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freie Sachverständige in Zeiten des Schadenmanagements

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freie Sachverständige in Zeiten des Schadenmanagements

Die Reparaturbranche hat in den vergangenen fünfzehn Jahren einen enormen Wandel erfahren. Zu den meistdiskutierten Themen gehört zweifellos das Schadenmanagement und im Speziellen die Schadensteuerung, beides Themen, die signifikant die jeweiligen ökonomischen Interessen der am Reparatur- und Regulierungsprozess Beteiligten berühren. In dieser Gemengelage haben dann auch weitere, teils neue Player das Marktgeschehen mitgestaltet, man denke nur an die Assisteure oder auf der anderen Seite an den Bundesverband der Partnerwerkstätten. Einige Ideen, Konzepte wie auch Marktteilnehmer haben die Bühne des Schadenmanagement auch wieder verlassen oder verharren dort in einem Nischendasein. Ohne Zweifel ist aber Schadenmanagement – eine Begrifflichkeit übrigens, die, wie Elmar Fuchs anmerkt, noch gar nicht so klar definiert ist – heute eine Realität, die ihre Spuren im Markt hinterlassen hat.
Was aber hat sich bei den Sachverständigen, neben Versicherern und Werkstätten einer weiteren maßgeblichen Konstanten im Schadenprozess, getan? Wie hat sich deren Rolle in den vergangen Jahren verändert? Hatte nicht so mancher bereits einen massiven Bedeutungsverlust der Institution Sachverständiger in Zeiten von Schadensteuerung und Kostenreduktion durch Prozessoptimierung prophezeit?
Neutrale Instanz gefragt
Beinahe unisono fällt die Antwort der interviewten Branchenkenner aus: Die Bedeutung der Sachverständigen ist keineswegs geringer geworden, auch wenn in einigen Punkten ein den Entwicklungen im Markt geschuldeter Wandel seiner Rolle zu beobachten ist. Gerade heute bewerten die Interviewten die Grundfunktion des Sachverständigen als neutrale Instanz für alle am Schadenmanagement Beteiligten als besonders wichtig. Denn nur die Kernkompetenz dieses Berufsstandes, nämlich die objektive Beurteilung eines Schadensachverhaltes, garantiert den Betroffenen und den Akteuren im Schadenmanagement – vom Pkw-Halter über die Werkstatt bis hin zum Versicherer – eine faire Schadenabwicklung. So könne dann auch im Umkehrschluss die Kürzung der Sachverständigen-Rechnungssätze zu Qualitätsmängeln führen, wenn damit eine fachgerechte Instandsetzung nicht mehr gewährleistet sei. Das könnte in letzter Konsequenz auch die Hersteller auf den Plan rufen, in deren Interesse eine solche Entwicklung auch nicht sein kann. Aus Werkstattsicht bestätigt auch Kay Dähn, dass wirtschaftlicher Druck durch Vorgaben im Gutachtenbereich niemanden nutzen würde, da hierdurch letztlich Qualität und Glaubwürdigkeit leiden würden.
Überschaubarer Rückgang
Betrachtet man nun die Folgen, die Schadenmanagement und -steuerung im Segment der Sachverständigen tatsächlich hinterlassen haben, dann kann man einen überschaubaren Rückgang der Versicherungsschäden beobachten, bei denen der freie Sachverständige hinzugezogen wird. Heute sind die Versicherer wesentlich näher am Schaden, und vor allem Kleinstschäden werden zunehmend ohne den Einbezug eines Sachverständigen reguliert. Hier wird für die freien Sachverständigen eine Kompensation des entgangenen Schadenvolumens durch den Aufbau weiterer Gutachtenbereiche wie auch zusätzlicher Dienstleistungen, zum Beispiel HU, notwendig. Im Bereich der Versicherungs-Sachverständigen wird ein Trend weg vom Erstgutachten hin zu mehr Parallelbesichtigung und Qualitätskontrolle sichtbar. Vor allem aber, das bestätigen alle Gesprächspartner, hat sich der Weg der Schadenkommunikation geändert. Unterstützt durch Büroverwaltungssoftware und Managementsysteme lässt sich heute wesentlich schneller, transparenter und strukturierter regulieren.
