Handwerksbetriebe haben im Kampf um gute Mitarbeiter in der Regel auf dem Arbeitsmarkt nicht die besten Karten. Wie der Name sagt, hat „Handwerk“ viel mit der Hand und mit körperlich manchmal schwerer Arbeit zu tun. Dazu können für mögliche Interessenten unattraktive Arbeitsmethoden und -bedingungen wie zum Beispiel der Umgang mit Lösungsmitteln und anderen Gefahrstoffen kommen. Auch an den Arbeitsplätzen lässt sich eine Konfrontation mit Staub, Schmutz, Lärm, Kälte oder Hitze nicht immer vermeiden. In einer Vielzahl von Beratungsgesprächen vor Ort in den Betrieben werden die Acoat Selcted-Betriebsberater ebenso wie der Vertriebsaußendienst immer wieder mit ähnlichen Problemen konfrontiert:
- Generell schwierige Mitarbeitergewinnung,
- Personalengpässe durch Urlaub in Spitzenzeiten oder in den kalten Jahreszeiten,
- mangelnde Mitarbeitermotivation durch ungenügendes Führungsverhalten der Betriebsinhaber,
- hoher, langanhaltender Krankenstand von Mitarbeitern in der Werkstatt, z.B. Rückenprobleme, Bandscheibenvorfälle und Ähnliches.
- Nicht genehmigte Urlaubszeiten der Mitarbeiter werden oft durch Krankmeldungen unterlaufen, dadurch entsteht Stress in den Prozessen und bei der Fertigstellung von Fahrzeugen.
Aber nicht nur die produktiven Mitarbeiter können durch gesundheitliche Probleme heftige Störungen im Ablauf verursachen. Gerade Mitarbeiter in verantwortungsvollen Schlüsselpositionen wie Annahmemeister, Betriebsleiter oder Teamleiter sind, wie sich in vielen Beratungsgesprächen zeigt, immer mehr von Erschöpfungssymptomen gekennzeichnet, sodass auch psychische Erkrankungen wie Burnouts oder Depressionen drohen. Fällt allerdings der Hauptlackierer oder der Annahmemeister aufgrund einer psychischen Erkrankung aus, kann die Krankschreibungsdauer durchaus ein halbes bis eineinhalb Jahre betragen – für den Reparaturbetrieb eine Katastrophe.
Pilotprojekt gestartet
Aufgrund der Vielzahl an beobachteten und berichteten Fällen war für die Acoat Selected-Betriebsberater klar, dass Handlungsbedarf bestand. Es wurde ein Pilotprojekt zum Thema Gesundheitsmanagement gestartet, bei dem sich der Erfurter Karosserie- und Lackierbetrieb „Kalas“ als Pilotpartner zur Verfügung stellte. Betriebsleiter Lutz Albin hatte genau mit den oben genannten Problemen zu kämpfen und wollte unbedingt gemeinsam mit der Akzo-
Nobel-Betriebsberatung eine nachhaltige Lösung entwickeln. Ein erstes Informationsgespräch mit Experten fand im Rahmen eines Workshops 2015 statt. Das Team bestand aus:
- Guido Kunze, Extremsportler, Sport-trainer und Bewegungsexperte,
- Nico Schmidt, Physiotherapeut für ganzheitliche Bewegungskonzepte,
- Dieter Seegy, Sikkens Außendienst
- H.-Christoph Schietzelt, Personal- und Business Coach, Betriebsberater AkzoNobel,
- Lutz Albin, Betriebsleiter Fa. Kalas.
