Man kann es ruhig angehen lassen im Hotel. Mal ein paar Tage oder auch deutlich länger nichts tun und es sich an einem schönen Platz gut gehen lassen. Man kann im Hotel aber auch die Wellness-Variante buchen – renovierungsbedürfig ankommen und sich einer Rundum-Überholung unterziehen. Beide Möglichkeiten bietet das „Oldtimer Hotel Saalfeld“ – allerdings nicht für Oldtimerbesitzer, sondern für deren Schätze auf vier Rädern.
Am Anfang stand ein Hobby: Das Oldtimerhobby von Hubert Hess, dem Geschäftsführer der Durst Lackier- und Trocknungsanlagen GmbH in Saalfeld, dem Unternehmen, ohne das diese Geschichte nicht möglich gewesen wäre. Doch dazu später mehr. Einige Oldtimer waren bereits im Besitz der Familie, mehrere sollten über die Jahre folgen. Doch wohin mit den schönen Oldtimern? Diese Frage beantwortete Hubert Hess mit dem Oldtimerhotel: „Der Gedanke war, dass man einen Ort hat, um Oldtimer sicher unterzustellen und sie Interessierten zu präsentieren.“ Auf dem weitläufigen Firmengelände von Durst in Saalfeld, einer ehemaligen Großbäckerei, wurde schnell ein Platz gefunden. Ebenso schnell wurde klar, dass auch andere Oldtimerbesitzer, Kunden und Bekannte aus der Gegend Bedarf an einem repräsentativen Stellplatz hatten. Sie können hier ihre Fahrzeuge im Oldtimerhotel lagern und je nach Bedarf für eine Fahrt aus der großen „Garage“ holen.
Alles unter einem Dach
Wo Oldtimer sind, da ist der Restaurierungsbedarf natürlich hoch. Was lag da näher, als mit dem Know-how, das Durst unter anderem im Bereich Strahlen und Lackieren hat, entsprechende Kapazitäten aufzubauen – und zwar nicht irgendwo, sondern in direkter Nähe zum Oldtimerhotel. „Während der Entstehung des Hotels hat es sich herauskristallisiert, dass wir eine Kombination aus verschiedenen Gewerken rund um das Thema Oldtimer hier an einem Ort versammeln möchten. Den Anfang machten die Bereiche Karosseriebau und Strahlen. Wir hatten aber noch keinen Lackierer“, erzählt Durst-Marketingleiter Willi Schaup. Mit der Ausrüstung für eine professionelle Lackierwerkstatt konnte Durst logischerweise dienen. Und ziemlich bald war auch ein Lackierer mit der notwendigen Oldtimer-Expertise gefunden.
„Viele Kunden haben Ihren Wagen früher durch die ganze Republik gekarrt, vom Strahler zum Karosseriebauer zum Lackierer“, erzählt Robin Seifarth, der mit den Firmen Strahlwerk Deluxe und Original Paintshop die Bereiche Strahlen und Lackieren verantwortet. „Der Vorteil unseres Oldtimerhotels liegt auf der Hand: Hier sind alle Gewerke an einem Ort versammelt. Es gibt keine langen Wege, weder beim Transport noch bei irgendwelchen Absprachen. Wir sind eigenständige Unternehmen, ziehen aber alle an einem Strang. Unser hoher Anspruch an die Qualität bei einer Restaurierung ist etwas, was uns besonders verbindet.“
Die Wünsche der Kunden sind oft ganz unterschiedlich, wie Willi Schaup betont: „Häufig übernehmen die Gewerke des Oldtimerhotels nur einzelne Arbeitsschritte. Manche Kunden benötigen nur Arbeiten an der Karosserie, andere holen das Fahrzeug oder die Teile fertig grundiert oder sogar lackiert ab.“ Wer bei den Experten im Oldtimerhotel landet, hat meistens selbst Erfahrung und Lust zum Schrauben. „Es kommt aber auch vor, dass Kunden selbst einfach nicht die Zeit haben, um an ihrem Oldtimer zu arbeiten. In diesem Fall können hier auch alle Arbeiten von Karosserie über Lack bis hin zum Polster übernommen werden.“ Kunden mit dem passenden Kleingeld und wenig Zeitdruck holen ihr Schmuckstück dann als fertiges und komplett restauriertes oder modifiziertes Lieblingsstück ab.
Farbe runter, Farbe rauf
Eine tiefgehende Restaurierung fängt meistens wo an? Genau, beim gründlichen Freilegen der Karosserie. Erste Station vieler Aufenthalte im Oldtimerhotel ist daher das von Robin Seifarth geleitete „Strahlwerk Deluxe“. „Wir arbeiten vor allem mit sehr schonenden Verfahren“, erklärt Seifarth. „Schließlich gibt es bei den Entlackungs- und Strahlmitteln beziehungsweise -methoden enorme Unterschiede. Benutzt man hier das falsche, verfremdet man die ganze Optik. Oft werden Oldtimer noch mit Sand, Schlacke oder Korund gestrahlt. Das ist für einen Oldtimer absolutes Gift.“ Beim Strahlwerk Deluxe kommt daher in erster Linie Kunststoffgranulat zum Einsatz. Die Strahlanlage kommt, wie könnte es anders sein, von Durst.
