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Praxisnah prüfen

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Praxisnah prüfen

Gesellen- und Abschlussprüfungen haben sich durch die reformierte Ausbildungsordnung gravierend verändert. Der Hauptverband Farbe, Gestaltung, Bautenschutz und die Bundesfachgruppe Fahrzeuglackierer informieren über die Hintergründe und präsentieren eine beispielhafte Prüfung.

Roland Brecheis, Friedhelm Dukat

Die Ausbildungsordnung für den Ausbildungsberuf Fahrzeuglackierer/Fahrzeuglackiererin vom 1. August 2003 sieht eine neue Struktur von Abschluss- und Gesellenprüfung vor.
Bei der Erarbeitung der Prüfungsanforderungen für die Aufgaben der Abschluss-/Gesellenprüfung diskutierten die Experten unterschiedliche Lösungsansätze.Im Ziel war man sich einig: In der neuen Prüfung sollte eine möglichst praxisgerechte Aufgabenstellung umgesetzt werden. Es galt, bei aller Differenziertheit der Aufträge in den Ausbildungsbetrieben und angesichts der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Durchführung einer am betrieblichen Geschehen orientierten Prüfung, eine Aufgabenstruktur zu entwickeln, die eine effiziente und kostengünstige Prüfungsmöglichkeit darstellt. Die Prüfung sollte auch bei einer größeren Zahl von Prüflingen geeignete Arbeitsmöglichkeiten zulassen, um somit eine ordnungsgemäße Durchführung der Prüfung zu gewährleisten.
Das Prinzip der Praxisnähe spiegelt sich in den neuen Prüfungen deutlicher wider, als das seither in der traditionellen Abschluss-/Gesellenprüfung der Fall war. Hierzu wird bei den neuen Prüfungsaufgaben der Leitgedanke der Handlungsorientierung umgesetzt. Das bedeutet, dass theoretische und praktische Qualifikationen, die sich an vollständigen Handlungen des Arbeits- und Geschäftsprozesses orientieren, verknüpft werden.
In der Ausbildungsordnung wurden die Prüfungsanforderungen von den Sachverständigen bewusst als Rahmen definiert. Hierdurch kann der dynamischen Entwicklung im Bereich der Fahrzeug- und Lackindustrie mit entsprechend aktuellen Aufgabenstellungen in der Prüfung entsprochen werden.
Handlungsorientiert
Die Abschluss-/Gesellenprüfung gliedert sich in Teil A (praktischer Teil/ Fertigkeitsprüfung) mit einem Fachgespräch und Teil B (theoretischer Teil/Kenntnisprüfung) mit drei Prüfungsbereichen. Dem handlungsorientierten Ansatz der neuen Prüfung entsprechend, sollen beide Prüfungsteile (Teil A und B) über einen entsprechenden Kundenauftrag verzahnt sein. Dieser enthält als Vorgabe den/die zu bearbeitenden Gegenstand/Gegenstände (Fahrzeug, Bauteil o.ä.) sowie eine detaillierte Schadens- und Leistungsbeschreibung. Die Leistungsbeschreibung stellt die Prüfungsanforderungen dar. Gleichzeitig dient sie als Vorgabe für die zu erbringenden einzelnen Prüfungsleistungen.
Der zeitliche Gesamtrahmen für die Durchführung des Teils A (praktischer Teil) beträgt höchstens 14 Stunden. In dieser Zeit soll auch ein insgesamt höchstens 15-minütiges Fachgespräch über die Arbeitsaufgabe geführt werden. Das Ergebnis der Arbeitsaufgabe ist mit 85 Prozent und das des Fachgespräches mit 15 Prozent zu gewichten.
Teil B (schriftlicher Teil) ist in drei Prüfungsbereiche gegliedert, die im Folgenden näher erläutert werden.
Der schriftliche Teil
