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Handgemachtes Coupé: Die effeffe Berlinetta

Die effeffe Berlinetta: kein Oldtimer, kein Neuwagen, keine Replika
Ein Traum in Rosso Alfa

Die Brüder Frigerio lassen Karosseriebau-Kunsthandwerk wieder auferstehen

Das steht sie nun, die effeffe Berlinetta; in einer unscheinbaren Werkstatt in Giussano, im nördlichen Industriegürtel von Mailand. Die Karosserie leuchtet in diesem wunderschönen 60er-Jahre-Alfa-Rot und sieht aus jeder Perspektive elegant, dynamisch, einfach perfekt aus. Griffe, Spiegel, Leisten, jedes Detail wurde sicht- und fühlbar aus edlen Materialien gefertigt – che bellezza, kann man da nur sagen. Eigentlich sollte man einen Artikel über dieses Auto sowieso auf Italienisch schreiben – wenn man könnte. Ein paar italienische Worte müssen aber auf jeden Fall fallen. Passione, Leidenschaft, zum Beispiel.

Passione heißt Leidenschaft

Mit der Passione ist es so eine Sache, sie kann einen dazu treiben, Dinge zu tun, die man vorher nie für möglich gehalten hätte. Die beiden Brüder Leonardo und Vittorio Frigerio, die im Brotberuf ein Industrieelektrik-Unternehmen in Verano Brianza, auf halbem Weg zwischen Como und Mailand, leiten, verfielen schon früh der Leidenschaft für historische Fahrzeuge und restaurierten im Laufe der Jahre mit immer professionellerem Anspruch zahlreiche Oldtimer, meist Alfa Romeos aus den 50ern und 60ern, als das Unternehmen mit der Drachenschlange im Logo Designikonen wie die Giulia TZ oder die Giulietta Sprint Speciale erschuf.

Und irgendwann brachte die Passione die beiden Frigerios – der Markenname „effeffe“ steht für das doppelte F – auf die Idee, selbst einen Sportwagen wie aus den 50er-Jahren komplett neu zu bauen. Leicht, schnell und wunderschön. „Wir wollten einen Gran Turismo bauen, mit dem man Samstagabend in die Oper und am Sonntag zum Rennen fahren kann“, erzählt Leonardo Frigerio, „und wir wollten das Auto genau so fertigen wie früher – tutto a mano, komplett von Hand.“ Erst war es nur ein Traum, dann eine fixe Idee, die immer mehr zum konkreten Projekt wurde. „Unser Konzept war das eines klassischen Fuoriserie, eines Fahrzeugs, dessen mechanische Komponenten mehr oder weniger stark der Serienproduktion entstammen, dessen Design und Karosserie jedoch von Handwerkern, man könnte auch sagen Kunsthandwerkern, entworfen und gestaltet werden.“

Triumph des Handwerks

Zum ersten Mal aufgetaucht ist der Begriff der Fuoriserie, als 1946 im Rahmen der „Premières journées d´élégance“ in Lausanne, einer Veranstaltungsreihe, die das Augenmerk auf die italienische Autoindustrie richten sollte, die großen Hersteller mangels neuer Modelle durch eine Gruppe von Karosseriebauern, carrozzieri, vertreten wurden. Deren Entwürfe basierten zwar auf mechanischen Serienkomponenten, sie begeisterten Presse und Fachwelt aber umso mehr durch Eleganz und extravagantes, innovatives Karosseriedesign – ein Triumph echter Handwerkskunst. Genau auf die waren auch die Brüder Frigerio angewiesen, um bei ihrem Projekt Berlinetta voranzukommen. Gesucht waren Handwerker, die nicht nur technisch umsetzen konnten, was den Brüdern vorschwebte, sie mussten auch – hier ist ein weiteres italienisches Wort unvermeidlich – „lo spirito“ haben, das Gefühl, die richtige Einstellung, man könnte auch sagen, den Glauben an das Projekt. „Da wir in der Oldtimerszene verwurzelt sind, war es nicht schwer, solche Experten zu finden“, erinnert sich Leonardo Frigerio, „das Problem war nur, dass die meisten schon im Ruhestand waren.“

