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Meisterprüfung - und was dann? Perspektiven in der Lackierbranche

Meisterprüfung - und was dann?
Das Lernen wieder lernen

Warum man heute den Meister macht – und was nach der Meisterprüfung kommt. Wir besuchten drei angehende Fahrzeuglackierermeister an der Handwerkskammer Köln.

Yannick Blauel (YB), Benedict Hasenclever (BH) und Michael Vogler (MV) haben im vergangenen Jahr an der Handwerkskammer Köln die Meisterprüfung als Fahrzeuglackierer abgelegt. Wir durften sie am Tag der Prüfung besuchen, zur Meisterausbildung und zu ihren Perspektiven befragen.

Was war der auschlaggebende Punkt für Sie, den Meisterkurs zu belegen?

MV: Nach rund zehn Jahren als Geselle hatte ich im Betrieb das Gefühl, nicht mehr voranzukommen. Aus dem Grund habe ich mich entschieden, die Meisterprüfung zu machen. Um noch mehr Perspektiven zu haben, setze ich anschließend noch den Betriebswirt des Handwerks obendrauf. Wenn man sich schon mal wieder an das Lernen gewöhnt hat …

BH: Bei mir hat sich nach einigen Jahren herausgestellt, dass der Lackiererberuf, was die rein praktische Seite angeht, keine Dauerlösung für mich ist. Ich möchte ganz einfach in zehn Jahren nicht mehr in der Kabine stehen, sondern eher auf der organisatorischen und kaufmännischen Seite arbeiten.

Mehr Möglichkeiten nach der Meisterprüfung

YB: Ich habe mir vorgenommen, bevor ich 30 bin den Meister zu machen und mir damit mehr Möglichkeiten zu schaffen – zum Beispiel in der Industrie, in der Anwendungstechnik oder im Vertrieb.

Unter den möglichen Perspektiven ist die Selbstständigkeit, also das Führen eines eigenen Lackierbetriebs, gar nicht aufgetaucht. Warum?

YB: Das wäre vielleicht anders, wenn einer von uns einen elterlichen Betrieb im Hintergrund hätte, den es nach der Meisterprüfung zu übernehmen gilt. Einen Betrieb zu gründen oder zu übernehmen, war bisher einfach nicht der Plan.

BH: Bei mir war das ähnlich, allerdings muss ich zugeben, dass Meisterkurs selbst doch ein bisschen zur Selbstständigkeit inspiriert. Man sieht einfach, wie Dinge, die man aus dem bisherigen Berufsalltag kennt, besser gemacht oder anders angepackt werden können.

Komplett veränderter Tagesablauf

Sie haben sich für einen Vollzeit-Meisterkurs an der HWK Köln entschieden, das heißt, der Tagesablauf hat sich komplett verändert. Worin bestand denn die größte Veränderung?

YB: Die Umstellung ist insgesamt enorm. Nach rund zehn Jahren Berufspraxis muss man tatsächlich wieder lernen zu lernen. Im Betrieb wird ja vieles nicht wirklich hinterfragt. Wenn etwas funktioniert, dann bleibt das auch so. In der Meisterschule muss man sich dagegen vielem wieder öffnen.

BH: Um ehrlich zu sein, hat es mich am meisten geschlaucht, fast den ganzen Tag zu sitzen und permanent geistig gefordert zu sein. Ich bin am Anfang nach Hause gekommen und mehr oder weniger direkt ins Bett gegangen.

Wäre es denn besser, man macht die Meisterprüfung früher, näher an der Gesellenprüfung?

MV: Nur was die theoretische Seite angeht. Für den praktischen Teil ist es aus meiner Sicht besser, mindestens fünf Jahre im Beruf gestanden zu sein.

Werkstattpraxis ist wichtig

BH: Ich denke, dass sich die Erfahrung in der Werkstattpraxis auch auszahlt, wenn es in der Meisterausbildung um Themen wie Kommunikation und das Absprechen von Abläufen geht.

Ein Wort zur finanziellen Seite: Welche Opfer muss man für die
Meisterausbildung bringen? Oder wird das durch Förderprogramme heute gut abgefedert?

