Startseite » Technik »

Sehr solides Standbein

Technik
Sehr solides Standbein

Bei Automobildesign Becker hat man sich auf Restaurierungen spezialisiert

Schlichtes Grau dominiert in den Räumen der Firma Automobildesign Becker. Alles ist ordentlich aufgeräumt und beinahe klinisch sauber, nüchterner geht´s nicht. Lebhafte Emotionen wecken dagegen die Autos, die in zwei Reihen in der Werkstatt stehen – alles Porsches, alles „Neunelfer“: Ein blauer 3-Liter-RS, Baujahr 1974, ein signalgelber 3,0 RSR aus demselben Jahr, ein 72er Targa Ölklappenmodell, ein 2,5-Liter ST von 1970. Keine Frage, hier steht so ziemlich das Feinste, was in dieser Kategorie produziert wurde, und alle Fahrzeuge wurden von Heiko Becker und seinem 11-köpfigen Team komplett restauriert. Das Unternehmen mit Sitz in Reichshof im Bergischen Land hat sich auf die Restaurierung von historischen Fahrzeugen spezialisiert. Der Schwerpunkt auf den 911ern ergab sich, nachdem ein Kunde, der sich im historischen Rennsport engagiert, seinen Wagen zur Restaurierung in Beckers Hände gab. Das Ergebnis überzeugte nicht nur den motorsportbegeisterten Kunden, sondern auch seine Rennfahrerkollegen – eine typische Erfolgsstory im Oldtimerbereich, wie Heiko Becker weiß: „Es gibt keine bessere Werbung für den Restaurator als eine Top-Restaurierung. Oldtimer-Fans tauschen sich ständig aus, und die heißeste Ware sind Adressen von guten Betrieben.“

