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„Eng und geschlossen zusammenarbeiten“

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„Eng und geschlossen zusammenarbeiten“

Der Vorsitzende der Bundsfachgruppe Fahrzeuglackierer Paul Kehle im Interview

Michael Rehm

Herr Kehle, das Lackiererblatt ist seit 25 Jahren Organ der Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer. Worin liegt für Sie die gravierendste Veränderung der Branchensituation innerhalb dieses Zeitraums?
Spontan fallen mir zwei Punkte ein, die mit gravierenden Veränderungen einhergehen. Technologisch ist da die Einführung der Wasserlacktechnologie zu nennen. Organisatorisch ist das die sogenannte Schadensteuerung.
Die prägt heute den Markt – auch wenn, geschätzt, immer noch „nur“ 20 Prozent der Aufträge gesteuert werden, setzt die Steuerung die Themen. Die BFL war in ihrer Einschätzung der Schadensteuerung immer sehr zurückhaltend. Werden Sie durch aktuelle Entwicklungen bestätigt?
Die Geister, die von einigen Wenigen gerufen wurden, haben die Reparatur- und Instandsetzungsbranche, wie wir wissen, heute fest im Griff und ich glaube nicht daran, dass wir die Zeit zurückdrehen können. Ja, die BFL war von Anfang an zurückhaltend, denn es ist nicht Aufgabe einer Verbandsorganisation, für die Betriebe Entwicklungen einzuleiten, von denen man genau weiß, dass nur ein Teil der eigenen Mitglieder in diese Richtung gehen will. Wir haben von Anfang an unsere Bedenken angemeldet, letztlich diese Entscheidung aber den Betrieben überlassen, denn nur der einzelne Betriebsinhaber kann für sich entscheiden, welche betriebliche Ausrichtung er für sein Unternehmen als zukunftsfähig erachtet. Ein klein wenig werden wir schon bestätigt, denn wir kennen viele Betriebe, die in der Vergangenheit – allen Warnungen zum Trotz – in der Schadensteuerung ihr Heil gesucht haben. Diese haben sich im Laufe der Jahre wieder davon verabschiedet oder beklagen die „Auswüchse“, wie wir sie heute kennen. Umgekehrt gibt es aber auch viele Betriebe, die die Herausforderungen der Schadensteuerung angenommen haben und stark gewachsen sind. Wir als BFL und IFL reklamieren für uns, dass wir stets in angemessener Form Chancen und Bedenken thematisiert haben. Wir haben aber zu keinem Zeitpunkt durch Absprachen Prozesse initiiert, die nur einem Teil unserer Mitglieder kurzfristige Marktvorteile verschafft hätten. Unabhängig davon bin ich überzeugt, dass die Schadensteuerung bei uns weiter zunehmen wird und wir Verbände, die wir die Instandsetzungsbetriebe in Deutschland vertreten, eng und geschlossen zusammenarbeiten müssen, um die vielfältigen Aufgaben in einem für unsere Betriebe akzeptablen Rahmen zu halten. Da sind wir aber auf einem guten Weg.
Nun sind auch im Zuge der Schadensteuerung viele Lackierbetriebe zum Lackier-und Karosseriebetrieb geworden, und für viele geht der Weg noch weiter zum Allroundbetrieb. Ist das ein zwangsläufiger Schritt, oder gibt es auch andere Optionen?
Der Weg vom Lackierbetrieb zum Lackier- und Karosseriebetrieb und weiter zum Allroundbetrieb ist eine Variante. Wobei – wie bei der Entscheidung Schadensteuerung ja oder nein – auch hier der jeweilige Betrieb für sich durchrechnen muss, ob die Hinzunahme von Kfz-Technik und Elektronik in das eigene Haus eine wirtschaftlich tragfähige Lösung sein kann.
Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der Fragen „Wo finde ich geeignetes, gut ausgebildetes Personal?“ und „Kann ich die anfallenden Investitionen und Personalkosten auch entsprechend verpreisen?“ Ganz abgesehen davon treten insbesondere Lackierbetriebe, aber auch Lackier- und Karosseriebetriebe in einen Wettbewerb zum Autohaus, das nach wie vor vielfach auch zu den Auftraggebern unserer Betriebe gehört. Dies alles muss von jedem Betrieb wohlüberlegt werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Welche Chancen bietet die Industrielackierung als Alternative?
