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The Next Big Thing

Technik
The Next Big Thing

Bei Control€xpert arbeitet man an der Zukunft der Schadenabwicklung

Michael Rehm

Rund sechseinhalb Millionen Vorgänge pro Jahr und etwa die Hälfte aller in Deutschland gemeldeten Fahrzeugschäden landen in irgendeiner Form auf den Servern von Control€xpert, die meisten im Rahmen der in der Branche viel diskutierten Rechnungsprüfung. Tag für Tag 200.000 Schadenbilder werden am Standort in Langenfeld bearbeitet und bewertet.

Welche Fülle an Informationen hier zum Schadengeschehen verarbeitet wird, ist schwer vorstellbar. Wenn
Wissen Macht bedeutet und Daten die Währung der Zukunft sind, dann ist die Control€xpert-Unternehmenszentrale eine Schaltstelle für die weitere Entwicklung der Unfallschadenabwicklung.

Vor 15 Jahren von Gerhard Witte gegründet, beschäftigt das Unternehmen heute über 700 Mitarbeiter an 14 Standorten.
Im Zentrum des Leistungsportfolios steht nach wie vor die Rechnungs- und Gutachtenprüfung für Versicherungen und Leasinggesellschaften. Rund um diese in der Branche kontrovers diskutierten Dienstleistungen wurden weitere Services entwickelt, vom Sachverständigen-Honorar-Check bis zur Kommunikationsplattform PostMaster. Gemeinsamer Nenner aller Produkte ist eine konsequente Digitalisierung der Prozesse unter Einbeziehung neuester IT-Trends und -Entwicklungen. Um die Weichen für die Zukunft zu stellen, wurde 2015 eine elf Mitarbeiter starke Forschungs- und Entwicklungsabteilung um Leiter Andreas Witte gegründet. Sie bildet einen Thinktank, der Technik- und IT-Trends sondiert und ihre Übertragbarkeit auf den Bereich der Schadenabwicklung überprüft. Über Zukunftstrends in der Unfallschadenabwicklung und künftige Angebote sprachen wir mit Control€xpert-Geschäftsführer Gerhard Witte.

Herr Witte, etwa die Hälfte der in Deutschland abgerechneten Fahrzeugschäden laufen über Ihre Rechner. Gibt es überhaupt noch Reparaturwerkstätten, die mit Control€xpert nichts zu tun haben?

Ich glaube kaum, dafür sind wir mit
15 Jahren doch schon zu lange am Markt. Fast alle Reparaturwerkstätten haben, bedingt durch die Zusammenarbeit mit Versicherungen oder weil sie von sich aus Leistungen von uns in Anspruch nehmen, mehr oder weniger intensiven Austausch mit uns.

Ähnliches dürfte für die Versicherungen gelten. 80 Prozent der Versicherungen sind heute schon Kooperationspartner – gibt es da überhaupt noch Wachstumschancen im deutschen Markt?

Unser Portfolio wird permanent erweitert, sodass wir auch unseren bestehenden Kunden immer wieder neue Angebote machen können. Außerdem ist bei uns eine starke Internationalisierung im Gange. So sind wir mittlerweile in 14 Ländern auf vier Kontinenten dabei, Schadenprozesse zu digitalisieren.

Wo steht denn Deutschland im internationalen Vergleich, was den Grad der Digitalisierung angeht?

Das lässt sich pauschal schwer sagen, weil die Digitalisierung nicht linear voranschreitet. Es gibt Länder, die im Vergleich zu Deutschland erst später mit Informationstechnologie in Berührung gekommen sind, heute aber weiter sind – ganz einfach, weil es keine Altsysteme gibt, an denen man noch hängt. In diesen Märkten kann man feststellen, dass das Smartphone zum zentralen Kommunikationsmedium bei der Schadenabwicklung geworden ist – sowohl in der Werkstatt als auch beim Autofahrer. Das ist zum Beispiel in China der Fall, genauso wie in Brasilien, wo Sie einen Schaden per WhatsApp melden können – was in Deutschland schon aus Gründen des Datenschutzes undenkbar wäre.

Nun gibt es gegen das Smartphone als zentrales Kommunikationsmittel ja auch Vorbehalte – so wird Ihre App
EasyClaim von einigen in der Reparaturbranche kritisiert, die bezweifeln, dass ein paar von Laien geschossene Handy-Fotos Basis einer Kalkulation sein können.

