltag eingefügt. Trotzdem sind bei der Verarbeitung der Lacke einige Umstellungen vorzunehmen und Regeln zu beachten.

Hohe Schichtstärken
Ob sie nun je nach Hersteller den Zusatz HS+, VHS, UHS, LV oder schlicht HS 420 tragen – all diesen Klarlacken ist gemeinsam, dass sie den vom Gesetzgeber geforderten Festkörperanteil von 58 Prozent mit Hilfe der High-Solid-Technologie erreichen. Organische Lösemittel werden also nicht durch Wasser ersetzt, sondern schlicht und einfach reduziert. Um praktikable Applikationseigenschaften sicherzustellen, werden andere und modifizierte Harze und Bindemittel eingesetzt. Dennoch ist die Applikation der Bereich, in dem der größte Umstellungsbedarf besteht. Während die bis zu Beginn der 90er Jahre verwendeten LS-Klarlacke mit einem Festkörpergehalt um 30 Prozent in drei bis vier Spritzgängen, jeweils mit dazwischen liegender Ablüftzeit, aufgetragen wurden, genügen für heutige VOC-Klarlacke 1,5 Spritzgänge ohne Ablüftzeit. Das größte Problem für den Anwender liegt also darin, die Spritztechnik so umzustellen, dass die empfohlene Trockenschichtstärke von 60 bis 70 µm nicht überschritten wird. Denn abgesehen von unnötig hohen Materialkosten gefährden zu hohe Schichtdicken auch die Qualität des Arbeitsergebnisses. Kocherbildung, Vermattung, Läufer, Speckkanten und nicht zuletzt schlechte Trocknung, sind die Folgen.
Genau nach Merkblatt
Grundsätzlich ist die Trocknung ein Punkt, der sich bei den VOC-Klarlacken kaum verändert hat. Allerdings sind die vom Hersteller empfohlenen Verarbeitungsparameter sorgfältiger einzuhalten, als viele Anwender es von den bisherigen Klarlacken gewohnt waren. Insgesamt weisen die VOC-Klarlacke geringe, aber unter Umständen entscheidende Unterschiede zu herkömmlichen MS- oder HS-Klarlacken auf – ein Grund, weshalb Nexa Autocolor das Seminar „VOC-konforme Klarlacksysteme – optimales Finish“ in diesem Jahr neu ins Programm aufgenommen hat. Wir sprachen mit Trainer Sascha Petschke über Inhalte des Seminars und Besonderheiten der HS+-Klarlacke.
Herr Petschke, mit drei VOC-konformen Klarlacken, drei Härtern und verschiedenen Verdünnern, von kurz bis lang, ist Ihr Klarlack-Sortiment zwar kompakt, trotzdem gibt es etliche Kombinationsmöglichkeiten. Wäre es nicht sinnvoll, diese Vielfalt etwas einzuschränken?
Grundsätzlich ist es unsere Intention, den Partnerbetrieben genau die Produkte anzubieten, die sie in ihrer täglichen Praxis benötigen. So wird die Vielfalt sogar noch größer, da Kunden häufig Kombinationen aus Klarlack, Härter und Verdünnung einsetzen, die wir ursprünglich zwar nicht vorgesehen haben, die aber im Ablauf dieses Betriebs durchaus Sinn haben können.
Woher kommt das?
Die Aufträge unterscheiden sich, und die Lackierer haben ihre individuellen Vorlieben. Fangen wir beim Lackierer an: Der eine arbeitet gerne mit einem möglichst schnellen Material, der andere fühlt sich mit etwas länger eingestelltem Material sicherer. Ähnliche Unterschiede gibt es bei den Aufträgen. Bei einer Ganzlackierung wähle ich üblicherweise eine längere Klarlack-Einstellung als bei einem Stoßfänger. Und während im einen Betrieb ein optimaler Lackstand verlangt ist, reicht es in einem anderen, die häufig eher mittelmäßige Qualität der Serienlackierung zu reproduzieren. Dazu kommen Unterschiede im Betriebsablauf…
Welche können das sein?
Ein einfaches Beispiel: Kürzlich wurden wir nach einem Klarlack gefragt, der bei Bedarf deutlich mehr als eine Stunde Trocknung bei 60 Grad verträgt. Erst habe ich mich gefragt, wozu das nötig sein soll, aber dann stellte sich heraus, dass der Betrieb einen großen Trockner mit Querverschub hatte, und erst, wenn aus der Kabine links ein neues Auto in den Trockner geschoben wurde, kam rechts ein fertig Getrocknetes zur Weiterbearbeitung heraus. Das Routing war dort ganz einfach so, und es hatte sich bewährt. Also haben wir die passende Klarlack-Kombination gesucht.
Die Vielfalt verwirrt also nicht?
Nein – solange es uns gelingt, das Zusammenwirken und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Komponenten transparent zu machen. Das ist ja auch eines der Ziele dieses Klarlack-Seminars.
Wo liegen weitere Schwerpunkte des Seminars? Wo können Probleme beim Umgang mit VOC-konformen Klarlacken entstehen?
Am Anfang neigen Verarbeiter oft dazu, zu hohe Schichten aufzutragen. Daher kommt es darauf an, die richtige Applikationstechnik anzuwenden und das Ergebnis auch zu kontrollieren. Ich würde deshalb jedem Betrieb raten, ein Schichtdickenmessgerät anzuschaffen. Wichtig ist es außerdem, gerade bei VOC-Klarlacken Trocknungszeiten und –temperaturen einzuhalten.
Welche Unterschiede gibt es da zu bisherigen HS-Klarlacken?
Das Verarbeitungsfenster ist nicht ganz so groß und manche Praktiken in den Betrieben müssen überdacht werden. Oft wird zum Beispiel der letzte Auftrag bei abgeschalteter Kabine über Nacht getrocknet. Vorgeschrieben sind aber 16 Stunden Trockenzeit bei 20 Grad Raumtemperatur. Im Sommer kann dieses Vorgehen also gerade noch funktionieren, aber im Winter stößt man an Grenzen.
Ebenso muss man im Trockner die Temperaturen und Zeiten überwachen. Wenn in den Produktdatenblättern „30 Minuten bei 60 Grad“ steht, dann bedeutet dies, dass der Klarlack 60 Grad haben muss. Diese Werte müssen mit Blick auf ein wirklich gutes Ergebnis eingehalten werden. Man sollte also regelmäßig die Objekttemperatur des Klarlackes mit einem Thermometer überprüfen. Nur sechs Grad weniger Objekttemperatur bei angegebenen 60 Grad bedeuten 10 Prozent weniger Wärme und eine erheblich längere Trockenzeit im Ofen.
Schulungsbedarf ist also im Bereich des Klarlacks durchaus vorhanden?
Der Lackiererberuf wird ständig komplexer, und es gibt keine anspruchslosen Produkte mehr; das gilt für das Schleifen genauso wie für das Auftragen von Klarlack. Tendenziell hat der Lackierer immer weniger Zeit, um immer hochwertigere, aber natürlich auch leistungsfähigere Produkte zu verarbeiten. Sich ständig weiterzubilden ist daher aus meiner Sicht ein absolutes Muss.
Vielen Dank für das Gespräch. MR

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