Allgemein gilt: Prüfungen und Prüfungsaufgaben sind für die Qualität der Ausbildung und für eine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt ein entscheidendes Regulativ. Um eine nachhaltige Qualitätssicherung im Bereich der Ausbildung zum Fahrzeuglackierer/ zur Fahrzeuglackiererin zu gewährleisten, erarbeitet der Hauptverband Farbe Gestaltung Bautenschutz mit Experten aus Beruf und Schule seit Jahren bundeseinheitliche Prüfungsaufgaben. Durch Abstimmung mit der zuständigen Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt entsprechen diese Aufgabensätze der Forderung des § 34 Abs. 2 HwO, bzw § 37 Abs. 2 BBiG. Dieses Verfahren stellt sicher, dass die in der Verordnung neutral formulierten Prüfungsanforderungen in bundesweit gültige, konkrete Prüfungsaufgaben umgesetzt werden und die Aufgabenstellungen entsprechend dem technischen Wandel stetig aktualisiert werden.Daneben ermöglicht es die bundeseinheitliche Aufgabenstellung den Prüfungsausschüssen entsprechend den örtlichen Gegebenheiten erforderliche Anpassungen vorzunehmen, was z. B. die Größe der Untergründe oder den zeitlichen Rahmen des Prüfungsablaufes anbelangt. Ohne die Perspektive vorgegebener bundeseinheitlicher Aufgaben hätte die Beschreibung der einzelnen Prüfungsleistungen in der Verordnung wesentlich differenzierter und genauer erfolgen müssen, mit allen daraus resultierenden Nachteilen für die Organisation, die Durchführung und die Qualität der Prüfung.
Vorbereitung der Prüfung
Um eine reibungslose Durchführung der Abschluss-/Gesellenprüfung zu gewährleisten, sollte der Prüfungsausschuss rechtzeitig vor Beginn der Prüfung die Prüfungsunterlagen sichten. Dies ist auch dringend geboten, damit die benötigten Untergründe, Werkstoffe, Werkzeuge und Hilfsmittel bezogen auf den vorliegenden Kundenauftrag vorbereitet bzw. vorgehalten werden können. Der Prüfungsausschuss legt im Rahmen seiner Zuständigkeiten den Zeitpunkt und die Dauer der Abschluss-/Gesellenprüfung fest.
Prüfungsbereiche
Eine am Kundenauftrag handlungsorientiert ausgerichtete Prüfung durchzuführen setzt voraus, dass der Prüfling nach Kenntnis des Kundenauftrages zunächst den Teil B der Prüfung (schriftliche Prüfung/Kenntnisprüfung) bearbeitet und erst danach den Prüfungsteil A (praktische Prüfung) durchführt. Dabei zählt das Lesen des Kundenauftrages nicht zur Prüfungszeit.Statt der seitherigen Prüfungsfächer Technologie, Technische Mathematik und Technisches Zeichnen gibt es in der neuen Prüfung Prüfungsbereiche.
Teil B der Prüfung umfasst drei Prüfungsbereiche. Auch für diese hat der Verordnungsgeber zeitliche Vorgaben für die Bearbeitung sowie prozentuale Gewichtungen für die Bewertung vorgegeben:
  • Beschichtungstechnik und Gestaltung:höchstens 180 Minuten, 55 %
  • Instandsetzung und Instandhaltung: höchstens 120 Minuten, 25 %
  • Wirtschafts- und Sozialkunde: höchstens 60 Minuten, 20 %.