Das Smartphone ist das zentrale Medium der Digitalisierung, und bei über 50 Millionen Smartphones in Deutschland führt kein Weg am Smartphone vorbei. Dass mit dem Handy für die Schadenkalkulation taugliche Bilder geschossen werden können, steht außer Frage. Außerdem kommt bei unserer Analyse der Fotos, sobald Unklarheiten auftauchen, ja die Kfz-technische Expertise von Control€xpert ins Spiel. Die Analyse von Schadenfotos ist ein Feld, das sich sehr dynamisch entwickeln wird.

In welche Richtung?

Ein Fernziel ist es, die Analyse von Bildern zu zu digitalisieren, sodass eine auf Bilder gestützte, weitgehend automatische Reparaturprognose möglich ist. Stichworte dabei sind Künstliche Intelligenz und „Deep Learning“.

Der Computer soll also aufgrund von Bildern einen Kostenvorschlag erstellen? Schwer vorstellbar …

Sie dürfen nicht vergessen, dass wir pro Jahr Millionen Bilder verarbeiten und natürlich auch wissen, welche Schäden diesen Bildern letztlich zugrunde lagen. Wenn man diese Daten analysiert, zusammenführt, aufbereitet und damit, vereinfacht ausgedrückt, den Computer füttert, ist man schon auf einem guten Weg. Natürlich ist eine komplette Schadenprognose – noch – Zukunftsmusik.

Um zu zeigen, wie das funktionieren könnte, würde ich gerne ein anderes, sehr einfaches Beispiel nennen: Wir bearbeiten pro Jahr sechseinhalb Millionen Schäden, die sich auf etwa 230 Werktage verteilen. Und wir können aus unserer Datenbank genau sehen, wie sich die Aufträge auf die einzelnen Tage verteilen. Würden wir jetzt noch ein paar Parameter wie Schulferien, die Wetterlage oder bestimmte Kooperationen mit Versicherungen einbeziehen, dann könnten wir mit einer, wie ich überzeugt bin, mehr als 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie viele Aufträge zu welchem Zeitpunkt in welchen Werkstätten zu erwarten sind. Die Fülle an Daten eröffnet eben, wenn man sie intelligent strukturiert, völlig neue Optionen – gerade in der Schadenabwicklung. Und moderne Fahrzeuge produzieren jede Menge Daten …

Auf welche Art können Sie die noch nutzen?

In unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung untersuchen wir gerade, inwieweit die Daten, die Fahrzeugsensoren liefern, helfen können, Fahrzeugschäden einzuschätzen. Sensoren liefern ja bei Kollisionen Informationen über die Anstoßstelle, die Anstoßrichtung und die Geschwindigkeit. In Verbindung mit zugrunde gelegten Fahrzeugtyp-Daten müssten sich also, so ist unser Ansatz, bereits gewisse Schadenprognosen treffen lassen. Ein Schadendialog könnte damit bereits viel früher beginnen. Gleich nach dem Unfall könnte per Chatbot, also einem auf künstlicher Intelligenz beruhenden Dialogsystem, erfragt werden, ob der Insasse verletzt ist, ob das Fahrzeug fahrbereit ist, eine Reparatur gewünscht ist, wenn ja, wo, und so weiter.

Kommen wir noch einmal zu den Schadenaufnahmen zurück. Sie beschäftigen sich auch intensiv mit der Drohnentechnologie – werden Bilder eines Tages von ferngelenkten Drohnen erzeugt?

Das ist Teil eines Schadenabwicklungs-Szenarios, das wir uns durchaus vorstellen können. Drohnen sind in der Lage, Fahrzeuge standardisiert anzufliegen und auch aus schwierigen Winkeln Aufnahmen zu machen. Eine ideale Einsatzmöglichkeit wäre zum Beispiel die Annahme von Leasingrückläufern, wo viele Fahrzeuge in kurzer Zeit begutachtet werden.

Im selben Szenario spielt auch die 3-D-Druck-Technologie eine wichtige Rolle. Und zwar, indem Werkstätten sich Ersatzteile selbst drucken. Ist das nun Realität oder Science Fiction?