Einfachstes Beispiel hierfür: das online übermittelte digitale Foto, das an die Stelle des per Brief versandten Polaroids getreten ist. Dennoch muss noch einige Arbeit geleistet werden, um die Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen und Netzen durch den Austausch strukturierter Daten für alle Seiten zu optimieren. Auch die Benutzerfreundlichkeit und damit der Prozessnutzen lassen sich noch enorm verbessern, wenn die Anbieter der EDV-Systeme das Feedback der Anwender zukünftig noch frühzeitiger in die Produkt-Entwicklung miteinbeziehen. Dass dies natürlich nicht ohne ein entsprechendes Engagement der Anwender selbst wiederum in Gremien und Verbänden funktionieren kann, liegt auf der Hand.
Steigende Anforderungen
Ein weiteres wesentliches Merkmal des Wandels der vergangenen Jahre sind die stetig steigenden Anforderungen an den Sachverständigen, egal ob es um technische, administrative, methodische oder rechtliche Fragen geht. Alleine der technische Fortschritt in Gestalt von hochfesten Stählen, auf dem Gebiet der Mechatronik, im Bereich der Beschichtungen oder der Assistenzsysteme sorgt dafür, dass die Erstellung eines Gutachtens eine immer komplexere Aufgabe wird. Hinzu kommen in ihrer Bedeutung wachsende Arbeitsbereiche wie Unfallrekonstruktion, Gutachten für Spezialfahrzeuge oder die Unfallanalytik, die zwangsläufig eine sehr hohe Fachkompetenz und in der Folge mehr Spezialisierung von den Sachverständigen fordern. In diesem Wandel aber, da sind sich Gerd Vogel und Roland Wolf einig, liegt auch die große Chance für den freien Sachverständigen, sich auch in den neuen Gutachtenbereichen mit erweitertem Leistungsspektrum immer wieder als die objektive Instanz mit dem notwendigen Know-how im Schadengeschäft zu positionieren. Dass dabei eine Bereinigung im Markt der Gutachter hin zu mehr Qualität und Qualifikation stattfinden wird, das erwartet Helmut Hermanns. Denn bis heute gibt es kein geschütztes Berufsbild des Sachverständigen – was alle Interviewpartner als Makel für den Berufsstand des Sachverständigen betrachten.
Dass Angebote von Dienstleistern im Regulierungsgeschäft, die explizit den Sachverständigen ausklammern, eine Zukunft haben, wagt Elmar Fuchs ob der vielen noch zu klärenden rechtlichen Fragen, aber auch wegen der für sein Dafürhalten eher einseitigen Interessenlage, zu bezweifeln. Bleibt als Fazit, dass Schadenmanagement und Schadenregulierung eine von mehreren Entwicklungen am Markt darstellen, die mehr Komplexität mit sich bringen und den Aufwand für ein Gutachten steigen lassen. Daraus resultiert ein „organischer“ Wandel der Rolle des Sachverständigen hin zu noch mehr Qualifikation und Spezialisierung. Seine Grundtätigkeit aber als neutraler und objektiver Mittler zwischen allen an der fairen Unfallregulierung Beteiligten, steht immer im Vordergrund und wird dies auch in Zukunft tun.
Partner im Schadenprozess
Für Kay Dähn hat sich die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Sachverständigen durch das Schadenmanagement kaum geändert. Dies gelte vor allem im Verhältnis zu den großen Büros und den Versicherungssachverständigen. „Wichtig ist direkte Kommunikation, ein partnerschaftliches Verhältnis und vor allem gute und korrekte Arbeit auf beiden Seiten“, erläutert Dähn. „Und sollte es einmal strittige Punkte geben, egal aus welchen Gründen, dann werden diese in der Regel konstruktiv ausgeräumt.“ Größere Defizite aber sieht er noch bei der technischen Kommunikation zwischen dem Kalkulations- bzw. Managementsystem der Werkstatt und der Büroverwaltungssoftware der Sachverständigen.