Im ersten Schritt wurde der Ist-Zustand analysiert. Welche Probleme haben die Mitarbeiter bei der Ausführung der Tätigkeiten? Warum und wobei entstehen in der Firma Kalas die meisten Konflikte und Störungen in den Betriebsabläufen? Wie steht es um die Mitarbeitermotivation? Welche Ursachen liegen Krankschreibung von Mitarbeitern zugrunde? Was sind Bagatellursachen und wo liegen chronisch-schwierige Krankheitsfälle vor? Und vor allem: Was kann die Geschäftsleitung dagegen unternehmen? Im Anschluss daran ging es an die konkrete Erfassung möglicher Ursachen für Krankheiten. Untersucht wurden:
- Dauer und Ursache von Krank- und Fehlzeiten,
- Tätigkeitsprofile und Arbeitsmethoden im Kontext von Krankheitsbildern, Entzündungen oder Schmerzen der betroffenen Mitarbeiter,
- Ergonomie aller produktiven und kaufmännischen Arbeitsplätze (Arbeitshaltung, Licht, Arbeitshöhe usw.)
- Möglichkeiten spezieller Bewegungskonzepte aus physiotherapeutischer Sicht,
- Vorschläge zur Prävention, z.B. ausgleichender sportlicher Betätigung zur betrieblichen monotonen Tätigkeit
Gleichzeitig war es den Teilnehmern der Workshoprunde wichtig, die Ernährung, die Mitarbeitermotivation, die Achtsamkeit im Kontext der Arbeitsbelastung, die Einstellung der Mitarbeiter zur Arbeit sowie den Teamgedanken zu untersuchen. Im Rahmen eines Sikkens-Stammtisches 2015 wurden diese Themen auch von anderen Thüringer Betrieben und deren Inhabern als wichtige Anstöße zur Mitarbeiterführung und -motivation entdeckt und entsprechende Beratungen gewünscht. Das Fazit lautete daher, egal ob im kaufmännischen oder produktiven Bereich mit der „Ressource“ Mitarbeiter sorgfältiger umzugehen, die Leistungs- und Arbeitskraft der Mitarbeiter durch ein ganzheitliches Gesundheitsmanagement langfristig zu erhalten und diese so an den Betrieb zu binden. Das Konzept der Seminare wurde von den Acoat Selected-Mitgliedern hervorragend angenommen. Aus einem Seminar zum Thema Gesundheitsmanagement für K+L-Betriebe sind jetzt bereits zwei unterschiedliche Angebote geworden, und im Mai und Juni finden diese bereits zum vierten Mal statt.
H.-Christoph Schietzelt
Die nächsten Seminare finden vom 21. bis zum 23. Mai und vom 4. bis zum 6. Juni statt.
Anmeldeschluss ist der 17.4. bzw. der 5.5.
Mehr Informationen unter: Tel.: 0711/8951-355
Foto: AkzoNobel
Foto: AkzoNobel
Foto: AkzoNobel
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„Raus aus dem Alltag“
Herr Schietzelt, Acoat Selected hat Seminare zum Thema Gesundheitsmanagement eingeführt. Wo drückt die Betriebe hier Ihrer Erfahrung nach der Schuh?
Zum einen lässt sich nicht leugnen, dass in der Karosserie- und Lackierwerkstatt gewisse körperliche Belastungen auftreten, die zu Krankheiten führen können, wenn man nicht gegensteuert. Das kann durch ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätz erfolgen, aber natürlich auch durch vorbeugende Maßnahmen zum Erhalt der Gesundheit. Man muss in diesem Zusammenhang auch die „Alterspyramide“ der Mitarbeiterstruktur sehen. Die Betriebe bekommen längst nicht so viele Fachkräfte nachbesetzt, wie für die Arbeitsprozesse und Auftragsvolumina notwendig wären. Umso mehr gilt es, ältere Mitarbeiter fit und motiviert zu halten.
Welche Rolle spielen psychische Faktoren wie Stress oder Motivation?
Eine ganz große natürlich, auch hier berichten unsere Partner von großen Problemen oder Defiziten. Man muss ganz nüchtern sehen, dass aus psychischen Problemen resultierende Krankheiten in der Regel deutlich längere Ausfallzeiten zur Folge haben – manchmal mit dramatischen Folgen für den Betrieb.
