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Wärme, Luft und Strahlung

Technik
Wärme, Luft und Strahlung

Bei der Wasserlacktrocknung konkurrieren die unterschiedlichsten Verfahren

Der Beitrag basiert mit Ausnahme der Interviews auf Informationen der Standox GmbH, Wuppertal

Seit der Einführung von Wasserbasislacken steht die Frage der Trocknung der Materialien im Mittelpunkt der Diskussion. Dass unter vergleichbaren Bedingungen Wasserbasislacke langsamer trocknen als Materialien auf Lösemittelbasis, ist ein Naturgesetz, das mit den physikalischen Eigenschaften von Wasser zu tun hat. Jeder Trocknungsprozess von flüssigkeitshaltigen Stoffen basiert auf Wärmeübertragung. Doch was ist darunter zu verstehen?
Jeder kennt das Prinzip der Wärmeleitung. Die Wärmeübertragung erfolgt durch den direkten Kontakt eines Kör- pers mit höherer Temperatur zu einem Körper mit niedrigerer Temperatur und wird deshalb auch Kontaktwärme genannt. Das Prinzip lässt sich täglich in Millionen Küchen beobachten, die Kontaktwärme ist aber für die Lacktrocknung weitestgehend uninteressant – ganz im Gegensatz zur Konvektionswärme.
Konvektive Trocknung
Unter konvektiver Trocknung versteht man das Prinzip der Umlufttrocknung. Hierbei wird das zu erwärmende Objekt mittels eines Übertragungsmediums, z.B. Luft, erwärmt. Die Erwärmung erfolgt durch den Wärmeübergang von der Luft über die Außenfläche an den Körper. Innerhalb des Objektes sorgt die Wärmeleitung für eine gleichmäßige Temperaturverteilung. In Bezug auf Flüssigkeiten bringt die konvektive Trocknung einen weiteren Vorteil: Durch den permanenten Luftstrom werden die verdampften Flüssigkeiten zügig abgeführt. Kombi-Kabinen arbeiten nach dem Prinzip der konvektiven Trocknung.
Der erwärmte Luftstrom überträgt also seine Wärmeenergie auf das lackierte Objekt und transportiert die verdunsteten Lösemittel ab. Damit dieser Trocknungsprozess optimal funktioniert, sollte eine Standard-Kombikabine nach heutigem Stand der Technik folgende Kriterien erfüllen:
  • Kabinenmaße Lackierkabinen mit Innenabmessungen von 7 x 4 x 3 m (LxBxH)entsprechen dem heutigen Standard. In diesen Kabinen lassen sich in der Pkw-Lackierung optimale Verarbeitungsbedingungen erreichen.
  • Luftsinkgeschwindigkeit Nach der DIN ISO 13355 darf bei neuen Anlagen der Wert der vertikalen Luftsinkgeschwindigkeit nicht unter 0,3 m/s liegen. Damit lassen sich optimale Beschichtungsergebnisse erzielen. Wichtig ist dabei die gleichmäßige Verteilung der Strömung, d.h., dass in jeder Zone der Kabine die gleichen Bedingungen herrschen.
  • Luftvolumenströme und Heizleistung Bei einem Kabinenquerschnitt von 28 qm und einer Luftsinkgeschwindigkeit von 0,3 m/s beträgt der Abluftvolumenstrom 30.000 Kubikmeter pro Stunde. Demzufolge darf der Anschlusswert der Heizanlage nicht unter 300 kW liegen.
  • Filter Damit eine wirbelfreie Bauweise gewährleistet ist, sollte sich die Filterfläche über die gesamte Decke erstrecken. Parallel dazu empfiehlt sich eine Berostung für den gesamten Kabinenboden.
  • Energieverbrauch Neben einer guten Wärmeisolierung sollte die Lackierkabine über eine integrierte Wärmerückgewinnungsanlage verfügen. Ideal sind auch so genannte „Ablüftautomatiken“, die speziell das forcierte Abdunsten von wasserverdünnbaren Lacken unterstützen. Diese anfänglichen Mehrinvestitionen machen sich schnell positiv bei den Energiekosten bemerkbar.
