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Revolution im Karosseriebau

Technik
Revolution im Karosseriebau

Der Werkstoff CFK findet bei BMW den Weg in die Großserie

Quelle: BMW AG

Mit dem BMW i3 wird die BMW Group noch in diesem Jahr ein elektrisch angetriebenes Serienfahrzeug auf den Markt bringen, dessen einzigartige Fahrzeugarchitektur nicht nur den Einsatz moderner Leichtbaumaterialien, sondern ebenso innovative Produktionsprozesse erfordert. Das Life-Modul – also die Fahrgastzelle des künftigen BMW i3 – besteht hauptsächlich aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff, kurz: CFK. Der Einsatz des leichten und crashsicheren Hightech-Werkstoffs in dieser Größenordnung ist für die Großserienproduktion eines Fahrzeugs einzigartig, denn bisher galt die großflächige Verwendung von CFK als zu teuer, die Verarbeitung und Fertigung als zu aufwendig und nicht flexibel genug. Doch BMW hat das Potenzial des Werkstoffs früh erkannt. Und nach über zehn Jahren intensiver Forschungsarbeit und Optimierung der Prozesse, Materialien, Anlagen und Werkzeuge verfügt die BMW Group über das erforderliche Know-how für eine industrialisierte CFK-Großserienproduktion am Standort Leipzig. Wie ausgereift der Produktionsprozess heute ist, zeigt sich vor allem in der erreichten Prozesssicherheit, den schnellen Taktzeiten und der hohen Qualität der produzierten CFK-Bauteile.
Höchste Präzision beim Kleben
Die neu produzierten CFK-Verbundbauteile aus dem neuen Presswerk Leipzig sowie angelieferte CFK-Teile aus dem Presswerk Landshut werden in der neuen Karosseriebauhalle zusammengefügt. Aus ca. 150 Teilen, das sind ein Drittel weniger als im konventionellen Stahlblechbau, entsteht hier die Grundform des Life-Moduls eines BMW i3. Es gibt keine Lärmbelästigung durch Schrauben oder Nieten, keinen Funkenflug beim Schweißen, es kommt ausschließlich modernste Klebetechnik zum Einsatz und die ist zu 100 Prozent automatisiert. In dem einzigartigen, von BMW entwickelten Fügeprozess werden dazu die einzelnen Bauteile berührungslos bis auf einen Klebespalt von 1,5 Millimetern zusammengefügt, um nach dem Klebevorgang eine optimale Festigkeit zu gewährleisten. Bei dem neu entwickelten Fertigungsprozess stehen alle Verbindungsbauteile im Life-Modul immer mit gleichem Abstand zueinander und bekommen so die gleiche Menge Klebstoff. Nur diese Präzision garantiert eine perfekte Kraftübertragung zwischen den einzelnen CFK-Bauteilen und somit höchsten Qualitätsstandard in der Großserie. In der Summe ergibt sich pro Auto eine genau definierte Klebestrecke von 160 Metern Länge und 20 Millimetern Breite. Ein neu entwickelter Klebstoff kann jetzt nur noch 90 Sekunden nach dem Auftragen auf ein Bauteil bearbeitet werden, bevor er Haftung aufbaut. Nach anderthalb Stunden ist er hart. Diese Eigenschaft entspricht schon einer zehnfachen Beschleunigung eines herkömmlichen Klebeprozesses. Um nun die Aushärtezeit weiter bis in den einstelligen Minutenbereich zu reduzieren, hat BMW einen zusätzlichen thermischen Prozess entwickelt. Dafür werden bestimmte Haftstellen an den zu klebenden CFK-Teilen zusätzlich aufgeheizt, um den Aushärteprozess noch einmal um das 32fache zu beschleunigen. Für die lackierte mehrteilige Außenhaut kommen vorwiegend Thermoplast-Spritzgusskunststoffe zum Einsatz, wie sie auch im herkömmlichen Fahrzeugbau Verwendung finden (Front-/Heckschürzen, Schweller etc.). Die farbigen Kunststoffformteile werden dazu unauffällig über spezielle Halterungen bei der Endmontage auf die innere Life-Modul-Zelle aufgeschraubt.
Sichere Struktur
Sicherheit und Reparaturfähigkeit standen von Anfang an im Fokus der Entwickler. Dr. Ulrich Veh, Sicherheitsexperte in der BMW i-Entwicklung, zieht Bilanz: „Wir befinden uns auch mit den BMW i- Fahrzeugen auf BMW-Niveau.“ Insgesamt schafft die hochfeste Fahrgastzelle in Verbindung mit der intelligenten Kraftverteilung im LifeDrive-Modul die Voraussetzung für einen optimalen Insassenschutz. Selbst nach dem strukturzehrenden Offset-Frontcrash mit 64 km/h sorgt das extrem steife Material für einen intakten Überlebensraum der Passagiere. Für zusätzliche Sicherheit sorgen dabei die crashaktiven Strukturen aus Aluminium an Vorder- und Hinterwagen des Drive-Moduls. Die Karosserieverformung fällt so geringer aus als bei vergleichbaren Stahlblechkarosserien. Zudem ist – bedingt durch den „Kokon-Effekt“ der CFK-Karosserie – sichergestellt, dass die Türen problemlos zu öffnen sind.
Kosten auf Klassenniveau
Der BMW ist rundherum mit einer geschraubten und geklippten Kunststoffbeplankung versehen. Kleine Rempler werden absorbiert, ohne, wie sonst bei Blechteilen üblich, Beulen zu hinterlassen. Beschädigungen des Lacks führen nicht zu Korrosion. Ist ein Tausch von Bauteilen an der Außenhaut des BMW i3 erforderlich, wird das Bauteil schnell und kostengünstig ausgewechselt. In der Summe liegen die Unfallinstandsetzungskosten auf gleicher Höhe wie bei einem BMW 1er. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Versicherungsersteinstufungen auf üblichem Kompaktwagenklasseniveau liegen werden. Das im Serienprozess geschweißte Aluminiumstruktur-Drive-Modul wird in der Reparatur mit den „kalten“ Reparaturmethoden „Kleben und Nieten“ instand gesetzt. Die Reparaturfähigkeit der CFK-Struktur des Life-Moduls stand schon bei der Entwicklung des Fahrzeugkonzepts ganz oben mit im Lastenheft. Beispielsweise wurden für den Seitenrahmen mehrere Reparaturabschnitte definiert. Muss nach einem Seitencrash ein beschädigter Schweller ausgetauscht werden, trennt die Werkstatt nach Sichtprüfung und Schadensbeurteilung lediglich den Reparaturabschnitt Schweller mit einem patentierten Fräswerkzeug heraus. Dann wird das benötigte Schwellerbauteil passend angefertigt und an dem beschädigten Fahrzeug eingesetzt. Das Neuteil wird an den Trennstellen mittels Reparaturelementen verbunden. Jeder autorisierte BMW i-Händler kann die Reparatur der Außenhaut durchführen. Aufgrund der produktspezifischen Besonderheiten des LifeDrive-Moduls wird es Reparaturzentren geben, in denen spezialisierte Mitarbeiter Fahrzeuge mit Beschädigungen an der Aluminium- oder CFK-Struktur instand setzen.

