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Lücke im Reglement

Design
Lücke im Reglement

Der Rennhelm ist für viele Formel 1- Piloten eine kreative Spielwiese. Für das Design ist oft die Firma JMD zuständig

So ziemlich alles in der Formel 1 ist streng geregelt. Die Technik der Fahrzeuge, die Maße und Gewichte sowieso. Und auch die Gestaltung der Rennwagen, der Team-Trucks oder der Rennanzüge unterliegt präzisen Vereinbarungen zwischen Teams, Fahrzeugherstellern und Sponsoren. Da gibt es exakt definierte Hausfarben und genau festgelegte Größen und Platzierungen von Sponsorenlogos. Für individuelles Design und persönliche Farbvorlieben ist scheinbar kein Platz. Doch eine Ausnahme gibt es: die Helme der Fahrer. „Wenn Michael Schumacher beim nächsten Rennen statt eines roten einen grünen Helm tragen wollte, könnte er das tun“, meint Jens Munser. Er muss es wissen, denn wenn Schumi tatsächlich eine neue Gestaltung für seinen Rennhelm möchte, wird sie in Munsers Firma JMD entworfen und realisiert. Und nicht nur Michael Schumacher greift auf die Dienste der in Salzgitter ansässigen Ideenschmiede zurück. Die Liste der JMD-Kunden liest sich wie die Startaufstellung eines Grand-Prix-Rennens. Mark Webber, Nick Heidfeld, Nico Rosberg und Rubens Barrichello lassen neben anderen Fahrern hier ihre Helme lackieren. Während früher das Helmdesign während der Saison nicht gewechselt wurde, lassen heute viele Fahrer ihre Helme häufig, manche sogar von Rennen zu Rennen, umgestalten, oft mit Motiven, die Bezug zur jeweiligen Rennstrecke haben, manchmal mit Bildern oder Namen von Familienangehörigen, mit Flaggen, Initialen oder einfach mit Chrom oder 3-D-Effekten. Der momentan erfolgreichste und zugleich einer der beim Helmdesign experimentierfreudigsten JMD-Kunden ist Sebastian Vettel. „Bei ihm ist die Gestaltung des Helms im Laufe der Zeit fast schon zu einem Hobby geworden“, schwärmt Jens Munser. „Eingebundene Fotos, 3-D-Folie, Airbrush-Elemente – wir haben bei seinen Helmen schon sehr viele verschiedene Stile und Designs ausprobieren können.

