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Managen, nicht steuern

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Managen, nicht steuern

Christoph Flückiger interpretiert Schadenmanagement auf seine Art

Michael Rehm

Es ist ein bisschen wie beim Hasen und beim Igel: Ob man im Internet nun die Adresse „Blechschaden.ch“, „Hagelschaden.ch“ oder „Glasschaden.ch“ anwählt – Flückiger ist schon da; jedes Mal landet man auf der Website des Lackier- und Karosseriebetriebs im schweizerischen Oftringen. Die Bedeutung des Internets hat Firmenchef Christoph Flückiger sehr früh erkannt und sich vor Jahren schon zahlreiche Domains rund um sein Geschäft, die Fahrzeuginstandsetzung, gesichert. Dass man allerdings auch zur Firma Flückiger gelangt, wenn man „Schadenmanagement.ch“ in den Rechner eingibt, erstaunt ein wenig, denn Christoph Flückiger hat sich wie kaum ein anderer in der Schweiz als überzeugter Gegner der Unfallsteuerung positioniert. Ein Widerspruch also? Nicht, wenn man die Begriffe sauber definiert. „Es besteht ein riesengroßer Unterschied zwischen Schadenmanagement und Schadensteuerung“, erklärt Flückiger. „Den Unfallschaden perfekt managen, das müssen wir alle. Etwas ganz anderes ist die von immer mehr Versicherungen praktizierte Schadensteuerung. Ihr einziger Zweck ist die Schadenminimierung, genauer gesagt die Minimierung der Kosten. Und daran beteiligen wir uns nicht.“
Als Marke profilieren
Die Entscheidung fiel vor rund 15 Jahren. Damals bezog die Firma Flückiger noch einen beträchtlichen Teil ihrer Aufträge von Autohäusern, Garagen, wie man in der Schweiz sagt. „Unter den Garagen setzte damals eine sehr starke Konzentration ein“, berichtet Christoph Flückiger. „Manche Auftraggeber verschwanden vom Markt, andere gaben die Karosserie- und Lackierarbeiten in neu geschaffene Lackiercenter ab.“ Für Flückiger hieß das, sich neu zu orientieren. „Wir mussten den Rückgang des Umsatzes mit den Garagen kompensieren und entschieden uns dafür, vorrangig auf die Privatkunden zu setzen und uns dazu noch stärker als die Unfallschaden-Marke in der Region zu profilieren.“ An der Schadensteuerung teilzunehmen und Partnerwerkstatt der entsprechenden Versicherungen zu werden, kam für Flückiger, obwohl Angebote vorlagen, nicht in Frage. „Konsequent auf Privatkundschaft zu setzen, für ihre Interessen einzutreten und gleichzeitig Partnerbetrieb von steuernden Versicherungen zu sein, schließt sich aus meiner Sicht aus“, ist Christoph Flückiger auch heute noch überzeugt, „der Interessenkonflikt liegt dabei ja auf der Hand.“
Um die Privatkunden wirksam anzusprechen, setzte Christoph Flückiger von Anfang an auf ein breites Spektrum von Marketingmaßnahmen. „Auch in der Schweiz ist es nämlich so, dass insbesondere Besitzer junger Fahrzeuge bei Unfallschäden zunächst den Weg zum Autohaus suchen“, erklärt der Firmenchef. „Sich als freie Karosserie- und Lackierwerkstatt auf das Segment der älteren Fahrzeuge zu konzentrieren, wäre aber keine Lösung, denn eine vernünftige Wertschöpfung erziele ich nur mit der Reparatur junger und hochwertiger Fahrzeuge. Um mit der Marketingpower der Herstellerbetriebe konkurrieren zu können, schalten wir daher neben Anzeigen in lokalen Zeitungen regelmäßig Spots im Lokalfernsehen und im Lokalradio.