Startseite » Technik »

Eine Frage, viele Antworten

Technik
Eine Frage, viele Antworten

Bei Wasserbasislacken gibt es technologische Unterschiede zwischen den einzelnen Marken

Werner Rudolf Cramer

Vor mehr als zehn Jahren wurden die ersten Wasserbasislacke für die Reparaturlackierung eingeführt. Und in diesen zehn Jahren haben sich die unterschiedlichen Systeme der Lackhersteller immer weiter entwickelt, so dass die gesetzlich vorgeschriebene Umstellung auf diese Systeme im Prinzip unproblematisch ist. Die Unterschiede zu den konventionellen Basislack-Systemen bestehen aber nicht nur im „Ersatz“ von organischen Lösemitteln durch Wasser, sondern vor allen Dingen in der Chemie und dem Entwicklungsansatz, mit dem die Reduzierung der so genannten VOC-Werte erreicht wird.
Alles in einer Schicht
Um den Komplex der wasserverdünnbaren Basislacke zu verstehen, ist ein Rückblick in die Lackhistorie hilfreich. Metallicfarben wurden schon vor einigen Jahrzehnten von den Autoherstellern angeboten. Dabei wurden die selben Lacksysteme sowohl in der Serien- als auch in der Reparaturlackierung eingesetzt. Schönheit und Schutz – so lauten die einfachen Funktionen eines Lackes – waren in einer einzigen Schicht vereinigt und wurden folgerichtig im 1-Schicht-Verfahren appliziert.
Diese Applikation hatte aber einige nicht zu übersehende Nachteile: Ein Manko war die oft mangelhafte Orientierung der Metallicteilchen, ein anderes deren Verwitterung, wenn der Lack altersbedingt schrumpfte. Die bei diesem Prozess an die Oberfläche tretenden Teilchen oxidierten und führten letztlich zu weiß wirkenden Dächern vieler Fahrzeuge. Neben den Problemen der Serienlackierung verlangten aber auch Probleme in der Reparaturlackierung nach einer Lösung. Und diese bot sich in der Trennung der Funktionen Schönheit und Schutz an. Für die Schönheit und die Farben sollten künftig die Basislacke sorgen, den Schutz lieferte die darüber liegende Klarlackschicht.
Trennung von Schönheit und Schutz
Zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden die ersten Basislacke bei den Reparaturlackherstellern eingeführt, die im Laufe der nächsten Jahre immer stärker an Bedeutung gewannen. Vielfach behalf man sich mit so genannten Umwandlern, die ein 2-Komponenten-System in ein 2-Schicht-System verwandelten. Eingesetzt wurden diese Umwandler auch für Unifarben und bei Mehrfarbenlackierungen.
Das System einer 2-Schichtlackierung geht von einem Basislack mit einem hohen Lösemittelanteil aus, der mit oder ohne Wärmezufuhr in relativ kurzer Zeit verdunstet. Bei einem Anteil von 85 Prozent und mehr an organischen Lösemitteln stieg der Lösemittelverbrauch drastisch an. Wie jeder technischer Fortschritten war also auch dieser mit einem gravierenden Nachteil verbunden: dem hohen Lösemittelverbrauch, der nur in geringem Maße durch technisch mögliche Festkörpererhöhung verringert werden konnte.
Nur scheinbar einfach
Betrachtet man die konventionellen Basislacke der Reparaturlackhersteller, so stellt man von chemischen Seite her nur wenige Unterschiede fest. Komponenten und Applikationsprinzip sind bei allen praktisch gleich oder sehr ähnlich. Diese geringen Unterschiede machten es für Lackierer einfach, vom Lacksystem eines Lackherstellers zu dem eines anderen zu wechseln.
Im Zuge der gesamten gesellschaftlichen Diskussionen bezüglich Arbeitssicherheit und Umweltschutz gerieten auch die Basislacke ins Visier. Ansätze wie thermische Nachverbrennung oder bakterieller Abbau konnten sich aufgrund der hiermit verbundenen Probleme nicht durchsetzen. Die scheinbar einfachste Lösung bestand darin, die organischen Lösemittel durch Wasser zu „ersetzen“.
Allerdings ist diese Lösung nur in der Theorie einfach: Erstens verdunstet Wasser deutlich langsamer, und zweitens müssen sich alle weiteren im Lack enthaltenen Komponenten auch mit Wasser vertragen. Für beide Aspekte konnten aber Lösungen gefunden werden. Die Trocknung ließ sich durch Wärmezufuhr oder Abblasen mit Luft beschleunigen.
Blick über den Tellerrand
Die Zeitvorgaben des Gesetzgebers sind für die Umstellung auf Wasserbasislacke eng definiert. Und trotzdem haben viele Lackierer ihre Arbeitsprozesse noch nicht auf diese Lacksysteme umgestellt. Da diese Umstellung entsprechende Zeit erfordert – nicht nur die des Lackierers, sondern auch die des Lackherstellers -, sollte jeder Lackierer an eine baldige Umstellung denken. Hierbei wird er sicherlich zunächst an die Produkte und Systeme seines bisherigen Lacklieferanten denken. Blickt er bei seinen Überlegungen auf die Wasserbasislacke der verschiedenen Lacklieferanten, so wird er eine Überraschung erleben: Im Gegensatz zu den konventionellen Basislacken sind die Wasserbasislacke nicht „kompatibel“.