YB: In dieser Hinsicht hat sich schon sehr viel getan. Es gibt verschiedene Fördertöpfe, zum Beispiel des Landes NRW, oder KfW-Kredite, von denen man bei Bestehen der Prüfung 40 Prozent erlassen bekommt – und noch mehr, wenn man sich selbständig macht, Mitarbeiter einstellt und so weiter.

BH: Also es ist sicher von Vorteil, mit einem gewissen „Taschengeld“ in die Meisterausbildung zu gehen. Aber Leute, die sagen, sie könnten sich die Meisterschule nicht leisten, liegen heute verkehrt.

Wieviel kostet die Meisterprüfung?

MV: Was ins Geld gehen kann, sind Ausrüstung und benötigte Materialien. Aber hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass einen durchaus auch Lack- und Zubehörhersteller unterstützen. Man muss halt auf die Firmen zugehen und argumentieren, was man wofür braucht. Aber auch das ist keine schlechte Erfahrung …

Worin besteht die größte inhaltliche Herausforderung in der Meisterschule?

MV: Das kommt sehr darauf an, aus welchem Betrieb man kommt. Ein Thema wie zum Beispiel die Fahrzeugdiagnose ist manchen Meisterschülern, je nachdem, wie sie vorher eingesetzt wurden, noch kaum begegnet. Auch die Kalkulation mit moderner Branchensoftware ist für viele, die von der praktischen Seite kommen, neu.

Herausforderung Designarbeit

YB: Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist natürlich auch die Designarbeit. Das Carshape steh im Mittelpunkt der Abschlussprüfung und ist eine echte Herausforderung. „Echte Autos“ sind ja das tägliche Brot, da hat man eine gewisse Routine. Aber mal kreativ zu werden, war etwas Neues.

BH: Einige von uns haben sich auch gefragt: Wozu soll ich das machen, das wird ja in der Praxis nachher nie verlangt. Aber es hat sich gezeigt, dass da sehr viel Praxisbezug dabei ist – von der Entwicklung eines Logos über das Argumentieren, warum welcher Weg gewählt wurde, bis hin zur praktischen Gestaltung. Auch die kann ja sehr anspruchsvoll sein, wenn man eine entsprechende Technik wählt. Im Nachhinein macht eigentlich die Designarbeit am meisten Arbeit – aber letztlich auch am meisten Spaß. mr ■


Angelina Brunone ist Lackierermeisterin und Beisitzerin im Meisterprüfungsausschuss der HWK Köln
(Foto: M. Rehm)
Angelina Brunone: „Das Thema EDV-gestützte Kalkulation ist meines Erachtens von elementarer Bedeutung. (Fotos: M. Rehm)

Praxis- und kundenorientiert

Moderne Meisterausbildung setzt auf Praxisnähe und die Einbindung von Expertenwissen

Frau Brunone, Sie sind seit längerer Zeit aktiv an Meisterprüfungen beteiligt. Was hat sich aus Ihrer Sicht über die Jahre am gravierendsten verändert?

Eine sehr praktische Auswirkung durch die Änderung der Meisterprüfungsverordnung besteht darin, dass das Alter und damit die Berufserfahrung der Teilnehmer/-innen deutlich gesunken ist. Viele melden sich kurz nach Bestehen der Gesellenprüfung zu den Meistervorbereitungskursen an. Hier müssen die Lehrgangsanbieter und Dozentinnen und Dozenten auffangen, was an Wissen in Theorie (z. B. Kundenkontakt, Kalkulation …) und Praxis fehlt. Die fehlende Berufspraxis zeigt sich vor allem in den praktischen Aufgabenteilen der Meisterprüfung.

Wie haben sich denn die Perspektiven und Berufswünsche der Meisterschülerinnen und -schüler verändert?

