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Zulässige Gesamtschichtdicke von Kraftfahrzeuglackierungen

Technik
Gesamtschichtdicke von Kraftfahrzeuglackierungen

Immer wieder wird die Frage gestellt, bei welchem Maß die maximal zulässige Gesamtschichtdicke der Beschichtung auf Fahrzeugkarosserieteilen liegt. Besonders häufig führen bei der Rückgabe von Leasingfahrzeugen gemessene Gesamtschichtdicken zu Streitigkeiten, die gegebenenfalls vor Gericht ausgetragen werden müssen, wenn eine nicht angegebene oder eine nicht fachgerecht ausgeführte Reparatur unterstellt wird.

In der bekannten öffentlich zugänglichen Fachliteratur gibt es zur Problematik der maximal zulässigen Gesamtschichtdicke von Beschichtungen auf Kraftfahrzeugkarosserien keine detaillierten Angaben. Deshalb ist die Kompetenz des öffentlich bestellten und vereidigten Lacksachverständigen erforderlich, damit dieser im Streitfall die Sachlage aufgrund seiner Fachkenntnisse beurteilen kann.

Definition Gesamtschichtdicke

Die Gesamtschichtdicke von Karosseriebeschichtungen ist die Summe der Funktionsschichten, die in mehreren Arbeitsschritten auf den zu beschichtenden Untergrund aufgetragen werden. Die in dieser Information bezeichnete „Gesamtschichtdicke“ ist immer die nach der Härtung und den notwendigen Zwischenschliffen gemessene Trockenschichtdicke aller auf das – gegebenenfalls mit metallischem Überzug (z. B. Verzinkung) versehene – Karosserieblech aufgebrachten Beschichtungsstoffe. Je nach Anforderung kann sich die „Gesamtschichtdicke“ aus Zink- phosphatschicht, Elektrotauchgrund, Spritzgrundierung, Spachtel, Spritzspachtel, Füller oder Grundierfüller, Basis- und Klarlack bzw. 1-Schicht-Decklack zusammensetzen. Spachtelmasse ist nach DIN EN ISO 4618 ein hochgefüllter Beschichtungsstoff.

Varianz in der Serienlackierung

Zunächst gilt es, die Zusammensetzung der Gesamtschichtdicke von Karosseriebeschichtungen bei fabrikneuen Kraftfahrzeugen zu betrachten. Bei der klassischen Serienlackierung auf Stahluntergründen werden nacheinander eine Zinkphosphatierung im Tauch- oder Sprühverfahren und ein Elektrotauchgrund mit Hilfe der kathodischen Elektrotauchlackierung aufgebracht. Anschließend werden Füller, Basis- und Klarlack oder 1-Schicht-Decklack aufgetragen. In der Regel werden dazu Spritzautomaten oder Roboter mit Rotationsglocken oder pneumatischen Spritzdüsen eingesetzt.
In modernen Fertigungslinien kann anstelle der Spritzlackierung des Decklacks eine Pulver- oder Pulver-Slurry-Beschichtung aufgetragen werden. Die Lackierung von Füller und Basislack kann alternativ durch einen sogenannten Integrated Paint Process (IPP) ersetzt werden. Ohne Füllerauftrag werden nacheinander Basislack-1 und Basislack-2 appliziert. Die angestrebte Gesamtschichtdicke der Karosseriebeschichtung wird von einem großen deutschen Volumenhersteller der Fahrzeugindustrie mit 50 µm bis 350 µm angegeben. Der Fahrzeughersteller weist allerdings darauf hin, dass es, um eine hohe Qualität zu erreichen, zu Wiederholungslackierungen kommen kann. Es ist also durchaus üblich, dass Karosse-rien mehrmals Produktionsstationen durchlaufen. Im Decklackbereich sind Mehrfachlackierungen nicht auszuschließen und nicht als Fehler zu bezeichnen. Bei Wiederholungslackierungen und Sonderlackierungen sowie an schwer zugänglichen Karosserieteilen werden oft auch bei Neufahrzeugen manuelle pneumatische Lackierverfahren angewendet, die auch bei der Reparaturlackierung zum Einsatz kommen. In der Praxis haben öffentlich bestellte und vereidigte Lacksachverständige bei fabrikneuen Fahrzeugen Gesamtschichtdicken bei der Karosseriebeschichtung von bis zu 480 µm gemessen.