Luftbeschleunigungssysteme
Jeder kennt das Prinzip: Nach dem Duschen trocknen die Haare mit Hilfe eines Föhns viel schneller als ohne. Luftbeschleunigungssysteme arbeiten genauso. Dabei wird zusätzliche Luft zielgerichtet auf die zu trocknende Oberfläche gebracht. Die beschleunigte Kabinenluft forciert den Ablüftprozess. Zwei verschiedene Verfahren werden eingesetzt:
  • Abblassysteme nach dem Venturi-Effekt Über einen geringen Durchmesser wird Druckluft aus dem Kompressor in einen nach hinten offenen Düsenkörper geführt. Dabei entsteht ein Unterdruck, der zusätzliche Kabinenluft ansaugt. Der so beschleunigte Luftstrom wird auf die Oberfläche gerichtet.
  • Integrierte Abblasesysteme Integrierte Abblassysteme arbeiten ausschließlich mit Kabinenluft. Der notwendige Luftstrom wird unmittelbar an der Filterdecke der Lackieranlage entnommen. Die beschleunigte Kabinenluft wird dann über Düsen gezielt ausgeblasen. Bei beiden Verfahren verursacht die Luftbewegung Bereiche mit stärkeren Strömungen, die das Abdunsten beschleunigen. Wenn die Anlage zusätzlich noch eine so genannte „Flash-Off“-Schaltung aufweist, die dafür sorgt, dass sich die Luft kurzzeitig erwärmt, dann lässt sich der Trocknungsprozess noch weiter verkürzen.
Luftbeschleunigungssysteme lassen sich zum Teil auch nachträglich in bestehende Anlagen integrieren. Nachrüstsysteme entnehmen die Kabinenluft an der Filterdecke und beschleunigen sie über Ventilatoren. Über ein aufgesetztes Rohrleitungssystem gelangt der Luftstrom zu verstellbaren Ausblasdüsen. Die Investitionskosten schwanken sehr stark. Je nach Hersteller und eingesetztem Verfahren liegen sie zwischen 2.500 und 12.500 EUR.
Vorsicht: Der Einsatz von Abblassystemen kann bei falscher Ausrichtung zur oberflächlichen Abtrocknung des Lackes führen. Das Lösemittel, speziell bei wasserbasierten Lacken, wird in diesem Fall unter der gebildeten Haut eingeschlossen.Obwohl der Film matt abgezogen erscheint, befindet er sich in einem „teigigen“ Zustand. Probleme mit Durchtrocknung, Härte und Glanz sind die Folge. Unter Umständen können sich auch Oberflächendefekte bilden.
Ablüften per Handarbeit
Bereits seit einigen Jahren werden im Markt auch Hand-Abblassysteme angeboten. Diese Systeme lassen sich im Gegensatz zu fest eingebauten flexibler einsetzen. Kleine Beilackierungen lassen sich per Hand abblasen. Für größere Flächen bieten die Hersteller Stativ-oder Wandhalterungen an. Handabblassysteme arbeiten nach dem Venturi-Prinzip. Da sie mittels Druckluft die Kabinenluft ansaugen und beschleunigen, ist bei der Amortisationsrechnung nicht nur die Investition in die Abblaspistolen zu betrachten. Der Lackierbetrieb muss bei der Kalkulation auch den hohen Bedarf an teurer Druckluft berücksichtigen.
Infrarot-Trocknungssysteme
Hierbei wird die Wärme durch die Übertragung elektromagnetischer Strahlungsenergie weitergegeben. Der Effekt ist von der Sonne bestens bekannt. IR-Trocknungssysteme basieren auf dem selben Prinzip. Objekte, die der elektromagnetischen Strahlung ausgesetzt sind, nehmen diese zum Teil auf. Die Atome und Moleküle im Körper werden in Schwingungen versetzt, und die Wärme entsteht, vereinfacht ausgedrückt, durch Reibung. Interessant zu wissen: Es erwärmt sich hierbei immer nur das Objekt, das die Strahlung absorbiert.
