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Härter, glatter, günstiger

Technik
Härter, glatter, günstiger

Trends in der Serienlackierung und ihre Auswirkungen auf die Reparatur

Das Technical Center Ingersheim ist innerhalb der PPG Industries Organisation für die Entwicklung neuer Primer-, Basis- und Klarlacksysteme für den europäischen Automobilmarkt verantwortlich. Rund hundert Mitarbeiter entwickeln, applizieren und prüfen in enger Zusammenarbeit mit allen bedeutenden Automobilherstellern moderne Automobillacksysteme unter Einsatz neuster Applikations- und Prüftechnik. Axel Nagel (links) ist Technologie-Platformmanager Klarlack im europäischen Technical Center von PPG, Ralf Sannwald ist Betriebsleiter des Centers.

Herr Nagel, Herr Sannwald, neue Entwicklungen und Technologien in der Fahrzeugserienlackierung haben häufig Einfluss auf die Reparaturlackierung. Sie sind hier im europäischen Technologiecenter von PPG permanent mit Zukunftstrends in der Serienlackierung befasst. Was kommt Ihrer Ansicht nach auf die Reparaturlackierer zu?
Weit weniger, als die Frage suggeriert. Denn die Feststellung, dass Neuheiten in der Serie starken Einfluss auf die Reparaturlackierung haben, ist nicht ganz richtig. Im Gegenteil; bei allem, was wir für die Serie entwickeln, wird sorgfältig darauf geachtet, dass sich der Reparaturprozess möglichst wenig ändert. Das gilt selbst für große Technologiesprünge in der Serie.
Für welche zum Beispiel?
Die wohl gravierendste aktuelle Veränderung der Serienlackierung besteht darin, dass man danach trachtet, den Füller zu ersetzen, stattdessen zwei pigmentierte Schichten Basislack spritzt, von denen die erste zusätzlich die Funktionen des Füllers übernimmt. Ein zukünftiger Lackaufbau würde dann aus Substrat, Elektrocoat, Basislack eins, Basislack zwei und Klarlack bestehen. Bei BMW/Mini in England wird dies schon praktiziert.
Wo liegt der Vorteil dieses Lackaufbaus?
Das Ziel in der Autoindustrie ist einfach formuliert: Energiekosten und Anlagenkapazität werden eingespart. Der „Basislack eins“ muss im Gegensatz zu einem Füller nicht eingebrannt werden. Nach dem „Basislack zwei“ folgt dann, wie üblich, die Vortrocknung. Die Lackierstraße wird kürzer.
Wenn aber beide in der Serie aufgetragenen Basislack-Schichten pigmentiert sind, müsste sich doch, um zum richtigen Farbton zu kommen, auch die Reparatur verändern?
Nein, die Reparatur erfolgt wie gehabt mit einem Füller, auf den ein ganz normaler Basislack und schließlich der Klarlack folgen.
Welche Änderungen sind bei anderen Lackarten zu erwarten? Wie wird sich die Basislack-Technologie entwickeln?
Hier werden Wasserbasislacke in der Serie noch auf sehr lange Zeit den Stand der Technik darstellen. In Europa sind sie ohnehin Standard, und auch in Asien werden sie sich noch weiter verbreiten. Viel spannender ist nach wie vor der Bereich Klarlack.
Was tut sich hier?
Immer noch steht die Kratzfestigkeit ganz oben auf dem Wunschzettel der Autoindustrie. Unser Produkt Ceramiclear, das auf Basis von Nanopartikeln zu diesem Ziel gelangt, ist bei allen Mercedes-Pkw der C-, E- und S-Klasse sowie den Cabrios im Einsatz. Und auch andere Hersteller interessieren sich stark für kratzverbesserte Produkte. Bei BMW ist ein kratzfester Pulverklarlack von PPG im Einsatz, und auch Hersteller wie Renault, Alfa Romeo, Audi und VW haben Interesse, kratzfeste Klarlacke bei verschiedenen Modellen einzusetzen.
Kann es sein, dass die Härte des kratzfesten Klarlackes im Laufe der Zeit etwas abgenommen hat, ganz neue Autos also besser zu bearbeiten sind als solche der „ersten kratzfesten Generation“?
Nein, der Lack ist immer noch gleich hart. Was sich im Laufe der Zeit ein wenig geändert hat, ist der Verlauf: Der Lack ist jetzt noch glatter. Die scheinbar geringere Härte ist eher eine von den Lackierern „gefühlte“ Eigenschaft. Dadurch, dass der komplette Prozess auf die kratzfesteren Lacke abgestimmt worden ist – auch die Hersteller von Schleifmittel und Polituren haben schließlich ihre Produkte optimiert -, ist der Lack mittlerweile zwar leichter zu bearbeiten, aber, wie gesagt, nicht weicher.