Selbständigkeit steht nach der Meisterprüfung nicht mehr im Mittelpunkt

Bei vielen steht nicht mehr der Wunsch nach Selbstständigkeit im Vordergrund. Das finanzielle Risiko, das hohe erforderlichen Investitionsvolumen (was nicht für jeden stemmbar ist) und auch die Zunahme vieler wahrgenommener Probleme und Unsicherheiten wird häufig in die Überlegungen zur eigenen beruflichen Zukunft einbezogen.

Wie wird heute Praxisnähe garantiert?

Die Meisterprüfungsverordnung zielt auf die tatsächlichen betrieblichen Abläufe ab. Dntsprechend werden die einzelnen Prüfungsaufgaben gestellt. Die praktische Misterpüfung wird bei uns in Köln durch eine praxisorientierte Auftragsabwicklung mit der Bearbeitung eines Kundenauftrags durchgeführt. In der Prüfung wird bearbeiten wir ein Mittelklassefahrzeug mit einem vorgegebenen Schadensbild. Dabei bearbeitet man alle für die Auftragsabwicklung typischen Bereiche. Angefangen bei der Auftragsannahme, der Informationsbeschaffung mit Herstellerunterlagen, der Kalkulation, der praktischen Durchführung mit Instandsetzung, De- und Montagearbeiten, Farbtonfindung, Einlackierarbeiten, Finish und im Rahmen der Prüfung das simulierte Kundengespräch.

Welche Rolle spielen heute die Designaufgaben?

Designaufgabe macht am meisten Spaß

Die Designaufgabe gibt der jeweilige Kundenauftrag vor. Sie lässt den Meisterschülerinnen und -schülern viel Raum für eigene Kreativität. Auch hier bemerkt man deutlich, dass das Thema Design in früheren Jahren im beruflichen Alltag eine größere Rolle spielte. Ich erinnere mich zum Beispiel an die große Airbrush- und Edeltechnikwelle. Heute ist das ein Bereich, mit dem die wenigsten vor Besuch der Meisterschule schon einmal zu tun hatten. Im Nachgang ist das aber oft derjenige Praxisteil ist, der am meisten Spaß gemacht hat.

Welche Bedeutung hat heute der Umgang mit Branchensoftware?

Die Kalkulation erfolgt im vorbereitenden Unterricht und in der Prüfung an Einzelarbeitsplätzen in unserem modernen EDV-Raum, als Software nutzen wir in der HWK Köln das Kalkulationssystem DAT SilverDAT III und DMS System SFK Bücher, beide Anbieter unterstützen die Meisterausbildung der Fahrzeuglackierer schon seit vielen Jahren. Gerade das Thema EDV-gestützte Kalkulation ist meines Erachtens elementar wichtig. Aus meiner Erfahrung zeigt sich, dass die EDV-Systeme dazu verleiten, den automatisch erzeugten Werten zu vertrauen, ohne zu prüfen, ob die einzelnen Kalkulationspositionen sinnhaft sind. Ob zum Beispiel Arbeitszeitvorgaben realistisch sind oder aber auch Positionen fehlen. Daher baut der Unterricht in diesem Bereich auf den Grundlagen der Lackkalkulation – tatsächlich händisch mit Tabellen – und in der Weiterführung auf Nutzung der EDV-Kalkulation auf.

Know-how aus der Branche für die  Meisterprüfung nutzen

Das heißt, Sie nützen bei der Ausbildung auch Know-how von Unternehmen und Anbietern aus der K+L-Branche?

Praxisnähe heißt innerhalb des Unterrichts auch die Einbindung von Fachleuten aus der Lack- und Zuliefererindustrie, um aktuelle Entwicklungen, die noch keinen Einzug in die Fachbücher gefunden haben, im Unterricht abzubilden. Schulungen zu Farbtonfindung mit modernen Spektrometern, Umgang mit Plottern, Airbag-Gurtstrafferschulung gehören zum Standard in der Meistervorbereitung der HWK Köln. Und ein Thema wie „Schleifen und Untergründe“ ist für die Meisterschülerinnen und -schüler natürlich weitaus interessanter, wenn im Rahmen des Unterrichts mit Unterstützung durch einen Schleifmittelanbieter auch Rautiefenmessungen durchgeführt werden können. mr■

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