Straffe Organisation
Das Geschäft mit den Restaurierungen läuft so gut, dass es knapp die Hälfte des Firmenumsatzes ausmacht. Der Rest sind ganz normale Unfallschäden. „Wir machen in aller Regel komplette Restaurierungen – von der Karosserie über den Motor bis zum Kabelbaum“, berichtet Becker. So können schnell deutlich mehr als 100.000 Euro für ein Fahrzeug zusammenkommen. Umso wichtiger ist es, eine Restaurierung straff zu organisieren. „In vielen Betrieben steht irgendwo ein Oldtimer, an dem sich, wer gerade Zeit hat, zu schaffen macht“, weiß Becker. „Irgendwann ist dann die Gefahr groß, dass man das Auto gar nicht mehr zusammenbauen kann, weil Teile fehlen oder nicht mehr zugeordnet werden können. Und welche Kosten zusammengekommen sind, lässt sich auch nicht mehr transparent nachvollziehen.“
Allrounder gefragt
Bei Automobildesign Becker geht man anders vor: „Sobald ein Restaurierungsauftrag geschrieben ist, arbeiten zwei Leute kontinuierlich daran. Länger als acht Monate war noch kein Wagen bei uns. Wenn man ständig am Auto dranbleibt, arbeitet man insgesamt effizienter und kann dem Kunden auch eine nachvollziehbare Rechnung offenlegen, denn alle Arbeitsstunden sind auf dem Stundenzettel, und zwar genauso transparent wie bei einer Reparatur.“ Wer Fahrzeuge komplett restauriert, braucht Mitarbeiter, die das komplette Spektrum dreier Berufe beherrschen: Mechaniker, Karosseriebauer und Lackierer. „Mit reinen Spezialisten fängt man in dem Bereich nicht viel an“, weiß Becker, für den auch bei der Auswahl der Mitarbeiter die Leidenschaft für alte Autos ein wichtiges Kriterium ist: „Wenn jemand im Bewerbungsgespräch erzählt, dass er sein eigenes Fahrzeug aufgebaut hat, ist das schon mal sehr gut. Im Oldtimerbereich braucht man Leute, die alte Reparaturanleitungen und Literatur zum Fahrzeug lesen, sich aber auch mal dreckig machen wollen.“
Was man ebenfalls braucht, sind Leute, die, speziell im Karosseriebau, klassische Techniken beherrschen. „Wir produzieren sehr viele Blechteile selbst, mit Sikkenmaschine, Eckholz oder Rollenglättmaschine.“ Zum einen tut man das, weil es viele Teile nicht mehr gibt, zum andern, weil es ganz einfach die günstigste Lösung ist. „Natürlich kann ich bei Spezialisten zum Beispiel die innere Seitenwand mancher 911er aus den 70er-Jahren kaufen“, erklärt Heiko Becker, „aber warum sollte ich 5.000 Euro ausgeben, wenn ich nur einen kleinen Abschnitt der Seitenwand wirklich brauche? Wenn wir dagegen das fehlende Teil an einem halben Arbeitstag selbst produzieren, spart der Kunde Geld und wir arbeiten mit höherer Wertschöpfung.“
Anders als in der Karosserie sind bei der Lackierung nur aktuelle Techniken und moderne Materialien gefragt. „Manchmal kommt es vor, dass Kunden fragen, ob wir auch dieselben Lacke verwenden, die früher aufgetragen wurden“, erzählt Becker. „Wir sagen dann: Nein, wir nehmen bessere.“ Von den Vorteilen moderner Materialien lassen sich die Kunden leicht überzeugen. Der Lackaufbau selbst erfolgt exakt nach Empfehlung des Lackherstellers. „Das Thema Oldtimer ist komplex genug“, resümiert Heiko Becker, „da ist es gut, dass die Lackierung nicht aus der Reihe schert.“ MR
Herr Becker, was würden Sie einem Betriebsinhaber empfehlen, der im Bereich der Oldtimerrestaurierung Fuß fassen möchte?
Ich würde erst einmal ein eigenes Fahrzeug kaufen und es in aller Ruhe ganz präzise und konsequent restaurieren. Damit kann man dann auf ein Treffen fahren oder zu einer anderen Oldtimer-Veranstaltung. Dort kommt man automatisch ins Gespräch. Und schon ist der Kundenkreis kontaktiert, den ich erreichen möchte. Dieser Effekt verstärkt sich mit jedem Auto, das die Werkstatt verlässt.
Ist die Oldtimer-Kundschaft preissensibel? Oder gibt es hier mehr Spielraum als bei knallhart zu kalkulierenden Unfallschäden?
Aufs Geld wird auch hier geachtet. Da darf man sich nicht von den insgesamt oft hohen Summen blenden lassen, die für Restaurationen gezahlt werden. Die Oldtimer-Kundschaft ist sehr gut informiert. Leute, die ein Auto abgeben, wissen, welche Preise am Markt üblich sind, und vergleichen auch sehr genau. Trotzdem sind Aufträge, bei denen drei- oder vierhundert Stunden alleine an Karosseriearbeiten zusammenkommen, in der Regel lukrativer als zum Beispiel vermittelte Unfallschäden – wenn ich es richtig mache.
Was bedeutet das?
Eine Restaurierung will präzise organisiert sein. Ich halte nichts davon, ein Projekt über Jahre vor sich her zu schieben, und dem Kunden unter Umständen einen Preisnachlass dafür zu gewähren, dass man nur, wenn sonst gerade Leerlauf war, an seinem Fahrzeug gearbeitet hat. Nein, das Projekt sollte möglichst schnell und mit höchstmöglichem Einsatz durchgezogen werden.
Was sollte man bei der Kalkulation und der Rechnungsstellung beachten? Hier sind ja anders als bei Unfallschäden keine Werte vorgegeben…
Fangen wir damit an, was man auf keinen Fall tun sollte: einen Festpreis vereinbaren. Es gibt einfach zu viele Unwägbarkeiten. Natürlich sollte man das, was man am Fahrzeug macht, gut dokumentieren und auch Zahlungen nach Arbeitsfortschritt anstreben. Letztlich hängt das aber vom Verhältnis zum jeweiligen Kunden ab. So wie der Kunde Vertrauen in uns setzt, müssen wir auch ihm vertrauen, ohne allerdings Risiken einzugehen.
Was macht für Sie als Betriebsinhaber denn das Oldtimergeschäft im Vergleich zur normalen Unfallreparatur so attraktiv?
Ich habe bei den Restaurierungen eine berechenbare Auslastung über längere Zeiträume. Wenn ich zwei umfangreiche Restaurierungen in der Halle habe, dann weiß ich, dass zwei Mitarbeiter etwa ein dreiviertel Jahr beschäftigt sind. Wenn es dann noch gelingt, die Oldtimer-Aufträge – anders als Reparaturen, wo das ja schlecht geht – so zu legen, dass sie in traditionell eher schwachen Monaten Kapazitäten füllen, dann ist das Oldtimergeschäft ein sehr solides Standbein.

Unternehmen im Fokus
Aktuelle Ausgabe
Titelbild Lackiererblatt 2
Aktuelle Ausgabe
02/2024
EINZELHEFT
ABO
FACEBOOK


Malerblatt Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Malerblatt-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de