Die zu überbrückende Umgebung wird nicht erwärmt, sofern sie stofflos ist.
Das Verfahren der Infrarottrocknung ist im Prinzip nicht neu. Schon in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts nahm Ford die ersten Infrarottrockner in der
Fahrzeuglackierung in Betrieb. Die Infrarotstrahlung wird in drei technisch nutzbare Gruppen eingeteilt:
  • kurzwellig (Strahlungsmaximum 0,8 µm – 2,0 µm)
  • mittelwellig (Strahlungsmaximum 2,0 µm – 4,0 µm)
  • langwellig (Strahlungsmaximum 4,0 µm – 6,0 µm)
Die übertragene elektromagnetische Strahlung wird dabei beim Auftreffen auf den Lackfilm von dessen Molekülen absorbiert. Diese werden in Schwingungen versetzt, erwärmen sich, und flüchtige Bestandteile des Lackfilms verdunsten. Dabei gilt: Je kürzer die Wellenlänge, desto tiefer dringt die Wärmestrahlung in den Lackfilm ein, und umso höher ist die Wärmeleistung. Allerdings liegt in der Kürze der Wellenlänge auch eine Gefahr, denn zu kurze Wellenlängen sind eher für Speziallacke geeignet. Eine effiziente und schonende Trocknung ist daher im Strahlungsbereich von 2,0 µm gewährleistet (schnelle Mittelwelle). Die Wirkung der Strahlungsenergie wird nicht nur von der Wellenlänge und der Intensität der Bestrahlung beeinflusst. Weitere Faktoren bestimmen den Trocknungsprozess: So bewirkt die Reflexion am Lackfilm, dass ein Teil der Strahlung nicht eindringt und somit wirkungslos bleibt. Auch der Farbton entscheidet über die Wirkung der Strahlung. Ein Metallic- oder heller Farbton unterstützt die Reflexion stärker als ein dunkler Farbton.
Energie sparen
In Lackier-und Trockenkabinen werden relativ große Luft-und Wärmemengen erzeugt und bewegt. Große Ventilatoren mit den entsprechenden Anschluss-und Verbrauchswerten sorgen für die erforderliche Umwälzleistung. Ebenfalls großzügig dimensioniert ist die Befeuerungsanlage. Gerade in nordeuropäischen Ländern mit breiten Temperaturschwankungen ist das auch notwendig, damit auch bei niedrigen Außentemperaturen der Luftvolumenstrom entsprechend aufgeheizt werden kann. Das führt dazu, dass Lackier- und Trocknungsanlagen gigantische Energiefresser sind.Eine einzige Pkw-Kombikabine hat einen Wärmebedarf, der problemlos zur Beheizung von sieben bis zehn Einfamilienhäusern reicht. Es gilt also nicht nur, die Trocknung von Wasserlacken zu beschleunigen, sondern auch die eingesetzte Energie effizienter zu nutzen.
Wärmerückgewinnungsanlagen
In der Nachrüstung einer bestehenden Anlage sind Wärmerückgewinnungs- anlagen in erster Linie für Betriebe mit einem hohen täglichen Fahrzeugdurchsatz interessant. Die Wärmerückgewinnung arbeitet nach dem Prinzip eines Wärmetauschers. Die aufgeheizte Abluft erwärmt beispielsweise einen Plattentauscher, der die Wärmeenergie an die kalte Zuluft wieder überträgt. Damit weist die Zuluft eine geringere Temperaturdifferenz zur Zieltemperatur auf und muss dementsprechend weniger aufgeheizt werden.