Bei den Überlegungen, Wasser als Lösemittelersatz in die Basislacke einzuführen, gab es unterschiedliche Lösungsansätze bei den Lackherstellern. Für die Entwickler stellte sich sehr bald die Frage, wie man es schafft, alle notwendigen Komponenten in einem wässrigen System friedlich zu vereinigen. Zu diesen Komponenten zählen auch organische Lösemittel, die die Lackeigenschaften positiv beeinflussen. Ihr Anteil ist zwar im Vergleich zum Anteil des Wasser gering, trotzdem dürfen sie nicht fehlen.
Die Entwicklungen der Lackhersteller haben zu drei unterschiedlichen Systemen geführt, die im Laufe der letzten Jahren intensiv überarbeitet wurden. Die Schwierigkeiten der Umstellung ergaben sich vor allen Dingen aus den Überlegungen, die neuen Wasserbasislacke „reibungslos“ in bestehende Systeme zu integrieren. Hierzu zählen auch der Aufbau und die Funktion der Mischsysteme, die Lagerhaltung vor und im Mischregal und das Mischen und Ansetzen der spritzfertigen Lacke.
  • Mit Standohyd von Standox, Permahyd von Spies Hecker und Cromax von DuPont findet der Lackierer Wasserbasislacke vor, die als 1-Komponenten-Systeme mit VE-Wasser verdünnt werden. Gespritzt wird der Lack zunächst in einem Spritzgang. Nach dessen Trocknung wird der zweite Spritzgang ausgeführt. Auf dessen Trocknung folgt der so genannte Effekt- oder Nebelgang. Anschließend wird wie bei jedem Basislack der Klarlack zum Versiegeln aufgetragen.
  • Sikkens mit Autowave und Lesonal mit Basecoat WB bieten physikalisch trocknende Acrylatdispersionen an, die in der gleichen Weise verarbeitet werden. Mit den Lacken in den entsprechenden Mischregalen lassen sich ohne aufzurühren die gewünschten Farben ausmischen.
  • Während die genannten Lacksysteme die notwendigen Wassermengen praktisch in jeder Lackdose enthalten, gehen Glasurit und R-M den Weg über Lackkonzentrate. Diese Konzentrate basieren auf konventionellen Lösemitteln und werden beim Ansetzen mit einem wässrigen Einstellzusatz auf den notwendigen Wasseranteil „verdünnt“. Die Mischlacke in den Mischregalen sind etwa auf ein Fünftel konzentriert; entsprechend gering kann der Verbrauch bei weniger gängigen Mischfarben sein. Diese werden in Halbliterdosen angeboten. Die Überarbeitung der Reihe 90 von Glasurit führte zu der Reihe 90N mit wesentlichen Verarbeitungsvorteilen. Der Name der Lackreihe ist inzwischen wieder auf Reihe 90 reduziert. R-M bietet mit seinen Onyx HD-Lacken ebenfalls konzentrierte Mischlacke an, die mit Hydromix auf Spritzviskosität eingestellt werden. Auch diese Lacke werden mit zwei Spritzgängen und einem anschließenden Effektgang appliziert.
  • Mit zu den ersten Anbietern von Wasserbasislacken gehörte ICI, deren Reparaturlackprogramm nun unter der Bezeichnung Nexa angeboten wird. Aquabase ist ein Lacksystem auf Mikrogeltechnologie. Dieses dickflüssige Lackmaterial wird aufgrund von Scherkräften beim Spritzen dünnflüssig und legt sich als normaler Lackfilm auf die gespritzte Oberfläche. Auch bei dieser Applikation wird durch Wärme- oder Luftzufuhr die Trocknungszeit entscheidend verkürzt. Von PPG wird ein ähnliches System unter Deltron Envirobase angeboten. Die Vorgängerversion Deltron WB basierte auf einem anderen Lacksystem und wurde vor einigen Jahren durch Envirobase ersetzt.
  • Auch von der italienischen Firma Lechler werden Wasserbasislacksysteme angeboten. Hydrofan Basecoat-Mischlacke werden nach Rezeptur zum Basislack gemischt. Es werden keine Aktivatoren oder Zusätze benötigt, um den Lack spritzfertig einzustellen.
Gründlich informieren
Die Frage, welches Basislack-System das Beste ist, muss jeder Lackierer für sich beantworten. Entweder lässt er sich vor Ort oder von Kollegen direkt informieren, oder er besucht die entsprechenden Seminare bei den Lackherstellern. Jedes dieser Lacksysteme bietet Vor- und Nachteile, prinzipiell liefern aber alle gute Ergebnisse. Nur sollte derjenige Lackierer, der noch nicht auf Wasserbasislacke umgestellt hatte, dieses möglichst bald und in Ruhe tun und keinesfalls bis zum letzten Drücker warten.

Unternehmen im Fokus
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Lackiererblatt 2
Aktuelle Ausgabe
02/2024
EINZELHEFT
ABO
FACEBOOK


Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de