Mehr als unsere Kollegen aus dem Bereich Kfz und Karosserie, die sehr spezifisch auf das Auto fixiert sind, haben die Lackierer die Chance, auch andere Produkte und Güter oberflächentechnisch zu bearbeiten. Dies wird von vielen Betrieben auch heute schon genutzt und hat dort auch schon Tradition. Ja, Betriebe, zu denen die Industrielackierung passt und die in diesem Bereich einen Schwerpunkt legen möchte, sollten wie bei einer Betriebsgründung erst einmal das potenzielles Marktvolumen untersuchen und daraufhin entscheiden, wie der Einstieg in den Markt erfolgen soll. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob zunächst nur im Bereich der Nassapplikation gearbeitet werden soll – die hierfür benötigte Ausstattung sollte in jedem modernen und gut geführten Lackierbetrieb vorhanden sein –, oder ob gleich auch das Thema Pulverlackierung mitberücksichtigt wird. Ich kenne eine Reihe von Kollegen, die diesen Weg in den letzten Jahren mit Erfolg gegangen sind.
Ist im Hinblick auf Industrielackierung als potenzielles Geschäftsfeld die Ausbildung zum Fahrzeuglackierer ergänzungsbedürftig?
Grundsätzlich sind alle Ausbildungsinhalte in Abhängigkeit vom technologischen Wandel von Zeit zu Zeit überprüfungs- und ergänzungsbedürftig. Auch der von uns vertretene Beruf des Fahrzeuglackierers wird in absehbarer Zeit dahingehend zu überprüfen sein, ob die Lehr- und Lerninhalte noch mit den aktuellen Technologien im Einklang stehen. Wenn hier dann größere Defizite oder Abweichungen bzw. neue technologische Herausforderungen oder Tätigkeitsverschiebungen erkennbar werden, muss da auch nachgebessert werden, keine Frage. Aber durch die offene Formulierung in den Ausbildungsinhalten und unsere duale Ausbildung im Betrieb und in der Schule und die damit verbundene Flexibilität und Vielseitigkeit in der beruflichen Bildung, werden Defizite – sofern vorhanden – mehr als kompensiert. Dies ist ja gerade eine der herausragenden Eigenschaften unseres dualen Ausbildungssystems, um das uns viele in dieser Welt beneiden.
Ist es, so gesehen, ein Vorteil, dass Maler und Fahrzeuglackierer einen gemeinsamen Rest an Ausbildungsinhalten behalten haben?
Der Fahrzeuglackierer und der Maler arbeiten mit Farben. Da ist es doch vollkommen selbstredend, dass theoretische und auch praktische Grundlagen hierfür gemeinsam gelegt werden. Die gemeinsame Grundbildung im ersten Ausbildungsjahr bildet doch erst das Fundament – oder wie die Maler oder Lackierer sagen würden: „den haftfähigen Untergrund“, auf dem die weiteren Beschichtungen dauerhaft aufgetragen werden können. Ich sehe hierin kein Problem. Mit der Neuordnung des Berufs haben wir ja gerade die unerwünschten Überschneidungen der Ausbildungsinhalte Maler/Lackierer und Fahrzeuglackierer beseitigt.
Stellt es eine Erschwernis der Verbandsarbeit dar, wenn sich das Angebotsspektrum der Betriebe so stark unterscheidet – auf der einen Seite Betriebe, die sich mit Industrieaufträgen ein Stück weit vom Automobilsektor entfernt haben, auf der anderen Seite Betriebe, die zur „Auto-Allroundwerkstatt“ geworden sind?
Ja, selbstverständlich macht es die Arbeit nicht einfacher. Dennoch gelingt es immer wieder – nicht zuletzt auch durch die Mitwirkung von Kollegen aus dem Ehrenamt, die in ihren Betrieben den ein- oder anderen Angebotsschwerpunkt haben – Erfahrungen zu Entwicklungen, Technologien etc. auszutauschen und notwendiges Wissen zu transportieren.
Vor 25 Jahren war das Verhältnis zwischen den Verbänden BFL und ZKF eher von Konkurrenz geprägt, eher weniger harmonisch – wie stellt sich das heute dar?
Ich glaube, dass alle Personen, die Verantwortung für die von ihnen vertretenen Berufe tragen, begriffen haben, dass wir als Verbände besonders nachhaltig wirken können, wenn wir gemeinsam die Interessen unserer Branche vertreten. Jeder in seinem Spezialgebiet besonders – aber gemeinsam, wenn es um die Belange unserer Branche geht. Die Akteure, die vor vielen Jahren Politik ZKF gegen ZDK, ZKF gegen Bundesverband Farbe / BFL und so weiter betrieben haben, gehören der Vergangenheit an und dies ist auch gut so. Mit dem Bundesinnungmeister Willi Hülsdonk vom ZDK und dem ZKF-Präsidenten Peter Börner als Vertreter der Branchenberufsverbände, wozu selbstverständlich auch der BVdP mit Robert Paintinger an der Spitze gehört, sind wir persönlich und freundschaftlich verbunden.
Welche Rolle spielt das Institut für Fahrzeuglackierung für die BFL? Hat sich diese im Lauf der Zeit gewandelt?