Die richtige Einstellung

Allerdings waren sie, als ihnen das Projekt erklärt wurde, recht schnell vom „spirito“ erfasst, sodass sich in der Werkstatt in Giussano bald ein Team von echten Spezialisten, einige von ihnen schon weit in den 70ern, einfand: ein Rahmenbauer, der in der Lage war, einen leichten, aber stabilen Gitterrohrrahmen zu schweißen, zu schneiden und zu formen, ein Karosseriebauer, der direkt am Rahmen aus formlosen Aluminiumblechen einen harmonischen, eleganten Maßanzug formen konnte, ein Lackierer, der makellose Oberflächen schaffen konnte, und ein Motorentüftler, der für den Antrieb, einen komplett erneuerten und modifizierten Alfa-GT-Rennmotor mit 170 PS, verantwortlich war. „Die Arbeit am Wagen war echtes Teamwork“, erinnert sich Leonardo Frigerio. „Die Älteren gaben ihr Kow-how an Jüngere weiter, alle waren Feuer und Flamme für das Projekt, und so langsam nahm unsere effeffe Berlinetta Form an.“

Wer, zum Teufel, seid ihr?

Richtig Schwung kam in die Sache, als sich die Frigerios, ohne sich zunächst allzu viele Hoffnungen zu machen, um eine Teilnahme am Concorso d´Eleganza 2014, dem Schönheitswettbewerb für klassische Automobile, bewarben, der alljährlich auf dem Gelände des Grand Hotel Villa d´Este am Comer See stattfindet. Die Organisatoren brachten sie mit ihrer Berlinetta in Bedrängnis. Ein brandneues Auto, aber produziert wie vor über 50 Jahren – war das nun ein neues Fahrzeug oder ein Oldtimer? Man entschied sich dafür, die Berlinetta in der Kategorie „Prototypen und Konzeptfahrzeuge“ zuzulassen. „Als wir die Zusage bekamen, waren Freude und Stress gleich groß, denn nun mussten wir unser Projekt, das bis dahin reines Hobby war, unter Zeitdruck zu Ende bringen“, erinnert sich Leonardo Frigerio. Sie schafften es schließlich, und nicht nur das. Zwischen Prototypen renommierter Hersteller wie Aston Martin, Lamborghini oder Maserati stieß die Berlinetta auf ungeahnte Beachtung von Fans und Fachwelt. „Es war ein fantastisches Gefühl, dort zu sein und zu spüren, dass unsere Idee von so vielen geteilt wurde. Auch viele Vertreter von größeren Herstellern waren komplett fasziniert. Immer wieder hörten wir: Das Auto hat wirklich Persönlichkeit, aber wer zum Teufel seid ihr?“

Etwas wirklich Ernsthaftes

Offenbar hatte die effeffe Berlinetta einen Nerv getroffen. Oldtimer-Fachmagazine aus der ganzen Welt berichteten über dieses brandneue und doch so klassische Fahrzeug. Und es kam, wie es kommen musste – trotz eines veranschlagten Preises von rund 400.000 Euro trafen Bestellungen ein. „Da spürten wir, dass das mehr als ein Abenteuer war und etwas wirklich Ernsthaftes werden kann. Vielleicht sind einmal 20 Fahrzeuge pro Jahr denkbar“, spekuliert Leonardo Frigerio. Momentan entsteht eine Kleinserie von fünf Fahrzeugen, außerdem der Prototyp für ein Cabriolet. Gerade wurde die Karosserie gescannt, um für kleine Stückzahlen Formen zu bauen, ins Marketing wird investiert, an einer Händlerstruktur gearbeitet, Prospekte werden gedruckt. „Wir sind sogar dabei, einen kleinen Fächer mit möglichen Karosseriefarben zu entwickeln“, berichtet Frigerio. Aber ganz ehrlich: Eigentlich geht für dieses Fahrzeug nur Rosso Alfa.
Michael Rehm

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