Insgesamt kann die Prüfung in Teil B höchstens 360 Minuten (= 6 Zeitstunden) dauern. Die Inhalte der Aufgaben orientieren sich an den Vorgaben der Verordnung (§ 10, Ziffer 3) und leiten sich konkret aus dem jeweiligen Kundenauftrag ab. Die Aufgaben können über den speziellen Kundenauftrag hinaus auch verfahrensübergreifende Fragestellungen zum Inhalt haben. Sie beziehen sich aber immer auf Ausbildungsinhalte, die für einen Fahrzeuglackierer/eine Fahrzeuglackiererin zur Gesamtqualifikation erforderlich sind. Für die beiden „technischen“ Prüfungsbereiche werden je 40 Aufgaben formuliert. Dabei handelt es sich in der Regel um je 20 Aufgaben, die im Multiple-Choice-Verfahren zu lösen sind und – das ist neu -, je 20 Aufgaben in der Form so genannter „offener Fragen“, die vom Prüfling schriftlich beantwortet werden müssen. Der Prüfling muss sich jetzt daran gewöhnen, dass z. B. auch Fachrechenaufgaben vorkommen können, wenn Fachrechnen oder Technische Mathematik nicht extra als Überschrift auf dem Aufgabenbogen ausgewiesen ist. Die Aufteilung der Aufgaben in Multiple-Choice-Aufgaben und „offene Fragen“ wird ebenfalls im Prüfungsbereich Wirtschafts- und Sozialkunde umgesetzt.
Grundsätzlich erfolgt die Erstellung von Aufgaben für die bundeseinheitliche Abschluss-/ Gesellenprüfung durch die Experten des Hauptverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz mit größtmöglicher Sorgfalt. Beim Prüfungsbereich Instandsetzung und Instandhaltung werden z. B. Aufgaben zu verschiedenen Demontage- und Montagearbeiten erstellt, Arbeitsabläufe werden erfragt, einzelne Arbeitsschritte müssen in einer Prüfung beantwortet werden. Des weiteren wird vom Prüfling erwartet, dass er z. B. Rückverformungs- und Instandsetzungsarbeiten erklären und beschreiben kann und beispielsweise auch elektrische Schaltungsarten an Fahrzeugen kennt.
Präzise und eindeutig
Dabei achten die Experten bei der Erarbeitung der Prüfung darauf, dass spezielle und zu weit in die Tiefe gehende Aufgabenstellungen vermieden werden und die Fragen präzise und eindeutig formuliert sind. Neben den handlungsorientiert strukturierten Aufgaben muss der Prüfling auch in der Lage sein, fachrichtungsübergreifende wie fachrichtungsspezifische Wissensfragen zu beantworten.
Praktische Prüfung
Die wesentliche Änderung gegenüber der alten Verordnung ist, dass nicht mehr einzelne Arbeitsproben durchzuführen und Prüfungsstücke anzufertigen sind, sondern eine Arbeitsaufgabe, die einem Kundenauftrag entspricht, auszuführen ist. Dieser fiktive Kundenauftrag enthält verschiedene Leistungspositionen und umfasst i.d.R. sämtliche Arbeitsschritte von der Vorbereitung bis zur Endabnahme.
Für die Durchführung der Prüfung regelt die zuständige oder die geschäftsführende Stelle im Einvernehmen mit dem Prüfungsausschuss die Aufsichtsführung, die sicherstellen soll, dass die Prüfungsleistungen vom Prüfling selbstständig und nur mit erlaubten Arbeits- und Hilfsmitteln durchgeführt werden.
Jedem Prüfling muss vor der Prüfung Art und Größe der Karosserieteile bzw. Arbeitsplatten und der Umfang der jeweiligen, im Vorfeld der Prüfung durchzuführenden, Vorarbeiten durch den Prüfungsausschuss mitgeteilt werden. Dazu sind vom Ausschussvorsitzenden die Prüfungsunterlagen der Arbeitsaufgabe heranzuziehen und in einer vorbereitenden Sitzung mit den Mitgliedern des Prüfungsausschusses zu besprechen. Ferner muss der Prüfungsausschuss veranlassen, dass jeder Prüfling über die notwendigen Untergründe, Werk- und Hilfsstoffe, Werkzeuge, Geräte und Maschinen, die zur Prüfung erforderlich sind, rechtzeitig vor der Prüfung in Kenntnis gesetzt wird, oder er veranlasst, dass diese zur Prüfung vorhanden sind.

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