Kellerwerkstatt als Sprungbrett
Jens Munser ist, was das Lackieren angehet, Autodidakt. In der Jugend fuhr er Motocross und begann irgendwann, im Keller des Elternhauses seine Helme mit der Airbrushpistole zu verschönern. Die Helme fielen auf, und sein Talent sprach sich unter den Fahrern schnell herum. So entwickelte sich aus dem Hobby bald ein Nebenverdienst, der schließlich zur Gründung der Firma Jens Munser Design, kurz JMD, führte. Heute beschäftigt Munser sieben Mitarbeiter, darunter Fahrzeuglackierer, Mediengestalter, Ex-Graffitisprayer. Zusammen lackieren sie jährlich etwa 600 Helme. Anfangs war Munser noch in allen Sparten des Motorsports aktiv, heute konzentriert er sich auf Kart- und vor allem Automobilsporthelme. Die Grundüberlegung dabei: Wer sich Automobilrennsport leisten kann, hat auch für die Gestaltung des Helms noch etwas Geld übrig. Bislang ging das Kalkül auf. Bestens in der Motorsportszene vernetzt, erhält Jens Munser Aufträge von den Piloten selbst, von Rennteams und Sponsoren. Grundsätzlich kann aber jeder seinen Helm bei JMD gestalten und lackieren lassen. Die Homepage der Firma bietet Designvorschläge, Entwurfsvorlagen und eine umfangreiche Galerie von realisierten Helmen. Kunden haben somit die Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen exakt umsetzen zu lassen. „In der Regel ist die Gestaltung eine Kombination aus Wünschen der Kunden und unseren Vorschlägen“, berichtet Jens Munser, „umsetzen lässt sich fast alles, aber der Preis für die Lackierung geht je nach Aufwand schnell in die Höhe.“
Zwischen 500 und 1.500 Euro kostet eine Lackierung, für Verchromung oder aufwendige Airbrush-Motive gibt es einen Aufpreis, und auch die Planungskosten werden berechnet. Das klingt großzügig, ist aber scharf kalkuliert. „Viele Kunden unterschätzen den Aufwand, den wir bei der Gestaltung eines Helms haben. Zehn bis zwanzig Stunden Arbeit an einem Helm sind die Regel. Und bis das Design mit den Kunden endgültig abgesprochen ist und realisiert werden kann, werden oft dreißig, vierzig Emails ausgetauscht.“
Möglichst leicht
Die technische Ausführung der Lackierung ist weniger kompliziert. Helme für den Autorennsport bestehen aus Carbon, das sich problemlos mit Wasserbasis- oder lösemittelhaltigen Lacken beschichten lässt. „Dadurch, dass wir sehr viele Farbwechsel haben und sehr viel Zierlinienband einsetzen, arbeiten wir derzeit meistens mit lösemittelhaltigen Materialien,“ erläutert Jens Munser. Ausgangspunkt für die Gestaltung können vom Helmhersteller weiß vorlackierte Modelle sein. Sie werden zunächst demontiert, Visier, Schrauben und Gummidichtungen werden entfernt. Auf die angeschliffene Beschichtung wird dann das Design aufgetragen. Manche Hersteller, wie zum Beispiel die Firma Schuberth aus Magedeburg, mit denen JMD eng kooperiert, liefern auch unbeschichtetete Carbonschalen. Da Carbon brennbar ist, wird hier zunächst ein Brandschutz-Füller auftgetragen, der bei Hitze auf ein Vielfaches seines Volumens aufschäumt und damit eine wirksame Isolation bietet. Darauf folgt eine auf die spätere Gestaltung abgestimmte Grundierung und natürlich das Design.
Geschützt wird dieses dann von zwei Schichten Klarlack, sehr dünnen allerdings, denn speziell in der Formel 1 spielt das Gewicht eine entscheidende Rolle. Anders als beim Motorradrennen zerrt im Automobil-Rennsport, wo man sich nicht in die Kurve legen kann, jedes Gramm zuviel am Helm an der Nackenmuskulatur. Daher verwendet Jens Munser bei Kunden aus der Formel 1 möglichst geringe Mengen möglichst hoch pigmentierten Lacks. Wie lichtecht die Lackierung ist, spielt in diesem Fall keine entscheidende Rolle. „Grundsätzlich wird der Helm im Rennsport ja nur während der Rennen eingesetzt und kommt danach wieder in die Schutzhülle“, erklärt Munser, „und die Formel 1-Piloten fahren einen Helm sowieso nicht länger vier, fünf Rennen lang.“ Auch Kratzfestigkeit ist daher nicht gefragt, dafür umso mehr Steinschlagschutz. Jens Munser. „Da in der Formel 1 offen gefahren wird, ist die Gefahr von Steinschlägen sehr hoch. Und abgeplatzte Sponsorenlogos machen sich auf den Fernsehbildern ganz schlecht. Wir verwenden daher lieber elastische Klarlacke.“
Die Lackierung eines Formel 1-Helms kann leicht dreißig Arbeitsstunden in Anspruch nehmen. Dabei machen die aufwendigen Einzelstücke für die Fahrer nicht den Löwenanteil des JMD-Umsatzes ein. Interessanter sind Helme, die nicht für die Piloten selbst, sondern für ihr Umfeld lackiert werden. So lassen viele Teams zum Beispiel die Helme der Mechaniker von Jens Munsers Team lackieren. Ein gutes Geschäft sind auch Replica-Helme; einfachere Helme, die aber exakt gleich wie die Helme der Top-Piloten gestaltet sind. Diese Helme werden nicht bei Rennen eingesetzt, sondern an Sponsoren oder VIPs verschenkt und landen meist in und in der Vitrine.
Saisongeschäft
Aufträge, die aus dem Formel 1-Umfeld stammen, orientieren sich am Zeitplan der Rennsaison. Im Frühjahr bis zum Beginn der Rennsaison herrscht Hochbetrieb. Bis kurz vor dem ersten Rennen werden noch Sponsoren gesucht. Das endgültige Design der Logos und Sponsorenaufkleber steht aus diesem Grund erst relativ spät fest. Daher werden auch die Helme der Piloten erst sehr spät geordert. Ende Sommer, Anfang Herbst herrscht dagegen relative Ruhe. Das bedeutet kürzere Wartezeiten für Kunden, die nicht im Rennsport-Zirkus aktiv sind. Und für Jens Munser die Gelegenheit, bei Kursen sein Wissen weiterzugeben. Was Lackdesign angeht, gibt es, so Munsers Beobachtung, durchaus Bedarf. „Ich kenne viele Lackierer, die ihr Handwerk perfekt beherrschen und sich auch beim Thema Airbrush gut auskennen. Was wir aber anbieten, das Gestalten von Objekten mit Lacken und Folien, liegt eigentlich genau dazwiscen. In solche kreativen Lücken könnten viele Lackierer stoßen.“ MR

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