Von der Faser zum Bauteil

Aus einem sogenannten Precursor, einer thermoplastischen Textilfaser aus Polyacrylnitril, entsteht bei der SGL ACF im amerikanischen Moses Lake die Carbon-faser. Dazu werden sämtliche Elemente der Faser in einem komplexen, mehrstufigen Prozess gasförmig abgespalten, bis nur noch eine aus nahezu reinem Kohlenstoff bestehende Faser mit stabiler Graphitstruktur vorliegt. Diese ist lediglich sieben Mikrometer (0,007 Millimeter) dünn, ein menschliches Haar dagegen misst rund 50 Mikrometer. Für die Verwendung im Automobilbereich werden anschließend ca. 50.000 dieser Einzelfilamente zu sogenannten „rovings“ oder „heavy tows“ zusammengefasst und für die Weiterverarbeitung aufgewickelt. Damit der BMW i3 Ende 2013 in Leipzig planmäßig vom Band rollen kann, läuft die Produktion der ultraleichten Hightech-Fasern bereits seit Ende 2011. Zwei Produktionslinien mit einer Kapazität von aktuell je 1.500 Tonnen pro Jahr sorgen für den erforderlichen Nachschub. Damit liefern die Anlagen schon heute rund zehn Prozent der weltweiten CFK-Produktion. Am zweiten Standort des Joint Ventures, im Innovationspark Wackersdorf, werden die in Moses Lake produzierten Faserbündel im industriellen Maßstab zu leichten textilen Gelegen weiterverarbeitet. Anders als bei Geweben sind die Fasern nicht miteinander verschränkt oder verwoben, sondern in einer Ebene nebeneinander angeordnet. Nach einer Investition von 20 Millionen Euro und der Schaffung von rund 100 neuen Arbeitsplätzen können am Standort Wackersdorf schon heute mehrere tausend Tonnen
Carbonfaser-Gelege pro Jahr hergestellt werden. Diese bilden das Ausgangsmaterial für die Herstellung von CFK-Bauteilen und CFK-Komponenten in den BMW Werken in Landshut und Leipzig. Die aus Wackersdorf angelieferten Carbonfaser-Gelege werden in den Presswerken in Landshut und Leipzig zu CFK-Karosserieteilen weiterverarbeitet. In Landshut ist es den Spezialisten der BMW Group gelungen, den Fertigungsprozess für CFK-Bauteile in den letzten zehn Jahren so weiterzuentwickeln und zu automatisieren, dass heute eine wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Großserienfertigung mit hoher Prozesssicherheit möglich ist. Schon seit geraumer Zeit werden in Landshut die Dächer für die BMW-Modelle M3 und M6 sowie die Stoßfängerträger des M6 in industrialisierter CFK-Produktion gefertigt.

Thema Lack
Die BMW i3-Außenhautteile werden von BMW in Landshut und Leipzig produziert und lackiert. Da nur Kunststoffteile beschichtet werden, ist der Prozess wesentlich einfacher und kostengünstiger als in einer „klassischen Lackiererei“ in der Stahl vorbehandelt und
lackiert wird. Außer den Kunststoffbeplankungen werden auch Teile des CFK-Rahmens, z. B. das Dach lackiert. Im Reparaturfall wird bei Beschädigungen der Außenhaut je nach Einzelfall zwischen Austausch und Reparatur abgewogen. Gestartet wird mit einem limitierten Angebot von Farben, sukzessive wird das Farbtonspektrum aber auf die übliche Bandbreite erweitert.

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