Wir werfen mit ZKF-Präsident Peter Börner einen Blick auf die Lage der Branche
Michael Rehm
Herr Börner, vor etwa 25 Jahren haben sich in Deutschland erste zarte Ansätze der Schadensteuerung entwickelt. Heute wird geschätzt, dass 20 Prozent aller Reparaturen gesteuert werden – Tendenz steigend. Wie würden Sie denn rückblickend die Schadensteuerung bewerten: Überwiegen für die Karosserie- und Lackierbetriebe die Vor- oder die Nachteile?
Das ist sehr schwer zu beantworten. Aber vielleicht ist es hilfreich zu fragen: Wo wären wir ohne Schadensteuerung? Wahrscheinlich würden wir zum Großteil für Autohäuser arbeiten und wären in einer ganz ähnlichen Situation wie heute: Zwei, drei große Auftraggeber mit entsprechendem Auftragspotenzial bestimmen die Konditionen. Allerdings: Wir würden nur sehr selten die Endkunden zu Gesicht bekommen – ganz anders als heute. Das kann man schon als Vorteil sehen. Ob mit der Schadensteuerung letztlich Geld verdient ist, muss jeder für sich entscheiden, dafür sind wir ja selbstständige Unternehmer.
Welchen Einfluss hat die Schadensteuerung auf die Verbandsarbeit? Eine gewisse Spaltung der Betriebe ist doch schwer von der Hand zu weisen.
Verbandsarbeit besteht unter anderem darin, in Arbeitsgremien gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern Zugeständnisse zu bewirken oder Abläufe zu definieren – nehmen wir zum Beispiel das Thema Beilackieren. Da kann es sein, dass wir eine Übereinkunft in der Branche erzielen, die aber für einen Teil der Mitgliedsbetriebe, nämlich für diejenigen, die in der Schadensteuerung engagiert sind, schwer umzusetzen ist, da dieses Thema zwischen Schadenlenker und Werkstatt anders geregelt ist. Eigentlich ist das unschön. Wir kämpfen für Standards im Markt und dann kommt ein Schadenlenker mit Umsatzversprechen und untergräbt dies. Aber auch hier ist es letztlich Sache des Unternehmers, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Und nicht zuletzt gibt es als korrigierende oder ausgleichende Instanz für den gesteuerten Markt den Bundesverband der Partnerwerkstätten, der sich ja aus den Reihen des ZKF gegründet hat, und über dessen Existenz wir nicht nur im Zusammengang der Klärung solcher Themen sehr froh sind.
Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Lösung des „Signalisationsstreits“?
Es ist gut, dass erst einmal Druck aus dem Kessel genommen wurde. Ich bin aber davon überzeugt, dass Versicherer künftig dem Endkunden gegenüber stärker als Marke in Erscheinung treten werden – auch im Reparaturprozess, das ist Teil eines künftigen Geschäftsmodells. Irgendeine Art der Signalisation wird es also geben. Ob dies dann über Fahnen, Stelen oder Schilder geschieht oder unter voller Farbeinkleidung, bleibt abzuwarten. Ein zunehmender Teil der Kunden sieht die Werkstatt ja gar nicht, sondern nimmt den Hol- und Bringdienst in Anspruch. Markenbildung könnte in einigen Jahren also auch über eine Reparatur- oder Service-App erfolgen.
Würden Sie Markenbildung auch als Verbandsaufgabe sehen?
Wir haben mit Eurogarant eine sehr starke Marke, und wenn Interesse an einer stärkeren Eurogarant-„Signalisation“ besteht, rennt man bei mir offene Türen ein. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass im Handwerk immer noch der Inhabername die beste Marke ist und einen höheren Stellenwert hat als jedes übergreifende Logo.
Das ist ja beinahe schon die Antwort auf die nächste Frage – werden es wie in manchen Nachbarländern Werkstattketten im K + L-Bereich schaffen, sich auf dem deutschen Markt zu etablieren?
Ich sehe das nicht – der deutsche Reparaturmarkt ist klassisch handwerklich geprägt – die Betriebsstätte im Eigentum, das Grundstück auf den Inhaber eingetragen. Franchisekonzepte passen da nicht – abgesehen davon, dass der Name des Inhabers, wie gesagt, die beste Marke ist. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die bestehenden Konzepte Vorteile für die Inhaber bieten, eher geht es darum, dass Dritte irgendwie am Prozess noch mitverdienen. Aber auch hier gilt: Unsere Mitglieder sind freie Unternehmer und alt sowie schlau genug, hier die richtige Wahl zu treffen. Es ist Verbandsaufgabe, die Auswirkungen zu analysieren, zu beschreiben und die Mitglieder aufzuklären.
Worin sehen Sie die wichtigsten Aufgaben für die kommenden Jahre?
Die Kernaufgaben haben wir in unserer Agenda 2020 definiert und sind da auch auf gutem Wege. Zu den wichtigsten gehört die Versorgung unserer Mitglieder mit allen für die Reparatur notwendigen Daten und Informationen. Euro DFT und repair-pedia sind in diesem Zusammenhang zwei Projekte, die uns wirklich weiterbringen und zukunftsfähig machen. Ein anderes wichtiges Aufgabengebiet bleibt die Gewinnung von Nachwuchs für die Branche. Hier unterschätzen aus meiner Sicht immer noch viele Betriebsinhaber die Dramatik. Wenn heute eine Stelle ausgeschrieben wird, ist der Stapel an Bewerbungen meist klein und die Bewerber sind von sehr unterschiedlicher Qualität – dass sich aber irgendwann gar kein qualifizierter Kandidat mehr meldet, will noch niemand glauben. Hier müssen wir vorbeugen. Wir werden künftig noch viel stärker auf Ausbildungsbörsen und ähnlichen Veranstaltungen sein. Da müssen Profis ran, und vor allem junge Leute, Auszubildende, die mit ihren eigenen Worten und auf ihren „Kanälen“ den Beruf vermitteln.
Wie würden Sie angesichts dieser, aber auch anderer Herausforderungen, vor denen die Branche steht, die Zukunftsaussichten beurteilen?
Auch wenn Themen wie E-Mobilität, automatisiertes Fahren, Carsharing und so weiter uns in vielen Bereichen zum Umdenken zwingen, ist mir um die Zukunft des Fahrzeug- und Karosseriebauhandwerks nicht bange. Kürzlich hat die Berliner Karosseriebauer-Innung 475-jähriges Jubiläum gefeiert. Damals wurden Kutschen gefertigt und repariert, heute modernste Pkw und Lkw. Wir im Handwerk sind sowas von flexibel, dass wir uns dem Markt viel besser als viele andere anpassen können. Meine Prognose lautet also: Natürlich werden wir in 20 Jahren weniger sein als heute, aber wir werden immer noch Fahrzeuge bauen und reparieren.
Herr Börner, vielen Dank für das Gespräch.
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