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Thermografie - der Blick unter den Lack. Vorschaden oder nicht?

Technik
Thermografie: Ein Bild sagt mehr als tausend Messpunkte

Aktive Thermografie zeigt, ob ein Auto einen Schaden hatte oder nicht. Ganz einfach durch einen Blick unter den Lack

Michael Rehm

Ganz langsam fährt der Schlitten mit der Messapparatur an der Seite des silbergrauen SUV entlang. Dann stoppt er. Ein greller Blitz, ein paar Sekunden Pause, und weiter geht die Fahrt. Auf Höhe der Mitte der Fahrzeugkarosserie ein zweiter Stopp. Wieder ein Blitz, Pause und weiter. Drei, vier, fünf Mal wird dieser Vorgang, je nach Fahrzeuglänge, wiederholt. Wozu das Ganze dient, zeigt sich zwei Meter weiter hinten, dort, wo die Kabel des Messschlittens hinführen und über diversen Computern ein Monitor aufgebaut ist. Auf den schaut Volker Carl, und was er sieht, ist eine exakte Abbildung der eben vermessenen Fahrzeugseite – allerdings in eigentümlichen Farben. Der Großteil der Fahrzeugseite ist hellblau bis grünlich dargestellt, nur unten am Schweller ist ein rotbrauner Fleck zu sehen, und ein großer Teil des Kotflügels ist ebenso rot eingefärbt. „Klarer Fall“, meint Volker Carl, „der Wagen hatte einen kleinen Schaden am Schweller und der Kotflügel ist ziemlich großflächig gespachtelt worden. „Aktive Thermografie“ nennt sich das Verfahren, mit dem er das erkannt hat.

Am Sitz von Volker Carls Firma Thetascan in Dinslaken hat er sich ein Messlabor eingerichtet. Die aktive Thermografie wird sehr erfolgreich bei der Materialprüfung in der Luft- und Raumfahrttechnik eingesetzt und funktioniert – im Prinzip – recht einfach. Die grellen Lichtblitze, mit denen die Karosseriepartien beschossen werden, erwärmen kurzzeitig die Oberfläche um drei bis fünf Grad. Die Messapparaturen erfassen dann, wie schnell sich die Oberfläche nach der Erwärmung wieder abkühlt. Dort, wo direkt unter dem Lack das wärmeleitende und -speichernde Karosserieblech liegt, kühlt sich die Oberfläche eher langsam ab. Deutlich schneller geht es an Stellen, wo sich unter dem Lack noch eine Spachtelschicht befindet. Eine von Volker Carl entwickelte Software erfasst die Temperaturverläufe und errechnet daraus ein Bild dessen, was unter dem Lack ist. Die Genauigkeit ist dabei erstaunlich: „Mit entsprechender Erfahrung lässt sich durch das Thermografieverfahren nicht nur feststellen, wie dick zum Beispiel eine Spachtelschicht ist,“ erläutert Volker Carl, „es lässt sich sogar erkennen, welche Schichtstärke der Decklack hat – und ob er per Spritzcomputer sehr dünn und gleichmäßig oder von Hand aufgetragen wurde.“

Repariert oder ersetzt – die Thermografie zeigt es an?

