Folierte Testwagen, so genannte Erlkönige, verschleiern ihre Form – und fallen gerade deshalb auf
Armin Scharf
Beim Stichwort Tarnung denkt man wohl zuerst an Erdfarben, an stumpfes Grau und wolkige oder zackige Farbflächen, die Formen auflösen und mit dem Hintergrund verschwimmen lassen. Vor allem militärisch sind visuelle Tarnmuster nach wie vor Stand der Technik, auch wenn das Verbergen von Wärme- und Radarsignaturen längst wichtiger geworden ist. Interessant ist übrigens, dass die Farbtarnung noch gar nicht so alt ist. Erst während des Ersten Weltkrieges erkannte man die Notwendigkeit für eine systematische Anwendung. Heutige Erlkönige sind meistens schwarz-weiß. Dass man dabei früher durchaus auch Buntfarben einsetzte, zeigen die Muster, die ab 1917 auf Flugzeugen appliziert wurden.
Seit wann gibt es Farbtarnung?
Friedrich Riemschneider, eigentlich Kunstmaler, entwickelte ein Schema aus vieleckigen Flächen, das Rot, Grün, Blau, Gelb und Violett kombinierte, um die Konturen der Flugzeuge verschwimmen zu lassen. In der Folgezeit veränderten sich die Farben, die Muster und die Übergänge der Farbflächen immer wieder, wurden aber nie mehr so bunt. Doch nicht allein die Militärs setzen auf Tarnung. Auch Fahrzeughersteller verbergen ihre neuesten Fahrzeugmodelle, solange sie noch als Testwagen auf öffentlichen Straßen unterwegs sind. Spätestens zwei Jahre vor der offiziellen Markteinführung starten die Erlkönige zu Versuchsfahrten durch die Lande. Um bis dahin nicht allzu viel von den Designdetails zu verraten, werden die Fahrzeugformen modifiziert. Traditionell geschieht dies mittels partiell applizierten mattschwarzen Folien in Kombination mit Schaumstoffelementen. So verschwinden charakteristische Designmerkmale wie Scheinwerfer, Öffnungen, Fenster oder Linienführungen. Zudem erschwert das Schwarz die Herstellung kontrastreicher Fotos.
Erlkönige in Schwarz-Weiß
Doch diese Tarnmethode hat seit einigen Jahren Konkurrenz bekommen, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint. Immer mehr Autobauer nutzen Folien meist in schlichtem Schwarz-Weiß gehalten, dafür umso verwirrender gemustert. Auf diese Weise löst sich nicht nur die Gesamtform des Fahrzeuges für das Auge auf, auch Details gehen im optischen Chaos unter. Auch diese Folierung lässt sich mit Unterfütterungen, mit falschen Türgriffen, Spiegeln oder Rücklichtern in ihrer täuschenden Wirkung verstärken.
Jeder Hersteller benutzt sein eigenes Tarnmuster
Erstmals dürfte Opel diese Tarnmethode richtig genutzt haben. Inzwischen sind alle Hersteller damit unterwegs. Wobei jeder Autobauer sein eigenes Muster nutzt – und dieses immer wieder verändert. Als Opel 2009 den Prototypen des Astra auf die Straßen schickte, nannte sich das per Siebdruck applizierte Muster „Flimmy“. Dann folgte das Muster „Wirries“ und 2012 beim Adam „Cube“ die nächste Tarnungs-Generation. Zehn Spezialisten arbeiten bei Opel an der Entwicklung und der Umsetzung der Tarnung. Bei BMW wurde sogar eine Diplomarbeit zu diesem Thema ausgeschrieben – worauf offenbar das BMW-eigene Dessin aus vielformigen Strudeln, Kringeln und Bögen basiert. Die gezielte Verschwurbelung der Fahrzeuge soll auch das Fotografieren erschweren. Und die Nachbearbeitung, um gezielt Details herauszuarbeiten. Tarnen durch Auffallen – was zunächst wie ein Widerspruch klingt, erfüllt seinen Zweck mehr als gut. Bleibt abzuwarten, wann die Verwirrfolien in das Tuning-Sortiment der Autobastler aufgenommen werden.
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