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Die Herausforderungannehmen

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Die Herausforderungannehmen

Die Herausforderungannehmen
Speziell, wenn es um kreative Themen ging, war Otto Fischle als Ansprechpartner und Ideengeber eng mit dem Lackiererblatt verbunden. (Foto: M. Rehm)
Inhalte und Begleitumstände der Fahrzeuglackierer-Ausbildung befinden sich im Wandel. Wir sprachen mit einem, der diesen seit fast 40 Jahren begleitet.

Ziemlich genau 1.800 Auszubildende müssten es sein, die während seiner Tätigkeit als Berufsschullehrer von ihm „beschult“ wurden, hat Otto Fischle überschlagen. Kein Wunder, dass der Technische Oberlehrer und Werkstattleiter, der seit 38 Jahren an der gewerblichen Schule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart beschäftigt ist, bei Branchentreffen, aber auch „auf der Straße“, immer wieder auf ehemalige Schülerinnen und Schüler trifft, die sich – in aller Regel gerne – an ihn, die Ausbildung oder den Meisterkurs in Stuttgart-Feuerbach erinnern. Kein Wunder auch, dass Otto Fischle die Zahl so genau benennen kann, denn nach fast vier Jahrzehnten Lehrtätigkeit geht er mit dem Ende dieses Schuljahrs in den Ruhestand – und da ist man schon manchmal in der Stimmung, ein Resümee zu ziehen. Mit dem Lackiererblatt war Otto Fischle im Grunde, seit es uns gibt, eng verbunden – im Rahmen zahlreicher Schulprojekte und Kooperationen, vor allem aber als einer der Ideengeber und geistigen Väter der „Kreativen Lackiertechniken“. Für uns war sein bevorstehender Rückzug ins Privatleben ein
Anlass, gemeinsam mit Otto Fischle auf vier Jahrzehnte Lackiererausbildung zurückzublicken.

Otto, wie bist Du zum Berufsschullehrer geworden?

Ich bin damals quasi direkt vom Schüler zum Lehrer geworden. Noch während ich die Fachschule für Farbe und Gestaltung als Maler und Lackierer in Stuttgart besucht habe, zeichnete sich ab, dass eine Technische Lehrerstelle besetzt werden musste.

Wie setzte sich eine Azubi-Klasse denn damals zusammen?

Im Vergleich zu heute war der Anteil derjenigen höher, die mit einer klaren Berufsperspektive, einem klaren Ziel vor Augen die Ausbildung antraten, sei es als Sohn, seltener auch Tochter eines Betriebsinhabers, oder als jemand, der das Ziel hatte, sich irgendwann selbstständig zu machen oder sich einen anderen Platz im Lackiererhandwerk zu suchen. Auf jeden Fall war die Entscheidung für die Fahrzeuglackiererlehre keine zufällige.

Das ist heute anders?

In einer Fahrzeuglackiererklasse sind heute immer noch ein paar mit einer klaren Perspektive, dazu kommen aber Auszubildende, die das als Schnupperlehre verstehen, Quereinsteiger, die deutlich weiter und reifer sind als die anderen, Auszubildende, die nichts aus ihrer Sicht besseres gefunden haben, Auszubildende mit gravierenden Sprachproblemen, Migranten, die sich eine Existenz aufbauen möchten, andere, die eine Ausbildung angetreten haben, um eine Abschiebung zu verhindern. Wir haben es also mit sehr unterschiedlichen Hintergründen – und auch Motivationsgraden zu tun.

Welche Folgen hat dies für den Unterricht?

Der Unterricht ist auf der einen Seite noch wichtiger als früher, weil Lernen im Grunde nur im Unterricht stattfindet. Die Spitzenleute schauen zu Hause noch ein Fachbuch an und bereiten sich vor, die anderen eher nicht. Gleichzeitig ist der Unterricht immer stärker mit sprachlichen, disziplinarischen und sozialen Problemen befrachtet, sodass die Situation für Lehrer und Schüler deutlich erschwert wird. Kein Zufall, dass es keine Berufsschule ohne Sozialarbeiter gibt.

Welche Lösungsansätze siehst Du da?

Ich weiß, dass das heute nicht besonders populär ist, aber ich persönlich bin immer stärker zur Erkenntnis gelangt, dass man unterschiedliche Abschlüsse für unterschiedliche Kompetenzen schaffen müsste. So hatten wir bis vor wenigen Jahren noch die Sonderberufsschule, und dies war eine sehr gute Einrichtung für lernschwache Auszubildende. Die beruflichen und technischen Anforderungen an einen Lackierergesellen sind ständig gewachsen. Warum soll man versuchen, lernschwache Schüler, wenig motivierte Schüler oder auch solche mit großen Sprachdefiziten generell auf ein Level zu bringen? Zumal das ja gar nicht unbedingt deren Interessen entspricht – viele möchten ja einfach keinen, oder eben irgendeinen Abschluss haben und zügig Geld verdienen. Natürlich müsste so ein System durchlässig sein.

Hat der Spaß am Lehrerberuf denn nachgelassen?

Nein, aber die Herausforderung ist größer geworden – zumal heutige Berufsschüler auch vieles hinterfragen. „Warum müssen wir das lernen?“ – diese Frage gab es schlichtweg früher nicht. Umso wichtiger ist es, gerade bei der heutigen Schülergeneration, dass junge Lehrer einsteigen, die nahe bei den Schülern sind, die begreifen, wie die Azubis ticken und auch ihre Medienwelt teilen. Wenn es Schülern leichter fällt, Lerninhalte per YouTube-Video zu erfassen, muss man die halt, zumindest ergänzend, in den Unterricht integrieren – und auch die technischen Voraussetzungen schaffen.

Würdest Du heute wieder dieselbe Berufswahl treffen?

Ja, wir haben vor allem als fachpraktische Lehrer das Glück und die Chance, unterschiedlichste Schüler über die jeweiligen Projekte zu packen. Die Schüler sehen bei uns sehr schnell, ob
etwas schief geht, und sie haben sofort Erfolgserlebnisse, wenn etwas funktioniert. Und wir haben mit der kreativen Seite des Lackiererberufs eine Möglichkeit, junge Leute noch auf eine ganz andere Art zu faszinieren und mitzunehmen. Das ist ganz wichtig und hat auch mich während der ganzen Jahre immer wieder motiviert – und es könnte sein, dass mir das auch fehlen wird.

Otto, vielen Dank für das Gespräch und gute Zeit!

mr ■

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