Lassen sich diese denn beziffern?
Kaufmännisch mit Vollkosten betrachtet, bedeutet ein kranker MA für den Betrieb pro Tag ca. 800 Euro Kosten. Die klassische Krankschreibung für eine Woche rund 4000 Euro, unabhängig von Auftragsvolumen und Fertigstellungsterminen in der Werkstatt.
Das heißt, es gibt durchaus eine betriebswirtschaftliche Motivation bei den bisherigen Teilnehmern?
Ja, natürlich besteht auch für diese Betriebe ein monetärer Anreiz, anfallende Krankheitskosten zu minimieren, die Arbeitsmotivation zu erhöhen, Fachkräfte an den Betrieb zu binden und sich als „fürsorglicher Arbeitgeber“ zu positionieren. So konnte die Firma Kalas in Erfurt z.B. die durchschnittliche Arbeitsleistung der Mitarbeiter um fast zehn Prozent steigern und die Krankheitsquote minimieren. Dafür lohnt sich das Engagement in ein Gesundheitsmanagement allemal.
Welche Rolle spielt Gesundheitsmanagement bei der Personalsuche?
Vielen Betrieben fällt es schwer, sich darauf einzustellen, dass der Arbeitsmarkt sich immer mehr zum Arbeitnehmermarkt wandelt. Die Mitarbeiter haben eine höhere Erwartungshaltung gegenüber dem Arbeitgeber, und die Freizeit ist für viele Mitarbeiter wichtiger geworden als monetäre Anreize. Der eine oder andere Betriebsinhaber tut sich immer noch sehr schwer, wenn Mitarbeiter plötzlich eine ausgewogene „Work Life Balance“ einfordern. Da kommt schon mal die Frage: „Was ist denn das überhaupt oder wie gehe ich mit der Forderung um? In diesem Zusammenhang würde ich auch ein funktionierendes Gesundheitsmanagement im Betrieb sehen. Der Mitarbeiter versteht das als Wertschätzung.
Lässt sich der Inhalt der Seminare zum Thema Gesundheitsmanagement kurz zusammenfassen?
Als zentrale Botschaft haben wir mit den Teilnehmern für unser Betriebsinhaber-Seminar 1 folgende Frage definiert: „Ist es möglich, durch gezielte Gesundheitsprävention bis ins hohe Alter aktiv und beweglich zu sein, trotz beruflichem Stress und den hohen Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft?“
In welchem Umfeld findet das Seminar statt?
Ganz bewusst haben wir die Seminarkonzeption anders aufgestellt, als es Teilnehmer sonst von „normalen“ Weiterbildungsveranstaltungen in der Branche gewöhnt sind. So findet das Seminar seit drei Jahren im Kloster Waldsassen, nahe der bayrisch-tschechischen Grenze statt. Gerade diese Abgeschiedenheit gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, raus aus dem Alltag, raus aus dem Tagesgeschäft zu kommen, um sich auf die Inhalte des Seminars konzentrieren zu können. Ähnlich haben wir es beim Seminar 2 gemacht.
Worum geht es da?
Eine Vielzahl unsere Teilnehmer am Seminar haben den Teil 1 mehrmals hintereinander absolviert. Insofern hatten diese Teilnehmer den Wunsch nach einem Nachfolgeseminar mit dem gleichen Thema, aber in anderer Atmosphäre und mit Inhalten, die sich noch mehr mit der eigenen Person, also dem Ich und der Achtsamkeit im Betriebsalltag,
beschäftigen. In diesem Seminar erhalten die Teilnehmer Ratschläge, wie sie sich Stück für Stück inneren Frieden und Gelassenheit zurückerobern können. Gleichzeitig werden viele Meditations-, Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen gemeinsam in der Natur durchgeführt. Das Highlight wird eine Übernachtung unter freiem Himmel für alle Teilnehmer sein. MR