Schichtdicken im Reparaturfall

Bei einer Reparaturlackierung in der Lackierfachwerkstatt wird die Gesamtschichtdicke der Karosserie-Werksbeschichtung durch weitere Arbeitsschritte erhöht. Im Regelfall führt die Applikation von Grundierung, Füller, Basis- und Klarlack oder 1-Schicht- Decklack zu Schichtdicken von 120 µm bis zu 250 µm. Wird zusätzlich Spritzspachtel appliziert, erhöht sich die Gesamtschichtdicke zusätzlich um 60 µm bis 130 µm, in Extremfällen auch über 300 µm. (Schichtdickengrenzen und Einsatzmöglichkeiten siehe „Technische Verarbeitungsrichtlinien“ des Spachtelmaterials und „Herstellerrichtlinien“ des Fahrzeugherstellers).
Beim Auftrag von Spachtelmassen (Metall-, Grob- oder Feinspachtel) kann sich die Schichtdicke bei metallischen Untergründen auf mehrere Millimeter erhöhen. Bei speziellen Karosseriereparaturen kommen laut Herstellervorgaben dafür vorgesehene spezielle Spachtelmassen zum Einsatz, die im dafür vorgesehenen Reparaturbereich z. B. Karosserieteilersatz eine Schichtdicke von mehr als 3 Millimeter haben können. Die maximal zulässigen Spachteldicken des Spachtelmaterials sind abhängig von seiner Art (Karosserie- Metall-, Grob- oder Feinspachtel) eventuell auch abhängig von der Spachtelmassenrezeptur (herstellerabhängig) und abhängig vom zu bearbeitenden Untergrund (Stahl, Aluminium, Kunststoff usw.). Auch die Stabilität und die Bewegungen des zu spachtelnden Untergrundes (Verwindungssteifigkeit, Schwingungsverhalten usw.) spielen hier eine entscheidende Rolle.
Die maximale Schichtdicke wird im Idealfall vom Fahrzeughersteller und vom jeweiligen Materiallieferanten in seinen „Technischen Verarbeitungs- oder Herstellerrichtlinien“ vorgegeben. Beim Spachteln von Kunststoffteilen sind die spezifischen Anweisungen der Materiallieferanten und der Fahrzeughersteller einzuhalten (Schichtdickengrenzen und Einsatzmöglichkeiten siehe „Technische Verarbeitungsrichtlinien“ des Spachtelmaterials und „Herstellerrichtlinien“ des Fahrzeugherstellers). Bei Spachtelarbeiten auf Dächern von Karosserien sind die besonderen Anweisungen der Lacklieferanten einzuhalten, z. B. für Reparaturen von Hagelschäden im Lackierverfahren. Bei Drei- und Vierschichtlackierungen können noch höhere Gesamtschichtdicken bei der Werks- und Reparaturlackierung gemessen werden. Das kann z.B. bei eingefärbten Klarlacken, bei Klavierlack-Effekt-Lackierungen sowie anderen speziellen Effekt- und Sonderlackierungen der Fall sein.

Zulässige Grenzen bei der Gesamtschichtdicke

Solange keine optischen und funktionellen Beeinträchtigungen der einzelnen Lack- und Spachtelschichten entstanden sind, ist die Gesamtschichtdicke der Beschichtung nicht zu bemängeln. Das gilt für den normalen  Gebrauch sowie für die Reparatur oder Herstellung des Fahrzeuges. Ein weiteres Kriterium ist, dass  die originale Funktion des Fahrzeuges weiterhin intakt sein muss.
 
Für fachgerechte Karosseriebeschichtungen gelten folgende Kriterien:
  • Die Beschichtungsmaterialien müssen gemäß den „Technischen Verarbeitungsrichtlinien“ des Materials und „Herstellerrichtlinien“ des Fahrzeugherstellers verarbeitet worden sein.
  • In den reparaturlackierten Bereichen sind die Rastnasen von z. B. Scheibenwaschdüsen, Haltern, Halteklipsen usw. ordnungsgemäß eingerastet.
  • Es dürfen keine Lackaufwürfe z.B. durch aufgeschraubte Griffe sichtbar sein.
  • Einbauteile wie z. B. Scheinwerfer, Blinker, Rückleuchten, Türgriffe, Leisten usw. müssen sich passgenau einsetzen lassen.
  • Beim Einsetzen von Tüllen, Nieten, Klammern, Haltern, Halteklipsen, Waschdüsen usw. darf der Lackaufbau nicht bis zum blanken Karosserieblech abplatzen; der Korrosionsschutz muss erhalten bleiben.
  • An mechanisch belasteten Flächen wie z. B. Auflagen und Befestigungspunkte von Dachträgern, Fahrradträgern usw. muss die Beschichtung die vom Fahrzeughersteller festgelegte maximale Traglast aufnehmen können.

Diese Information zum Stand der Technik wurde vom Institut für Fahrzeuglackierung (IFL) in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Fahrzeuglackierung im Maler- und Lackiererhandwerk, der Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer (BFL) und der Gesellschaft für Fahrzeuglackierung (GFL) im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz erstellt.

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