Energiesparschaltungen
Einfach, schnell und wirkungsvoll lässt sich Heizenergie mit einem Bypass-System einsparen. Die größte Energiever- schwendung findet im Standby-Betrieb statt. Damit sind Laufzeiten gemeint, in denen nicht lackiert, abgelüftet oder getrocknet wird. Während dieser Phase wird die Frischluft permanent auf eine Arbeitstemperatur von 20 – 25 °C gebracht. Gerade in der kalten Jahreszeit ist die dazu notwendige Heizleistung enorm. Nachdem nun der Luftstrom durch die Kabine geführt wurde, wird er in der Regel einfach in die Umwelt entlassen. Das in Heizenergie investierte Geld wird „durch den Schornstein geblasen“. Ein Bypass-System sorgt dafür, dass die Kosten für thermische Energie um bis zu 60 Prozent sinken. Statt die aufgeheizte Kabinenluft ungenutzt in die Umwelt zu entlassen, werden ca. 80 Prozent des Abluftstroms über einen Bypass der Zuluft wieder zugeführt. Somit wird weniger Kaltluft angesaugt, was dazu führt, dass sich der Energieeinsatz für den Lufterhitzer drastisch reduziert. Die Anlage läuft automatisch und druckluft-schwankungsfrei. Die Elektronik sorgt dafür, dass während des Lackierprozesses der Bypass geschlossen wird und wieder der volle Luftstrom zur Verfügung steht. Damit bleibt die erforderliche Frischluftzfuhr gewährleistet.
Frequenzumformung
Auch ein Frequenzumformer sorgt für Energieeinsparungen im Standby-Betrieb. Richtet sich das Bypass-System gegen unnötig verbrauchte Heizenergie, konzentriert sich der Frequenzumformer auf den Stromverbrauch der Elektromotoren im Standby-Betrieb. Das hohe Leistungspotenzial von beispielsweise 7,5 kW wird in der Lackierkabine nur während des Spritz-und Trocknungsbetriebes benötigt. Während der Vorbereitungsarbeiten, die immerhin 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit einnehmen, genügt eine reduzierte Belüftung der Lackierkabine. Totzdem steht üblicherweise auch im Standby-Betrieb die volle Leistung zur Verfügung und verbraucht Strom und Wärmeenergie. Der Frequenzumformer arbeitet dagegen wie ein „Dimmer“. Die Ventilatoren werden auf eine zur Zwangsbelüftung erforderliche Mindestleistung heruntergeregelt. Zusätzlich sperrt ein Magnetventil in der Druckleitung die Druckluftzufuhr. Im Spritz- wie im Trocknungsbetrieb ermöglicht der Frequenzumformer einen synchronen und langsamen Anlauf der Motoren auf die erforderliche Betriebsdrehzahl. Dieser kleine Eingriff reduziert den Energieverbrauch um 30 bis 40 Prozent. Aus Sicherheitsgründen darf im Spritz-und Trocknungsbetrieb die erforderliche Luftleistung nicht reduziert werden, da andererseits auch bei der Bearbeitung von kleinen Teilen bereits Explosionsgefahr besteht.
Flash-off-Schaltung
Flash-off-Schaltungen wurden speziell für das forcierte Ablüften von wasserverdünnbaren Lacken entwickelt. Die vergleichsweise langen Abdunstzeiten der Wasserbasislackfilme bei Arbeitstemperatur führen zu unproduktiven Betriebszeiten von 20 bis 30 Minuten. Diese Zeiten lassen sich auf acht bis zwölf Minuten reduzieren, indem die Prozesstemperatur in der Kabine kurzzeitig auf ca. 45 °C erhöht wird.
Dieser Vorgang kann zwar manuell erfolgen, dieser Weg ist jedoch nicht empfehlenswert. Denn die Gefahr ist groß, dass bei einer manuellen Bedienung der Kabine die Temperatur zu hoch oder die Prozesszeit zu lang gewählt werden. Der Effekt bei einer fehlerhaften Bedienung: Oberflächendefekte wie Kocher oder Strukturbildung nach der Klarlackapplikation. Die Flash-off-Schaltung löst diese Aufgabe sicher und zuverlässig. Nahezu jede Kombikabine lässt sich nachträglich damit ausrüsten, und forciertes Ablüften ist per Knopfdruck realisiert. Die Automatik schaltet dabei die Anlage von Frisch- auf Umluftbetrieb, erhöht die Kabinentemperatur auf den Vorgabewert und schaltet die Anlage nach Ablauf der Prozesszeit wieder in den Frischluftbetrieb.

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