Austausch ermöglichen
Kay Dähn: „Das liegt aber nicht nur daran, dass bislang nur wenige Anbieter den strukturierten Austausch von Daten zwischen den Systemen ermöglichen. Vielen Sachverständigen wie auch Werkstattinhabern ist gar nicht bewusst, welche Prozessvorteile gerade dieser Austausch bringen würde.“ So seien die nicht unerheblichen Transaktionskosten angesichts des Nutzens der Kommunikation für alle Seiten gerechtfertigt.
In den Fällen, in denen der elektronische Kommunikationsweg zwischen Sachverständigem und Werkstatt genutzt werde, würden doppelte Eingabearbeit auf beiden Seiten und damit Fehler vermieden. Dies, wie auch die daraus resultierende Ersparnis von zeitraubenden und oft kostenintensiven Auseinandersetzungen, sollte den Versicherungen, so der Hamburger Werkstattinhaber, eine Würdigung in Form eines angemessenen Entgelts für die Verwaltungskosten wert sein.
Ganz ähnlich analysiert Roland Wolf die Zusammenarbeit mit den Werkstätten. „Während in der direkten Kommunikation der Sachverständige als neutraler Partner fungiert, ist man im Bereich der technischen Kommunikation noch lange nicht so weit, die längst erkannten Potenziale zur Prozessoptimierung, also der Win-Win-Situation für beide Seiten auszuschöpfen.“ Zum einen gelte es hier das Bewusstsein bei den Anwendern für die vielfältigen Vorteile des Austausches zwischen Dealer Manegement-Systemen und den unterschiedlichen Bürolösungen zu wecken.
Eindeutig kommunizieren
Roland Wolf: „je eindeutiger die technische Kommunikation ausfällt, desto geringer ist der Aufwand für Nacharbeiten und umso größer der Nutzen. In erster Linie sind aber die Anbieter von Werkstattsystemen, Dealer-Management Software- und SV-Bürolösungen gefordert, in ihren Programmen erst einmal die Schnittstellen zu schaffen, die den Austausch strukturierter Daten zwischen Werkstattbetrieben und Sachverständigen auf benutzerfreundlichem Wege möglich machen. Hier könnten alle Beteiligte von einer technischen Lösung profitieren, die eine Zusammenarbeit, die ohnehin stattfindet, weitgehend optimiert.“ Um diese Entwicklung positiv für die Anwender mitgestalten zu können, engagiert sich Roland Wolf intensiv in den Gremien der Softwareanbieter und leistet zudem Überzeugungsarbeit bei Kollegen und Werkstätten.
Auch Elmar Fuchs plädiert für einen wesentlich stärkeren Einbezug des Sachverständigen in den elektronischen Übertragungsprozess – mit all den bereits genannten Vorteilen. Darüber hinaus könne er sich einen intensiveren Austausch zwischen Werkstätten und Sachverständigen zu Themen wie „neue Reparaturmethoden“ vorstellen.
Keine gravierende Änderung
Nach Dafürhalten von Helmut Hermanns wird die Kommunikation miteinander in der Zusammenarbeit von Sachverständigen und Werkstätten immer eine große Rolle spielen. Der Prozessvorteil, den elektronische Kommunikationswege ermöglichen, darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben.
Für Gerd Vogel schließlich lässt sich neben den bereits genannten Punkten die Zusammenarbeit mit den Werkstätten noch weiter ausbauen, sei es durch weitere Dienstleistungen oder gar durch ganze Dienstleistungspakete aus einer Hand, die dann beispielsweise der BVSK als Mittler an die Werkstätten herantragen könnte.
Auch hier bleibt als Fazit festzuhalten, dass keiner der Interviewten eine gravierende Änderung in der Zusammenarbeit zwischen Werkstattbetrieb und Sachverständigen als Resultat von Schadenmanagement oder Schadensteuerung sieht. Die elektronischen Wege, die im Rahmen der Schadenkommunikation geschaffen oder ausgebaut wurden, bieten allerdings Werkstätten und Sachverständigen Prozessvorteile, die weiter ausgebaut und intensiver genutzt werden sollten. Geschieht dies, dann hat das Schadenmanagement unbeabsichtigt eine Chance zu einer für beide Seiten effizienteren und eindeutigeren Zusammenarbeit eröffnet.