Zum Strahlwerk Deluxe gehört auch der Original Paintshop. „Gerade beim Lack lässt sich auch in der Oldtimerszene ein klarer Trend zur sanften Restauration erkennen“, hat Robin Seifarth beobachtet. „Während vor einigen Jahren der Lack komplett erneuert wurde, damit das Fahrzeug praktisch wie neu ausschaut, stehen die Kunden heute mehr auf Patina und Historie. Oldtimer mit Original-Lackierung, sofern diese noch halbwegs vernünftig aussieht, sind häufig viel mehr wert, als wenn diese neu lackiert werden. Und manchmal ist ein alter Aufkleber wichtiger als eine hochglänzende Oberfläche.“
Den Oldies ans Blech gehen
Ähnlich behutsam geht man bei Classic Constructions vor, der Karosserieabteilung des Oldtimerhotels. Der Betrieb von Fahrzeug- und Karosseriebauer Maximilian Zickhardt übernimmt selbst die schwierigsten Arbeiten an Oldtimern. Die größte Herausforderung besteht oft darin, dass Ersatzteile rar oder gar nicht erhältlich sind. Was machen echte Karosseriebauer in einem solchen Fall? Natürlich selber bauen.
„Das von Grund auf neue Anfertigen kompletter Teile hat in der Ausbildung keine große Rolle gespielt“, erklärt der Karosserieexperte. „Man eignet sich dieses Können mit der Zeit an. Dazu gehört ein gewisses Talent und besonders die Leidenschaft.“ Begonnen hat diese Spezialisierung auch bei ihm durch eigenes Interesse: „Ganz am Anfang habe ich mal einen T1-Bus restauriert. Da passen kaum Ersatzteile, weil die von den Maßen her alle unterschiedlich sind. Also habe ich die Teile selbst gebaut. Und je mehr man selber anfertigt, desto mehr Geschicklichkeit entwickelt man.“
Die ganz hohe Kunst
Bei diesem Seitenwagen einer alten Harley Davidson konnten auch die Profis nichts mehr retten. Komplett zerrostet und nur noch aus Einzelteilen bestehend, war dieses Teil reif für den Schrott. Maximilian Zickhardt und sein Team bei Classic Constructions bauten dieses Teil daher von Grund auf neu: „Wir haben eigene Schablonen angefertigt und anhand von Bildern den Seitenwagen neu
aufgebaut.“
Pläne für die Zukunft
Wenn ein Hotel ständig ausgebucht ist, bietet sich ein Anbau an – das gilt auch für das Oldtimerhotel. „Wir möchten das Hotel noch weiter ausbauen und den einzelnen Gewerken durch eine Erweiterung auf dem Firmengelände mehr Platz geben“, berichtet Hubert Hess. Zur Zeit befindet sich der Restaurationsbereich noch im selben Gebäude wie die Fertigungsstrecke von Durst. Das soll sich jedoch ändern. „Die Hallen, in denen bisher noch die Kabinen gefertigt werden, sollen in Zukunft nur noch für das Oldtimerhotel und dessen Gewerke sein. Die Fertigung zieht in neue Gebäude um.“
Doch nicht nur räumlich wird das Oldtimerhotel ausgebaut, sondern auch fachlich. Hubert Hess: „Eine junge Sattlerin wird sich demnächst dem Oldtimerhotel anschließen und so unseren Service um einen weiteren entscheidenden Bereich erweitern. Außerdem wird sich noch ein Spezialist für die Restaurierung historischer Zweiräder hier ansiedeln.
Mit dem Herzen denken
Der Oldtimerboom ebbt nicht ab, obwohl man meinen könnte, dass der Bedarf irgendwann gesättigt sein sollte. Hubert Hess erklärt dieses Phänomen damit, dass Oldtimer einerseits eine stabile Wertanlage sind und gleichzeitig das Hobby – und das Leben – vieler Kunden widerspiegeln. „Beim Thema Oldtimer denken viele an die vermögende Klientel, die hohe Summen für exklusive Fahrzeuge ausgibt“, erklärt Oldtimerfan Hess. „Die gibt es natürlich auch heute noch, wir stellen aber immer stärker fest, dass Kunden zum Beispiel Ost-Fahrzeuge in Schuss bringen lassen, bei denen der Fahrzeugwert nicht immer die Kosten für eine aufwendige Restaurierung rechtfertigt – zumindest noch nicht. Auch immer mehr jüngere Kunden lassen sich Youngtimer restaurieren, die im Grunde einmal Allerweltsautos waren. Aber die Kunden haben eine Leidenschaft für diese Fahrzeige entwickelt. Es gibt im Oldtimerbereich ganz einfach viele positiv Verrückte – und wir verstehen das sehr gut. Wir gehören selbst dazu.“
Evelyn Becker