Nun basiert Ihr Produkt auf der Nano-Technologie. Gleichzeitig gibt es mit der so genannten Reflow-Technologie einen zweiten Weg, um zum kratzfesten Klarlack zu kommen. Welche Technologie wird sich künftig durchsetzen?
Aus unserer Sicht die Nano-Technologie. Gegen die Reflow-Technologie spricht die schlechtere Chemikalienbeständigkeit. So gibt es in Europa noch keinen Reflow-Klarlack in der Serie. Allerdings ist der kratzfeste Klarlack ein sehr komplexes Thema, denn Kratzfestigkeit ist relativ. Es gibt zwei Arten von Beanspruchungen – zum einen solche mit hoher Schnittgeschwindigkeit in feuchter Umgebung: die klassische Waschanlagensituation. Oder aber Äste streifen am Blech entlang. Beides hinterlässt im landläufigen Sinn „Kratzer“. Waschanlagenkratzer würde man aber idealerweise über eine höhere Elastizität des Klarlacks verhindern, andere Kratzer dagegen durch höhere Härte. Gefragt ist also der beste Kompromiss – und den stellt für uns der Nanoklarlack dar.
Aus Designersicht stellen matte Klarlacke eine interessante Variante dar. Welche Chancen geben Sie diesen Materialien in der Serie?
Mit den heute bekannten Technologien nur sehr geringe. Sie sind schwierig zu applizieren, denn der Mattheitsgrad hängt sehr stark von den Verarbeitungsbedingungen ab. Und sie sind schwierig zu bearbeiten. Es sind im Moment systembedingt keinerlei Schleif- und Poliervorgänge mehr möglich. Damit sinken die Chancen erheblich, dass Mattlacke abgesehen von limitierten Kleinserien zum Einsatz kommen.
Ein weiteres Schlagwort, das immer wieder umhergeistert, sind selbst reinigende Lacke. Gibt es hier konkrete Ansätze für die Serienlackierung?
Selbstreinigung ist im Bereich der Autolacke aus unserer Sicht ein frommer Wunsch, sonst nichts. Der Lotuseffekt wird in diesem Zusammenhang ja immer angeführt. Kommt allerdings auf so ein Lotusblatt ein Ölfilm, dann ist der Effekt weg. Und ein Lotusblatt hat eine Lebensdauer von ein paar Wochen. Ein Auto dagegen ist extrem vielfältigen Einflüssen ausgesetzt. Und jede Anwendung muss mindestens fünf bis zehn Jahre beständig sein, um sie als Mehrwert verkaufen zu können. Kurz gesagt: Selbstreinigung ist im Automotive-Bereich kein marktreifes Thema.
Ein sehr viel konkreteres Thema in der Serienlackierung dürfte der UV-Klarlack sein. Wie weit ist man auf diesem Gebiet?
Im Moment beschäftigen wir uns nicht sehr intensiv mit UV-härtenden Flüssig-Lacksystemen für den Automobileinsatz. Fahrzeugkarosserien werden in der Serie komplett lackiert, mit Türen, Kofferraum, Motorhauben und so weiter. Bei derart komplexen Formen gibt es viele Schattenzonen, die mit UV-Licht nur schwer erreicht werden.
Wie erklären Sie sich, dass das Thema UV-Klarlack im Reparaturbereich intensiv diskutiert wird, während offenbar die Serie sich damit schwer tut?
Da gibt es keinen Widerspruch. Die Teilflächen, die in der Reparatur üblicherweise getrocknet werden, sind weniger komplex, die Taktzeiten sind in der Reparatur nicht so kurz, und es gibt viel bessere Möglichkeiten, manuell gezielt mit UV-Licht zu bestrahlen und auszubessern.
Ein UV-Klarlack für die Serie ist aber nicht in Sicht?
Interessanter als ein UV-Nasslack ist aus unserer Sicht eine Kombination aus Pulverklarlack und UV-Härtung. Das Pulver wird dabei im Ofen zum Schmelzen gebracht und unmittelbar danach per UV-Strahlung vernetzt. Dadurch, dass ich Verlauf und Vernetzung trenne, kann ich beide Vorgänge optimal gestalten. Das Resultat wäre eine spürbare Verbesserung der Oberflächenqualität.
Welche Auswirkungen hätte dies auf die Reparatur?
Wie eingangs bemerkt: Im Normalfall gar keine. Wenn sich allerdings die Kratzbeständigkeit, wie für UV Systeme typisch, deutlich erhöht, muss das Reparaturmaterial auch angepasst werden.
Herr Nagel, Herr Sannwald, vielen Dank für das Gespräch.

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