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Autos vom anderen Stern

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Autos vom anderen Stern

Ungewöhnlicher Auftrag: Komplett-Verchromung mit Folie

Es begann mit einer E-Mail, die eines Februarmorgens auf dem Bildschirm von Lackierermeister Hans Gärtner aufleuchtete: Für den Mercedes-Benz Pkw-Kalender 2004, Arbeitstitel „Cars from the Stars“, hatte sich der renommierte Stuttgarter Fotograf Dietmar Henneka in den Kopf gesetzt, verschiedene Mercedes-Modelle komplett zu verchromen und an Locations in ganz Europa zu fotografieren. Dass nur eine Verchromung mittels Folie möglich sein würde, ahnte Henneka bereits. Die Frage war nun, ob die Firma Danelon und Gärtner, auf deren Homepage der Fotokünstler auf der Suche nach passenden Anbietern gestoßen war, in der Lage wäre, weiterzuhelfen.

Gleich ein ganzes Auto?
Mit dem aufwändigen „echten“ Verchromen von Spiegelgehäusen, Motorradhelmen und anderen Kleinteilen hatte Hans Gärtner, dessen Betrieb sich in Salach bei Göppingen befindet, bereits Erfahrungen gemacht, und Chromfolie hatte er bei Fahrzeugbeschriftungen schon häufig eingesetzt. Aber gleich ein ganzes Auto? „Anfangs war ich sehr skeptisch“, erinnert sich Gärtner. „Aber die Sache ließ mir keine Ruhe; das Projekt war einfach zu reizvoll. Zusagen wollte ich allerdings erst, sobald ich mir sicher sein konnte, dass die Sache funktioniert.“
Am selben Tag noch bestellte er von allen Herstellern, die er ausfindig machen konnte, Musterfolien und begann bald darauf mit Versuchen, die sich über eine ganze Woche hinziehen sollten. Seine Skepsis erwies sich sehr bald als begründet. „Chromfolien verhalten sich beim Anpassen an dreidimensionale Untergründe völlig anders als üblicherweise zum Bekleben von Autos verwendete Folien. Manche Chromfolien, die wir erhielten, waren zu starr, andere zu weich. Manche wurden matt, wenn wir sie vor dem Aufkleben erwärmten, andere wurden milchig-weiss, sobald sie beim Aufkleben unter Spannung gerieten – es war, kurz gesagt, ein Albtraum.“
Dazu kam, dass von den Herstellern der Folien nicht allzuviel Hilfe zu erwarten war. Aufgrund der hohen Reflexionswerte darf der Chrom-Anteil an einem Auto, um die Straßenverkehrszulassung nicht zu gefährden, nur relativ gering sein. Das Interesse der Hersteller an einer Folie zur Verchromung kompletter Autos ist daher denkbar gering, wie Hans Gärtner und sein Kollege Marco Münkel erfahren mussten: „Viele Hersteller wussten überhaupt nicht, was wir eigentlich von ihnen wollten.“
„Die Verchromung funktioniert“
Nachdem Gärtner und sein Team gut ein Dutzend Folien ausprobiert hatten, stießen sie schließlich auf ein Produkt, das sich mit großer Mühe und dem erarbeiteten Know how den Formen eines Fahrzeugs anpassen ließ. „Erst probierten wir einzelne Teile wie Motorhauben oder Stoßstangen aus. Um völlig sicher zu sein, beklebten wir schließlich den Vorderwagen eines Mercedes Sportcoupés. Erst danach wusste ich: „Das Projekt kann starten. Die Verchromung eines Autos mit Folie funktioniert.“
„Das Projekt ist gestorben. Die Verchromung eines Autos funktioniert nicht“, lautete dagegen die Antwort von Dietmar Henneka, als Hans Gärtner ihm die vermeintlich frohe Kunde überbringen wollte. Auch das Produktionsteam war nämlich in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen. Dietmar Henneka war eigens in die USA gereist, um mögliche Anbieter unter die Lupe zu nehmen, doch die Ergebnisse waren wenig glanzvoll. „Eine Firma ist schon an einfachen Musterteilen gescheitert“, erinnert sich Henneka, „eine andere brachte der Titel unseres Projekts „Cars from the Stars“ anscheinend dazu, eine astronomische Summe von 700.000 Dollar für eine echte Verchromung zu verlangen.“