Die Rolle des IFL hat sich, bezogen auf den Aufgabenbereich, nicht gewandelt. Nach wie vor bestehen die Hauptaufgaben darin, Arbeits- und Materialwerte bei Hersteller- und AZT- Kalkulationssystemen im Rahmen der Durchführung von Karosserie- und Lackreparaturen zu untersuchen und zu überprüfen. Nach der REFA-Methode werden dort neutrale Zeit- und Materialverbrauchswerte ermittelt. Es erfolgen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Karosserie- und Lackierbetrieb. Man kann einige der klassischen Aktivitäten des IFL auch unter dem heute so viel genutzten Begriff der Prozessoptimierung zusammenfassen. Der dient zum Beispiel der Beobachtung und Auswertung von Lackierverfahren und der dabei eingesetzten Stoffe und angewandten Karosserie-Instandsetzungstechniken. Nicht zuletzt referiert das IFL im Rahmen von Verbands- und Branchenveranstaltungen die Ergebnisse seiner Arbeit. Ganz aktuell ist das IFL verstärkt damit beschäftigt, die Anfragen von Mitgliedsbetrieben zu Rechnungskürzungen zu überprüfen und den anfragenden Betrieben Argumente gegen die „Rechnungskürzer“ zu liefern.
Fahrzeuglackierbetriebe sind wie andere Handwerksberufe auch von Nachwuchsmangel bedroht – welche Möglichkeiten kann die BFL nutzen, um gegenzusteuern? Welche Argumente für den Fahrzeuglackiererberuf lassen sich ins Feld führen?
Die BFL nutzt die zur Verfügung stehenden medialen Kanäle, um für den Beruf Fahrzeuglackierer zu werben. Wir erstellen Hilfs- und Werbemittel, die von den Betrieben genutzt werden können. Wir thematisieren das Nachwuchsproblem auch in Vorträgen auf Innungs- und LIV-Ebene. Und nicht zuletzt haben wir es schon mehrfach geschafft – dank der Unterstützung durch den Bundesverband in die Imagekampagne des Handwerks mit Plakaten oder einem Werbefilm eingebunden zu werden.Dem Nachwuchsmangel gegensteuern können wir nur, wenn es politisch gelingt, die handwerkliche Ausbildung im Allgemeinen und die Ausbildung des Fahrzeuglackierers im Besonderen glaubhaft positiv in die Jugend hinauszutragen. Viele Betriebe, die sich neben ihrer Hauptaufgabe auch der Ausbildung von Berufsnachwuchs verschrieben haben, können auf Erfolge zurückblicken, wenn Schüler zu Praktika eingeladen werden oder die Betriebsinhaber in den Schulklassen für den Beruf werben. Leider müssen wir aber auch feststellen, dass eine ganze Anzahl von Kollegen dem Thema Ausbildung frustriert den Rücken gekehrt haben. Leider gibt es dafür auch Argumente.
Blicken wir noch einmal zurück: Vor 25 Jahren gab es kaum eine BFL-Veranstaltung, bei der nicht irgendwann einmal ein gewisser Unmut über die Angliederung der Lackierer an die Maler geäußert wurde, heute ist das kaum mehr der Fall. Hat man sich da arrangiert? Die Vorteile erkannt? Oder sind Doppelmitgliedschaften die Regel?
Vom Regelfall der Doppelmitgliedschaften zu sprechen, halte ich persönlich für nicht zutreffend, wenngleich viele Doppel- wenn nicht gar Dreifachmitgliedschaften bestehen. Es gibt ja nicht ohne Grund drei Berufsverbände, wovon jeder für sich den eigenen Beruf vertritt und alle gemeinsam die Instandsetzungs- bzw. Reparaturbranche. Wenn unsere Betriebe bzw. Mitglieder jeweils dort, wo die spezifische Kompetenz verortet ist, ihre Fachinformationen anfordern, ist das aus meiner Sicht in Ordnung. Keiner der Verbände kann für sich in Anspruch nehmen, auf allen Gebieten gleichermaßen für den jeweils anderen mitreden zu können. Im Sinne unserer Mitglieder brauchen wir noch mehr Durchlässigkeit und Flexibilität, auch in den nachgeordneten Organisationsformen bis hin zu den Innungen, damit die Betriebe nicht zuletzt aus Kostengründen gezwungen werden, sich ausschließlich auf die eine oder andere Innung zu beschränken.
Wo sehen Sie die wichtigsten Zukunftsaufgaben der BFL?
Als Berufsverband müssen wir dafür Sorge tragen, dass der Beruf des Fahrzeuglackierers den technologischen Anforderungen gerecht und als attraktiver zukunftssicherer Beruf für junge Menschen erhalten wird. Dazu gehört auch, dass wir national und auf europäischer Ebene uns klar für die Beibehaltung des Meisters eintreten. Da ist es schon von Vorteil, wenn wir in das starke Maler- und Lackiererhandwerk eingebunden sind, das als eines der großen Handwerke in Deutschland über den Zentralverband des Deutschen Handwerks auf den politischen Bühnen durchaus einflussreich ist. Unsere politische Arbeit im engen Zusammenschluss mit dem Bundesverband Farbe hat in der Vergangenheit und wird auch in Zukunft für die Betriebe Vorteile bringen. In naher Zukunft geht es aber erst einmal darum, vereint das Problem oder das System der „Rechnungskürzungen“ dauerhaft und nachhaltig in den Griff zu bekommen.
Herr Kehle, vielen Dank für das Gespräch.

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