“ Jeder Kunde erhält darüber hinaus zweimal im Jahr den Flückiger-Info-Flyer mit Nachrichten rund um das Reparaturgeschehen und die Firma. Ein relativ neues Kundenbindungs-Instrument ist eine exklusiv für Flückiger entwickelte App, die neben praktischen Hilfen im Fall eines Unfalls auch nützliche Features wie eine GPS-gestützte Parkplatzsuche enthält. „Basis für alles ist aber neben einer tadellosen Qualität der Arbeit, dass wir unseren Privat- wie auch den verbliebenen Autohauskunden das Gefühl geben, komplett für sie da zu sein und ihren Schaden professionell zu managen“, betont Christoph Flückiger.
Ausbildung und Auditierung
Womit wir wieder beim Thema Schadenmanagement wären. Der Begriff spielt eine zentrale Rolle nicht nur bei Flückiger, sondern bei 15 weiteren freien Karosserie- und Lackierbetrieben, die unter dem Titel „Swissgarant“ auf unterschiedlichen Gebieten kooperieren. Neben gemeinsamen Marketingaktivitäten wurde eine Auditierung durch eine externe Prüfungsgesellschaft ins Leben gerufen.
Darüber hinaus gibt es im Bereich der Aus- und Weiterbildung zahlreiche gemeinsame Aktivitäten, unter denen ein Lehrgang zum „zertifizierten Schadenmanager“ eine ganz zentrale Rolle spielt. „Jeder Swissgarant-Betrieb verfügt über mindestens einen Mitarbeiter mit dieser Qualifikation“, erklärt Christoph Flückiger. Die Ausbildung umfasst alle Themen, die mit der Abwicklung eines Unfallschadens zu tun haben – vom ersten Telefonkontakt mit den Kunden bis zum Zahlungseingang.
Im Fokus steht die Kommunikation mit Versicherungen und die Auseinandersetzung mit deren Produkten. „Da werden die AGB unterschiedlicher Versicherer verglichen, es wird untersucht, welche Ansprüche des Kunden berechtigt sind, und wie man sie durchsetzt“, erklärt Flückiger. „Wie argumentiere ich zum Beispiel gegenüber der Versicherung, wenn trotz so genanntem wirtschaftlichem Totalschaden eine Reparatur die bessere Lösung ist? Wir haben auch schon Lehrgänge mit Unfallforensikern durchgeführt, bei denen Parkschäden und andere kleine Crashs nachgestellt wurden, einfach, um Unfallschäden noch sicherer beurteilen und Reparaturmaßnahmen gegenüber Versicherungen besser begründen zu können.“
Die Versicherungen sehen das durchaus mit Wohlwollen – nicht alle zwar, aber doch die allermeisten. „Wir haben zu vielen Versicherungen ein gutes Verhältnis“, beschreibt Christoph Flückiger die Situation. „Die wissen, wir gehen, wenn wir eine Reparaturmaßnahme für begründet halten, keinem Konflikt aus dem Weg. Sie wissen aber auch, dass wir korrekt sind und im Namen der Kunden keine unbegründeten Ansprüche stellen. Versicherungen, die nicht steuern, schätzen das und Versicherungen, die steuern, respektieren uns – das Wichtigste ist aber, dass unsere Kunden uns vertrauen und überzeugt sind, dass wir alles für sie tun.“