Um so erstaunter war Henneka, als sich im Laufe des Gesprächs mit Hans Gärtner herausstellte, dass in dessen Betrieb in der Nähe von Göppingen, nur rund 50 Kilometer vom Stuttgarter DaimlerChrysler-Stammsitz entfernt, doch noch die Lösung des Problems zu finden sein sollte. „Von da an ging alles ganz schnell“, berichtet Hans Gärtner.
„Nur eine Stunde nach dem Telefonat standen Dietmar Henneka und einige mit dem Projekt befasste DaimlerChrysler-Mitarbeiter auf dem Werkstatthof, um sich unsere Ergebnisse anzuschauen.“ Noch am Abend kam der Auftrag. Und mit dem Auftrag kam der Stress. Insgesamt neun Fahrzeuge, vom E-Klasse Kombi bis zum SL-Roadster, wurden in den darauffolgenden Wochen zu chromglänzenden Prunkstücken.
„Jedesmal, wenn wieder ein Fahrzeug zu uns gebracht wurde, arbeiteten wir Tag und Nacht, Samstags und Sonntags.“ Über hundert Arbeitsstunden waren Gärtner und seine Kollegen, oft unter den kritischen Augen von Dietmar Henneka, an jedem einzelnen Auto beschäftigt. Leicht konnte es bei dem empfindlichen Folien-Werkstoff passieren, dass ein Moment der Unachtsamkeit die Arbeit von mehreren Stunden zunichte machte. Hans Gärtner: „Sobald der kleinste Knick in die Folie gekommen war, musste das komplette Teil neu beschichtet werden.“ Rund 25 Qudratmeter Folie wurden schließlich pro Fahrzeug benötigt. Insgesamt verarbeiteten Hans Gärtner und Marco Münkel Folie im Wert von über 12.000 Euro. Abschließend polierten sie jedes Fahrzeug sorgfältig auf, um es optimal für das Fotoshooting zu vorzubereiten.
In Schutzhüllen verpackt und auf ein Containerfahrzeug verladen, verließen die chromglänzenden Unikate den Werkstatthof und wurden zu den zwölf über ganz Europa verstreuten Schauplätzen gebracht, die sich das Produktionsteam ausgesucht hatte – von Silvaplana nach Lissabon, von Aix-en-Provence bis Wien.
Die Mission von Hans Gärtner und seinem Team war damit aber noch nicht erfüllt: „Um die Folie perfekt anpassen zu können, mussten wir sie ziemlich stark erhitzen. Sobald die Folie aber wieder erkaltet war, saß sie bombenfest und war steinhart.“ Ein Problem? Ja, wenn der Auftrag auch das Abziehen der Folie enthält. Alle Fahrzeuge standen, nachdem sie fotografiert worden waren, wieder auf dem Hof der Firma Danelon und Gärtner. Aber das Abziehen der silbrigen Haut erwies sich als reichlich mühsam. Während sich übliche Autofolien einigermaßen komfortabel ablösen lassen, glich die Entfernung der Chromfolie in punkto Zeitaufwand und Teilchengröße dem Abrubbeln österreichischer Autobahnvignetten. „Beim Abziehen der Folien arbeiteten wir am Ende zu dritt“, erzählt Hans Gärtner lachend, „zwei zogen an der Folie, einer hielt den Heißluftföhn.“ So aufwändig der Auftrag auch war – Hans Gärtner lässt keinen Zweifel daran, dass sich die Mühe gelohnt hat. Und das nicht nur, weil die Folienverchromung gut honoriert wurde. „Das Kalenderprojekt hat auch noch richtig Wellen geschlagen“, freut sich Gärtner „und wir haben schon einige Anfragen wegen ähnlicher Aufträge bekommen.“ Einer steht sogar schon in der Werkstatt: Zum 50jährigen Geburtstag des 300 SL-Flügeltürers soll ein Fahrzeug eine ganz besondere Gestaltung erhalten. Hans Gärtner hat schon wieder Chromfolie geordert. MR

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