 
Stefan Endres

Wandel: ja – überflüssig: Nein!
Die Entwicklungen der letzten 15 Jahre sind nicht spurlos an der Kfz-Branche vorbeigegangen. Vor allem in den Zeiten von Schadenmanagement und Schadensteuerung war der Zunft der freien Sachverständigen schon einige Male das nahe Ende prophezeit worden. Warum dem nicht so ist und wie sich die Rolle der Sachverständigen in den vergangenen Jahren gewandelt hat, aber auch, wie die Kommunikation zwischen Werkstatt und Sachverständigen beide Seiten voran bringen kann, erläutern fünf Brancheninsider. Basis des Artikels bilden fünf Interviews mit Kay Dähn, Elmar Fuchs, Helmut Hermanns, Gerd Vogel und Roland Wolf.
Elmar Fuchs der Potsdamer Rechtsanwalt ist in der Branche wahrlich kein Unbekannter. Denn unter anderem als Geschäftsführer des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kfz-Wesen e.V. – BVSK, als Geschäftsführer der autorechtaktuell.de GmbH & Co. KG oder als Vorstand der accidens AG ist der Branchenintimus einer der engagiertesten Verfechter des Schutzes der Unabhängigkeit des freien Sachverständigen sowie eines fairen Marktgeschehens.
Gerd Vogel ist Geschäftsführer des Sachverständigenbüros Lütz in Köln. Daneben fungiert er als geschäftsführender Gesellschafter der Arges GmbH, einem Zusammenschluss von aktuell 65 Sachverständigenbüros. In dieser Funktion engagiert er sich als Ideen- und Impulsgeber sowie als Vertreter der Anwenderinteressen in der Kommunikation mit den Anbietern von Büroverwaltungs- und Kommunikationsprogrammen wie Audatex oder der DAT.
Roland Wolf ist zusammen mit Simon Schorer geschäftsführender Gesellschafter des Kfz-Sachverständigenbüros Schorer + Wolf in Kempten/Allgäu. Ihm liegt als Aktiver im Technischen Beirat der Arges GmbH besonders daran, den Anbietern von Managementsystemen ein Feedback aus dem Markt in Form eines konstruktiven Inputs und neuer Ideen weiterzugeben, um die möglichen Prozessvorteile für alle am Schadenprozess Beteiligten herauszuarbeiten, zeitnah umzusetzen und zu kommunizieren.
Helmut Hermanns ist Leiter KFZ-SV- Wesen und Chefsachverständiger der DEVK Versicherungen. Er begleitet die Branche bereits seit über 20 Jahren und kennt sein Arbeitsfeld von der Pike auf.
Kay Dähn ist Inhaber des renommierten Autolackier- und Karosseriefachbetriebs Herbert Dähn GmbH in Hamburg. Über lange Jahre hinweg fungierte er unter anderem als Fachgruppenleiter in der Maler- und Lackierer- Innung Hamburg, als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Fahrzeuglackierung und als Vorstandsmitglied der Bundesfachgruppe der Fahrzeuglackierer (BFL) im Ressort Technik für die Ausrichtung und Weiterentwicklung des Fahrzeuglackierer-Handwerks. Aktuell vertritt er die Interessen der Anwender des Managementsystem C@risma im entsprechenden Audatex-Produktausschuss.

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Der Autor, Stefan Endres, ist mittlerweile seit mehr als 20 Jahren in der Branche aktiv. Nach fast 20 Jahren bei der Universal Consulting Software, der Universal Consulting Communication und zuletzt der Audatex Deutschland in verschiedenen, meist leitenden Positionen im Bereich Marketing/Kommunikation und Unternehmensentwicklung, ist er als Inhaber von zoom-e, einer Agentur für Unternehmenskommunikation & Mediendesign, mit der er Full-Service- Leistungen aus den Bereichen Marketing-Kommunikation, Werbung, Veranstaltung und Schulung im Markt platziert, gleichwohl Dienstleister als auch aufmerksamer Marktbeobachter.

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