Der Zweck der Übung, besser gesagt, ein möglicher Zweck, liegt auf der Hand: Volker Carl kann durch sein Thermografie Verfahren berührungsfrei und ohne die Oberfläche im geringsten zu verletzen, beurteilen, welchen Zustand die Karosserie unter einer intakten Lackschicht hat. Extrem hohes Interesse an so einem Verfahren besteht naheliegenderweise im Oldtimergeschäft, wo sich der Wert eines Fahrzeugs in hohem Maße dadurch definiert, ob es „orginallackiert“ und im Originalzustand ist oder eben nicht. „Classic Car Check“ nennt sich eine Firma, die Volker Carl gegründet hat, um diesen Bedarf zu decken. Aber auch im ganz normalen Gutachterwesen ist die scheinbare oder tatsächliche Unversehrtheit von Fahrzeugen oft Gegenstand von Diskussionen. „Mir ist es bereits selbst passiert, dass ich nach einer Reparatur an meinem Fahrzeug das Reparaturergebnis angezweifelt habe“, erinnert sich Carl. „Laut Reparaturrechnung wurde ein Kotflügel ersetzt und neu lackiert, mir schien er aber eher ausgebeult worden zu sein.“ Eine kleine Untersuchung per Thermografie sorgte für Klarheit. Das Bild zeigte die charakteristischen rotbraunen Flecken am Kotflügel – klares Indiz für Spachtelstellen. Der Werkstattleiter hätte nicht gedacht, dass ich so ein Verfahren anwende.“ Ganz verkehrt lag der Werkstattleiter nicht, denn bislang sind nur recht wenige Anlagen für thermografie im Markt, was vor allem am Preis für die Technik liegt. In der kompletten Ausbaustufe kostet ein System rund 40.000 Euro, eine Basisversion schlägt mit etwa 25.000 Euro zu Buche. Lohnen kann sich die Anschaffung dennoch, meint Volker Carl, zum Beispiel, wenn sich mehrere Sachverständige zusammenschließen und gemeinsam eine Anlage nutzen. „Eine gewisse Anzahl von Anwendungen sollte für die Thermografie aber gegeben sein“, räumt Volker Carl ein, „nicht nur, damit sich die Anlage amortisiert, sondern auch, weil regelmäßige Praxis und Erfahrung im Bereich der Thermografie vonnöten sind, um zuverlässige Ergebnisse zu erzielen.“

Strukturschaden oder nicht: Thermografie stellt ideale Lösung für CFK-Teile dar

Der Bedarf an Thermografiemessungen dürfte sich, so ist Carl überzeugt, noch deutlich erhöhen. Grund dafür ist der zunehmende Einsatz von CFK-Werkstoffen im Automobilbau. „Hier sehe ich zwei mögliche Anwendungen“, erklärt Carl. „Tragende CFK-Teile dürfen, wenn sie einen Strukturschaden haben, nicht repariert werden. Da ein Strukturschaden sich in der Wärmeleit- bzw. Speicherfähigkeit der Oberfläche niederschlägt, lässt sich mit dem Thermografieverfahren gut feststellen, ob ein solcher vorliegt. Umgekehrt ist es natürlich möglich, nachträglich festzustellen, ob eventuell zu Unrecht repariert wurde, obwohl ein Strukturschaden vorlag.“ Während die Prüfung von CFK-Werkstoffen an Autos noch eher mittelfristig interessant wird, hat Volker Carl bereits mit der Anwendung von Thermogafie reichlich Erfahrung an anderen Fahrzeugen gesammelt. „Immer mehr hochwertige Fahrradrahmen bestehen aus CFK. Nach einem Sturz ist es sehr schwer zu sagen, ob der äußerlich unversehrte Rahmen nicht doch einen Strukturschaden hat, der fatale Konsequenzen haben könnte“, erläutert Carl. In der Fahrradszene ist die CKF-Analyse per Thermografie bereits ziemlich bekannt, sodass regelmäßig CFK-Rahmen im Dinslakener Messlabor landen. Das wichtigste und lukrativste Anwendungsgebiet bleibt aber die Oldtimerbranche. Weil hier hohe Summen im Spiel sind, relativieren sich die Preise für eine Vermessung. Bleibt die Frage, ob eine günstigere Schichtdickenmessung nicht auch eine Alternative wäre. Volker Carl sieht das eher skeptisch: „Einzelne Punkt zu messen, ist ein bisschen wie Schiffe versenken spielen. Man kann Glück haben und einen Treffer landen. Aber man hat keine Vorstellung vom kompletten Zustand. Ein Bild sagt einfach mehr als tausend Messungen.“

ThetaScan GmbH
Dipl.-Ing. Volker Carl
Telefon: 02064 / 603512
Email: carl@thetascan.de

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