Ich würde sagen, eher Realität. Schon heute gibt es Branchen und Anwendungen, wo 3-D-Druck ein ganz normaler Teil des Prozesses ist. Wir arbeiten intensiv an diesem Thema, übrigens gefördert vom Land NRW. Und natürlich steht im Hintergrund die Idee, Ersatzteile selbst zu drucken und sie nicht zeitaufwendig zu bestellen und liefern zu lassen. Für uns steht dabei nicht im Vordergrund, welche Teile wie produziert werden können, sondern wie die entsprechenden Daten und Informationen versendet und in den Prozess integriert werden. Das ist schließlich unser Hauptgeschäft.

Wann könnten Dinge wie Drohneneinsatz oder 3-D-Druck bei der Schadenabwicklung zur gängigen Praxis werden?

Das ist sehr schwer zu sagen. In der IT-Branche schreiten nur wenige Entwicklungen linear fort, sodass man relativ genau prognostizieren könnte, ab welchem Zeitpunkt eine für den Markt relevante Bedeutung erreicht ist. Die meisten Entwicklungen – nehmen wir zum Beispiel den Anstieg der Rechnerleistung – erfolgen exponentiell, und oft ist es so, dass eine Entwicklung eine Weile lang linear vorangeht und plötzlich die Kurve sehr steil ansteigt. Wer diesen Übergang verpasst, hat ein Problem. Das ist einer der Gründe, warum wir eine Forschungsabteilung haben, die sich mit Dingen befasst, die auf den ersten Blick nicht unmittelbar mit der Unfallschadenabwicklung zu tun haben. Wir sehen uns diese Entwicklungen an, überprüfen, ob sie Relevanz für unseren Markt haben, wenn ja, beschäftigen wir uns damit – und wenn der Zug abfährt, sind wir an Bord.

Herr Witte, vielen Dank für das Gespräch.


Technologien für die Schadenabwicklung

Virtual Reality (VR) erobert viele Gebiete im Sturm – in der Unterhaltungs- und Videospielbranche spielt VR schon eine große Rolle, und auch in der Schadenbranche macht VR viele Prozesse einfacher und greifbarer. So könnten Reparaturen mittels virtueller und augmentierter Realität unterstützt werden, indem technische Informationen zum vorliegenden Schaden zur Verfügung gestellt werden. Eine zeitintensive Recherche gehört der Vergangenheit an.

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Lage, Prozessabläufe zu erlernen und diese dann selbständig durchzuführen. Viele Versicherungen sehen die größte Veränderung in der digitalen Transformation der Schadenabteilung in der Automatisierung. Das Erfolgsrezept liegt in der optimalen Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz. Eine zukunftsträchtige KI-Anwendung bei Control€xpert ist die automatische Interpretation von Schadenfotos. Aus einer Unzahl eingereichter und interpretierter Bilder lernt der Computer dabei, ob auf Bildern Schäden vorliegen, wo sie sind und, unterstützt von menschlichen Experten – welche Reparaturmethoden und -kosten erforderlich sind.

Bei Chatbots kann der Nutzer ein textbasiertes Dialogsystem – eben den Chatbot – bei Fragen online kontaktieren. Der auf künstlicher Intelligenz basierende Bot antwortet ganz individuell auf die gestellten Fragen. Experten sagen schon jetzt: Chatbots sind die künftigen Apps. Für Versicherungen sind Chatbots eine ideale Lösung, um eine durchgängige Kommunikation mit dem Kunden zu gewährleisten – 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche.

Der 3-D-Druck wurde bereits 1983 vom Amerikaner Jim Hall erfunden. Mittlerweile ist diese Technik so ausgefeilt, dass Control€xpert bereits mit Werkstätten an einem Ersatzteileprozess der Zukunft arbeitet. Das Ziel dabei: Ersatzteile könnten eines Tages direkt in der Werkstatt gedruckt und nachher eingebaut werden.

Drohnen sind bereits fester Bestandteil unserer technischen Welt – ob in der Agrartechnologie, beim Militär oder im Versandhandel. Control€xpert möchte in Zukunft Schäden mittels Drohnen reproduzierbar dokumentieren. Die Vorteile: Drohnen sind schnell, arbeiten
effizient und niemand muss persönlich ausrücken. Das birgt hohes Einsparpotenzial.



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