„Der Schweizer lässt sich nicht so gerne steuern“

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Christoph Flückiger ist Eidg. dipl. Carrossiemeister, Kaufmann und Geschäftsführer der Flückiger AG im schweizerischen Oftringen. Die Schadensteuerung begegnet ihm nicht nur in seiner täglichen Praxis – mit der Entwicklung der Schadensteuerung insbesondere in der Schweiz, aber auch in anderen europäischen Märkten, beschäftigte er sich auch im Rahmen einer Studie (http://www.autoconsulting.ch/files/2014-Factsheet-Schadensteuerung-Web.pdf intensiv, er trug seine Erkenntnisse zuletzt auf dem Schweizer Branchenevent „Carrosserie.ch“ vor.
Herr Flückiger, Schadensteuerung ist in unterschiedlichen Märkten unterschiedlich ausgeprägt. Würden Sie zum Beispiel sagen, dass in Deutschland eine Entwicklung eingetreten ist, die der Schweiz noch bevorsteht?
Die Grundvoraussetzungen sind eigentlich vergleichbar. Schadensteuerung gibt es in der Schweiz mindestens so lange wie in Deutschland, und sie hat sich heute etabliert. Auch in der Schweiz gibt es das ganze Spektrum an Steuerungswerkzeugen – von finanziellen Anreizen oder Boni wie dem kostenlosen Ersatzwagen bis hin zur klaren Weisungsbefugnis des Versicherers. Das gesteuerte Volumen und auch die Zugeständnisse, die Werkstätten an steuernde Versicherungen machen, sind in der Schweiz allerdings – noch – geringer.
Worauf führen Sie das zurück?
Da gibt es mehrere Ursachen. Zum einen haben einige Versicherungen, die in Deutschland sehr stark steuern, in der Schweiz einen geringen Marktanteil, zum anderen geht es den Versicherungen in der Schweiz dank deutlich höherer Kfz-Versicherungsprämien besser. Die so genannte „combined ratio“ in der Kfz-Versicherung, vereinfacht ausgedrückt, das Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen, liegt in der Schweiz im Durchschnitt bei etwas über 90, in Deutschland in der Regel über dem Schwellenwert 100. Im Kerngeschäft wird also in der Schweiz ganz gut verdient, in Deutschland dagegen Verlust gemacht.
Wer der Schadensteuerung kritisch gegenübersteht, braucht sich also in der Schweiz keine Sorgen zu machen?
Eben nicht; wir leben ja auf keiner Insel, auch unsere Versicherer sind Global Players, und wenn ein Konzept wie die Schadensteuerung in anderen Märkten – scheinbar – funktioniert, dann versucht man es zu übertragen, in dem Fall nicht, um überhaupt schwarze Zahlen zu schreiben, sondern eben, um den Gewinn zu optimieren. Wenn man die Entwicklung des Konzepts „Schadensteuerung“ über die Grenzen hinweg nachverfolgt, dann zeigt sich sehr stark ein klassisches globalisiertes Konzerndenken – als Handwerker kann ich da, das ist meine feste Überzeugung, langfristig nur den Kürzeren ziehen.
Sie sagten, Schadensteuerung funktioniere „scheinbar“ – immerhin verbessert sie offenbar die Ertragssituation der Versicherer.
Wir haben das sehr intensiv untersucht, und die Zahlen sprechen eine andere Sprache. So hat sich, erstens, die „combined ratio“ der Versicherer in Märkten wie England und mittlerweile auch Deutschland, wo intensiv gesteuert wird, nicht nachhaltig verbessert. Wenn ich, zweitens, die „combined ratio“ von Schweizer Versicherern, die steuern, mit derjenigen von Versicherern vergleiche, die nicht steuern, dann schneiden Letztere sogar etwas besser ab. Drittens: Wenn ich die Entwicklung der Marktanteile verschiedener großer Versicherer betrachte, fällt auf, dass diejenigen, die steuern, leicht verloren haben, während Gesellschaften, die nicht steuern, ihren Anteil vergrößert haben. Der Kunde, zumindest der Schweizer, lässt sich offenbar nicht so gern steuern, oder, anders formuliert, gewachsene Bindungen zur Werkstatt sind immer noch von großer Bedeutung.
Ihre Strategie liegt deshalb darin, sich vorrangig auf Privatkundschaft zu konzentrieren.
Ja, wobei der Begriff etwas irreführend ist. Ich möchte nicht in erster Linie den Kunden, der einen Schaden aus eigener „privater“ Tasche bezahlt, sondern den Kunden, der einen Versicherungsschaden hat und zu uns kommt. Für uns lautet die Frage daher nicht: Was können wir tun, damit eine Versicherung uns Kunden schickt und diese nachher zufrieden sind, sondern: Wie erreichen wir es, dass die Kunden zu uns wollen? Nicht zum Autohaus und nicht dahin, wohin sie die Versicherung schickt, sondern zuallererst zu uns.
Und wie lautet Ihre Antwort?
Durch perfekte Arbeit, perfektes Management des Schadens und ein, ich würde sagen, kritisch-konstruktives Verhältnis zur Versicherung.
Was verstehen Sie darunter?
Wir tun alles dafür, um alle berechtigten Ansprüche des Kunden bei der Versicherung durchzusetzen. Dazu kommunizieren und kooperieren wir offen und effizient mit allen Versicherungen. Wenn allerdings ein berechtigter Anspruch eines Kunden von der Versicherung zurückgewiesen wird, zum Beispiel eine von uns als richtig erachtete Reparaturmaßnahme gestrichen wird, sind wir nicht kompromissbereit, sondern setzen uns für den Kunden ein, alleine oder gemeinsam mit Anwälten oder Gutachtern. Wenn ich als so genanner Partnerbetrieb von Versicherungen in der Schadensteuerung aktiv bin, sind mir da die Hände gebunden.
Herr Flückiger, vielen Dank für das Gespräch.

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